einen großen Haß gegen den Wann, der seine Mutter un—
glücklich gemacht und seinen Vater um das Beste gebracht
atte, die Liebe einer Gattin. Dazu erschien ihm Susanna
Julianas Verhalten, ihre Natürlichkeit und Anbefangenheit,
die Freundlichbeit, mit der sie jeine Huldigungen beantwortete,
auf einmal in ganz anderem Licht. Seine Mutter hatte es
blug vermieden, sich hierüber deutlich auszusprechen, aber
hre Worte hatten ihn auf den Gedanbken gebracht, daß
Susanna Juliana ganz ein Kind ihres Daters und ihre
zarmlose Freundlichkeit ein Mittel zur Eereichung eines
ehrgeizigen Sieles sein Lönne. Als er diesen VOerdacht mit
einem Wort andeutete, erblärte sie, jeine Entdeckung bestätige
»ollauf ihre eigene Vermutung. Plötzlich umarmte sie ihren
Sohn heftig und bat ihn unter Tränen, sie an jenem Manne
zu rächen. Volpracht war durch ihre Schmerzen so gerührt,
daß er sich gerne bereit sinden ließ, ihr zu willfahren. Durch
diesen schnellen Sieg ermutigt, machte sie ihm den Vorschlag,
ihrem Feinde auf ähnliche Weise zu vergelten, wie er einst
an ihr gehandelt hatte. Volpracht, dem trotz aller VDer⸗
bitterung ein solcher Gedanke gänzlich ferne lag, schraß davor
zurück, eine gleiche Treulosigkeit wie jener zu begehen.
Seine Mutter stellte ihm jedoch vor, daß er beineswegs sein
Vort geben und brechen solle. Die törichte, ränkevolle
Jungfrau werde schon als echte Tochter ihres Daters mit
dessen Billigung ihre Netze nach ihm ausstellen, und nichts
wune ihren Vater härter treffen, als seine SBerechnungen
getäuscht zu sehen, nachdem er sich und seine Tochter vor
Alen Menschen bloßgestellt habe. Um das ihr widerfahrene
AUnrecht noch deutlicher zu machen und dadurch ihren Sohn
noch mehr zur Kache anzuspornen, übergab sie ihm einen
King, den sie aus einer Truhe herbeigeholt hatte. Es war
ein goldner Keif, auf dem ein blutrotes Herz aus edlem
Stein angebracht war. Im Innern des Keifes standen
die Worte:
Ich bin din, du bist min.
Obwohl Volpracht nicht wußte, welchen Gebrauch er davon
machen könne, nahm er ihn doch an sich. Seine Mutter
bat ihn, den King gut einzustecken, jedoch so, daß er ihn
jederzeit spüre, wenn ihm etwa die falschen Augen des
Mädchens gefährlich werden sollten. Ohne etwas zu ver⸗
prechen, fühlte sich Volpracht halbwegs gewonnen, ein zwei⸗
deutiges Spiel zu spielen — wofsern er damit nicht den
Anfang zu machen brauche. Seine Mutter war über diese
Sereitwiiligkeit jo glücklich, daß sie ihn umarmte und küßte
vie seit langem nicht.
Nachdem Volpracht in solcher Weise das Gift des Hasses
uind Mißtrauens eingesogen hatte, begegnete er Susanna
Juliana mit ihrem Dater. Als sie ihn aus einiger Ent-
fernung bemerkten, blickten Vater und Tochter einander an,
und es schien, als lächelten sie. Unter sonstigen Umständen
wäre dem Junker das schwerlich aufgefallen, aber eingedenk
der Worte seiner Mutter glaubte er ihre DVermutung von
dem gegenjeitigen Einverständnis von Dater und Tochter
estätigt. Diese Meinung verstärbte sich noch, als er sie
beim Grüßen aus der Nähe betrachten und vergleichen
zonnte. Die Ahnlichbeit zwischen ihnen war so überraschend,
daß man unwillkürlich auf eine Gleichheit des inneren
Vesens schließen mußte.
Nach dieser Entdeckung empfand Volpracht einen solchen
Zorn gegen die ganze Welt, daß es ihm fast ein Bedürfnis
var, anderen wehe zu tun. Er trat ohne Arsache seinen
Hund, er spornte seinen Schimmel bis aufs Blut, er sprach
in barschem Ton mit seinem treuen Knecht Kunz Pannbkuche
und ging seiner Mutter aus dem Wege, weil er fürchtete,
er Lönne sonst die ihr schuldige Achtung vergessen. Am
neisten hatte Sujanna Juliana unter seinem veränderten
Vesen zu leiden. Er war noch zu jung und unverdorben,
ls daß er eine unaufrichtige Kolle fein und listig durch⸗
qführen verstanden hätte. Er huldigte, dem Plane seiner
Nutter folgend, Susanna Juliana wie seither, ja mehr als
uvor, aber er tat es nun, wo sein Herz nicht dabei war,
nit jo rũcksichtslojer Übertreibung, daß seine Aufmerbsam⸗
eiten sast Beleidigungen waren. Das erstemal sah sie
hyn mit großen, erstaunten Augen an, das zweitemal wies
e ihn sanft, das drittemal spöttisch zurecht, dann mied
e ihn. Weit davon entfernt, aus ihrem Verhalten auf ein
ekränktes, reines Herz zu schließen, sah er auch in dieser,
m neuen Zurückhaltung nichts als berechnende Absicht
nd beschloß, nun schon findiger geworden in der Kunst der
verstellung, sie durch reuiges, sanftes Wesen zu betören. Er
atte nicht so bald diesen neuen Weg eingeschlagen, als sie
ch ihm langsam wieder zuwandte, und da sie jah, daß er
icht mehr in seine vorige kränkende Art zurückfiel, verzieh
e ihm gerne und freute sich wieder seiner Huldigungen.
veil er aber sein früheres Derhalten gar nicht vergessen
u können schien, so ging sie aus lauter Freundlichkeit in
Vorten und Gebärden um ein geringes weiter als blug
bar. Dadurch fühlte er sich aufs neue bestärkt in dem
derdacht, daß sie ihn in ihren Netzen fangen wolle, um
hrem Ehrgeiz zu frönen.
Voll zorniger Schadenfreude beschloß er nun, ihr ein
iebesgeständmis zu erpressen, ohne daß er selber von Liebe
rechen wollte, und er zweifelte nicht an dem Erfolg. Ein
zitter, der in der Stadt das Kecht des Surgmannsitzes hatte, aber
neist auf seinen Gütern wohnte, lud seine Standesgenossen,
eren Söhne und Töchter und etliche andere angesehene
deute der Stadt zu sich zur Keiherbeize ein. Auch
z5usjanna Juliana war unter den Geladenen, und obwohl
ie nicht reilen Konnte, nahm sie doch die Aufforderung gerne
in in der nicht unbegründeten Hoffnung, bei der Gelegen-
eit den Junker Volpracht anzutreffen. Sie hatte sich auch
icht getäuscht, der Junber erschien gleichfalls. Ja, er sagte
u ihrer großen Freude, er wolle gleich ihr auf die Teil⸗
ahme zu Pferde verzichten, und wenn sie es erlaube, so
»erde er sie an einen erhöhten Punkt im Walde begleiten,
on wo man die ganze Gegend überblicken und den Kampf
a den Lüften beobachten kLönne. Sie willigte ohne viel
viererei ein. Während er sie in den hohen Buchenwald
ührte, belehrte er sie über Einzelheiten der Falknerei, über
ie sie nur oberflächlich unterrichtet war, und erzählte ihr
esonders, was er darüber in fremden Ländern gesehen und
rjahren hatte. Sie neigte aufmerksam den Kopf, sah manch⸗
nal den Junker an und nickte zuweilen. Als sie jedoch
inmal eine Frage überhörte, blickte er ihr in die Augen,
ind da schienen sie ihm so seltsam träumerisch, daß er zweifelte,
b sie überhaupti zugehört habe. „Jetzt ist der rechte Augen-
lickel*“ dachte er, aber als er sprechen wollte, schlug ihm
as Herz, als sei er im Begriff, eine schlimme Tat zu be—
ehen. Wieder fing er an, laut und lebhaft von fremden
dingen zu reden, um die Stimme in seinem Herzen zu
ibertönen.
Der Weg wurde steiler, Susanna Juliana fühlte sich
nüde. Auf einem moosbewachsenen Felsblock zwischen
ohen Farnkräutern setzte sie sich nieder. Er stand vor ihr
ind schwieg. Sie sah ihn an, rätselhaft träumerisch, im
iefsten glücklich. Er fühlte sich verwirrt und griff nach
ꝛiner Brust. Dort lag der King seiner Mutter. „Es
nd die Augen ihres Daters!“ dachte er, und nun fand er
en Mut. „Susanna Juliane, wenn ich wüßte ...“ stammelte
x. Sie hob ein wenig den Kopf, als warte sie. was er