Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

einen großen Haß gegen den Wann, der seine Mutter un— 
glücklich gemacht und seinen Vater um das Beste gebracht 
atte, die Liebe einer Gattin. Dazu erschien ihm Susanna 
Julianas Verhalten, ihre Natürlichkeit und Anbefangenheit, 
die Freundlichbeit, mit der sie jeine Huldigungen beantwortete, 
auf einmal in ganz anderem Licht. Seine Mutter hatte es 
blug vermieden, sich hierüber deutlich auszusprechen, aber 
hre Worte hatten ihn auf den Gedanbken gebracht, daß 
Susanna Juliana ganz ein Kind ihres Daters und ihre 
zarmlose Freundlichkeit ein Mittel zur Eereichung eines 
ehrgeizigen Sieles sein Lönne. Als er diesen VOerdacht mit 
einem Wort andeutete, erblärte sie, jeine Entdeckung bestätige 
»ollauf ihre eigene Vermutung. Plötzlich umarmte sie ihren 
Sohn heftig und bat ihn unter Tränen, sie an jenem Manne 
zu rächen. Volpracht war durch ihre Schmerzen so gerührt, 
daß er sich gerne bereit sinden ließ, ihr zu willfahren. Durch 
diesen schnellen Sieg ermutigt, machte sie ihm den Vorschlag, 
ihrem Feinde auf ähnliche Weise zu vergelten, wie er einst 
an ihr gehandelt hatte. Volpracht, dem trotz aller VDer⸗ 
bitterung ein solcher Gedanke gänzlich ferne lag, schraß davor 
zurück, eine gleiche Treulosigkeit wie jener zu begehen. 
Seine Mutter stellte ihm jedoch vor, daß er beineswegs sein 
Vort geben und brechen solle. Die törichte, ränkevolle 
Jungfrau werde schon als echte Tochter ihres Daters mit 
dessen Billigung ihre Netze nach ihm ausstellen, und nichts 
wune ihren Vater härter treffen, als seine SBerechnungen 
getäuscht zu sehen, nachdem er sich und seine Tochter vor 
Alen Menschen bloßgestellt habe. Um das ihr widerfahrene 
AUnrecht noch deutlicher zu machen und dadurch ihren Sohn 
noch mehr zur Kache anzuspornen, übergab sie ihm einen 
King, den sie aus einer Truhe herbeigeholt hatte. Es war 
ein goldner Keif, auf dem ein blutrotes Herz aus edlem 
Stein angebracht war. Im Innern des Keifes standen 
die Worte: 
Ich bin din, du bist min. 
Obwohl Volpracht nicht wußte, welchen Gebrauch er davon 
machen könne, nahm er ihn doch an sich. Seine Mutter 
bat ihn, den King gut einzustecken, jedoch so, daß er ihn 
jederzeit spüre, wenn ihm etwa die falschen Augen des 
Mädchens gefährlich werden sollten. Ohne etwas zu ver⸗ 
prechen, fühlte sich Volpracht halbwegs gewonnen, ein zwei⸗ 
deutiges Spiel zu spielen — wofsern er damit nicht den 
Anfang zu machen brauche. Seine Mutter war über diese 
Sereitwiiligkeit jo glücklich, daß sie ihn umarmte und küßte 
vie seit langem nicht. 
Nachdem Volpracht in solcher Weise das Gift des Hasses 
uind Mißtrauens eingesogen hatte, begegnete er Susanna 
Juliana mit ihrem Dater. Als sie ihn aus einiger Ent- 
fernung bemerkten, blickten Vater und Tochter einander an, 
und es schien, als lächelten sie. Unter sonstigen Umständen 
wäre dem Junker das schwerlich aufgefallen, aber eingedenk 
der Worte seiner Mutter glaubte er ihre DVermutung von 
dem gegenjeitigen Einverständnis von Dater und Tochter 
estätigt. Diese Meinung verstärbte sich noch, als er sie 
beim Grüßen aus der Nähe betrachten und vergleichen 
zonnte. Die Ahnlichbeit zwischen ihnen war so überraschend, 
daß man unwillkürlich auf eine Gleichheit des inneren 
Vesens schließen mußte. 
Nach dieser Entdeckung empfand Volpracht einen solchen 
Zorn gegen die ganze Welt, daß es ihm fast ein Bedürfnis 
var, anderen wehe zu tun. Er trat ohne Arsache seinen 
Hund, er spornte seinen Schimmel bis aufs Blut, er sprach 
in barschem Ton mit seinem treuen Knecht Kunz Pannbkuche 
und ging seiner Mutter aus dem Wege, weil er fürchtete, 
er Lönne sonst die ihr schuldige Achtung vergessen. Am 
neisten hatte Sujanna Juliana unter seinem veränderten 
Vesen zu leiden. Er war noch zu jung und unverdorben, 
ls daß er eine unaufrichtige Kolle fein und listig durch⸗ 
qführen verstanden hätte. Er huldigte, dem Plane seiner 
Nutter folgend, Susanna Juliana wie seither, ja mehr als 
uvor, aber er tat es nun, wo sein Herz nicht dabei war, 
nit jo rũcksichtslojer Übertreibung, daß seine Aufmerbsam⸗ 
eiten sast Beleidigungen waren. Das erstemal sah sie 
hyn mit großen, erstaunten Augen an, das zweitemal wies 
e ihn sanft, das drittemal spöttisch zurecht, dann mied 
e ihn. Weit davon entfernt, aus ihrem Verhalten auf ein 
ekränktes, reines Herz zu schließen, sah er auch in dieser, 
m neuen Zurückhaltung nichts als berechnende Absicht 
nd beschloß, nun schon findiger geworden in der Kunst der 
verstellung, sie durch reuiges, sanftes Wesen zu betören. Er 
atte nicht so bald diesen neuen Weg eingeschlagen, als sie 
ch ihm langsam wieder zuwandte, und da sie jah, daß er 
icht mehr in seine vorige kränkende Art zurückfiel, verzieh 
e ihm gerne und freute sich wieder seiner Huldigungen. 
veil er aber sein früheres Derhalten gar nicht vergessen 
u können schien, so ging sie aus lauter Freundlichkeit in 
Vorten und Gebärden um ein geringes weiter als blug 
bar. Dadurch fühlte er sich aufs neue bestärkt in dem 
derdacht, daß sie ihn in ihren Netzen fangen wolle, um 
hrem Ehrgeiz zu frönen. 
Voll zorniger Schadenfreude beschloß er nun, ihr ein 
iebesgeständmis zu erpressen, ohne daß er selber von Liebe 
rechen wollte, und er zweifelte nicht an dem Erfolg. Ein 
zitter, der in der Stadt das Kecht des Surgmannsitzes hatte, aber 
neist auf seinen Gütern wohnte, lud seine Standesgenossen, 
eren Söhne und Töchter und etliche andere angesehene 
deute der Stadt zu sich zur Keiherbeize ein. Auch 
z5usjanna Juliana war unter den Geladenen, und obwohl 
ie nicht reilen Konnte, nahm sie doch die Aufforderung gerne 
in in der nicht unbegründeten Hoffnung, bei der Gelegen- 
eit den Junker Volpracht anzutreffen. Sie hatte sich auch 
icht getäuscht, der Junber erschien gleichfalls. Ja, er sagte 
u ihrer großen Freude, er wolle gleich ihr auf die Teil⸗ 
ahme zu Pferde verzichten, und wenn sie es erlaube, so 
»erde er sie an einen erhöhten Punkt im Walde begleiten, 
on wo man die ganze Gegend überblicken und den Kampf 
a den Lüften beobachten kLönne. Sie willigte ohne viel 
viererei ein. Während er sie in den hohen Buchenwald 
ührte, belehrte er sie über Einzelheiten der Falknerei, über 
ie sie nur oberflächlich unterrichtet war, und erzählte ihr 
esonders, was er darüber in fremden Ländern gesehen und 
rjahren hatte. Sie neigte aufmerksam den Kopf, sah manch⸗ 
nal den Junker an und nickte zuweilen. Als sie jedoch 
inmal eine Frage überhörte, blickte er ihr in die Augen, 
ind da schienen sie ihm so seltsam träumerisch, daß er zweifelte, 
b sie überhaupti zugehört habe. „Jetzt ist der rechte Augen- 
lickel*“ dachte er, aber als er sprechen wollte, schlug ihm 
as Herz, als sei er im Begriff, eine schlimme Tat zu be— 
ehen. Wieder fing er an, laut und lebhaft von fremden 
dingen zu reden, um die Stimme in seinem Herzen zu 
ibertönen. 
Der Weg wurde steiler, Susanna Juliana fühlte sich 
nüde. Auf einem moosbewachsenen Felsblock zwischen 
ohen Farnkräutern setzte sie sich nieder. Er stand vor ihr 
ind schwieg. Sie sah ihn an, rätselhaft träumerisch, im 
iefsten glücklich. Er fühlte sich verwirrt und griff nach 
ꝛiner Brust. Dort lag der King seiner Mutter. „Es 
nd die Augen ihres Daters!“ dachte er, und nun fand er 
en Mut. „Susanna Juliane, wenn ich wüßte ...“ stammelte 
x. Sie hob ein wenig den Kopf, als warte sie. was er
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.