Heimat⸗Schollen
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst
An /1927
Erscheinungsweise 2mal monatlich. Bezugspreis 1,20 RM. im Vierteljahr. Frũhere
Jahrgãnge können, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Derlag nachbezogen werden
Susanna Juliand õ
VDon Geoorg Ploch. (Fortsetzung.)
ohnt werde durch ihr eigen Fleisch und Blut. Er könne
»och nicht von ihr verlangen, daß sie ihm von nun an als
„inem Derwandten gegenübertrete. Aber ihre Worte machten
nuf den entschlossenen Sinn des Sohnes beinen Eindruck.
Da begann sie, sich bitter zu beblagen. Er habe leider,
agte sie, alles von seinem VDater, nichts von ihr geerbt.
Vie sein Dater, statt sie zu rächen, sich der Untreue jenes
Nannes gefreut habe, weil sie dadurch sein Weib geworden
ei, so setze er sich nun über ihren Schmerz hinweg jenem
Mädchen zuliebe. VDergeblich wies Volpracht darauf hin,
aß jo lange Seit zwischen jener Enttäuschung und dem
eutigen Tage liege, und daß sie doch nicht ewig hassen
õonne, vergeblich stellte er ihr vor, wie empfindlich es für
hn sein müsse zu sehen, daß der Zorn über die Treulosigkeit
ꝛnes Mannes lebendiger in ihrem Gemüte sei als die
frinnerung an seinen verstorbenen Vater, vergeblich bat er
e zu bedenben, daß sie das Glück ihres einzigen Sohnes
hrem Hasse opfern wolle. Alle seine Worte blieben ver—
eblich. Sie bonnte die Hoffnung nicht aufgeben, er werde
och noch in die alte Abhängigkeit von ihrem Willen
urückkehren. Als sie jedoch erfuhr, daß er ihren RKing in
iller Herzlichkeit und Einfalt Susanna Juliana als Seichen
ꝛiner Liebe gegeben habe, bannten ihre Wut und ihre
derzweiflung keine Grenzen mehr. Sie verließ ihn auf
er Stelle, lief in ihr Frauengemach und schloß sich ein und
rlaubte ihm krotz aller Bitten den ganzen Tag nicht mehr.,
»or ihre Augen zu kommen.
Am nächsten Morgen beim Tagesgrauen weckte ihn sein
znecht Kunz Pannkuche mit der Meldung, daß er die
Zderrin nach dem Kloster Werberg begleiten solle, wo sie
Auf seinem Heimritt war Volpracht nicht anders zu
Mute, als sei ihm ein großes Glück vom Himmel gefallen.
Sonst etwas zu denken, vermochte er nicht. Als er jedoch
in die Rittergasse einbog und das väterliche Haus vor sich
jah, wurde ihm plötzlich Llar, daß er einer schwierigen Aus-
eĩnandersetzung mit jeiner Mutter entgegengehe. Diese Aus-
einandersetzung ließ denn auch nicht lange auf sich warten.
Seine Mutter, die ihm wohl ansah, daß er etwas Besonderes
erlebt haben müsje, fragte ihn geradezu, ob ihm vielleicht
schon die Demütigung des tförichten Mädchens und ihres
eitlen Vaters gelungen sei, weil er so fröhlich dreinschaue.
In der Stimmung, in der sich der Junker befand, konnte
ihm nicht leicht etwas Unangenehmeres gesagt werden, und
daß es seine Mutter war, die ihn derart verdroß, machte
die Sache nicht besser. Ohne AUmschweife und mit einer
Sicherheit und Kühnheit, über die er sich selber wunderte,
teilte er seiner Mutter mit, was geschehen war. Ihre Ent-
täujchung war im ersten Augenblick so groß, daß sie sich
an die Hoffnung klammerte, er scherze nur. Als sie aber
ihren Irrtum erbannte, war sie außer sich vor Sorn und
Schmerz. Sie suchte ihn unter lautem Wehklagen davon
zu überzeugen, daß er als ein unerfahrener, gutgläubiger
Jüngling in die Netze eines willensstarken und schamlosen
Mädchens gegangen sei, das alle Känke und Künste der
Uberlistung von ihrem ehrgeizigen, treulosen und hinterhältigen
Dater gelernt habe. Da sie jedoch sah, daß sie durch diesen
Ton Volpracht erzürne, statt ihn umzustimmen, verlegte sie
sich aufs Bitten. Er möge doch bedenben, sagte sie, welch
ein unerträglicher, unwürdiger Sustand es für sie sei, ansehen
zu müssen. wie dieser Mann für seine Treulosigkeit noch be—