Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

den Gezweig einer Tanne schliefen sie ruhig und unbesorgt; denn 
Gottvater behütete sie bis zum hellen Morgen. Da ging Joseph 
zu einem Quell im Walde, wo er Wasser holte. Maria saß auf 
dem Stein und wusch ihr Kindlein mit sorgsamen Mutterhänden. 
Wo das Waschwasser ablief, da grub es eine Rinne in den 
Stein. Und wo Joseph und Maria über den Stein hinweg— 
schritten, da blieben die Tapfen ihrer Füße für ewige Seiten 
zurũck. Das heilige Paar mit dem Gottesbindlein wanderte weiter 
über die Berge. Die Sonne strahlte vom Himmel und lachte das 
Botteskind an, und alle Vögel jubilierten im Walde. 
Die Rinne und die Fußtapfen im Steine sind noch heute zu sehen, 
und der Stein und der große Wald umher heißen der Bosnen 
Sage vom Dreienberg. 
Auf dem Dreienberg bei Friedewald wurde einmal eine 
Jungfrau unschuldigerweise hingerichtet. Ein Kindlein war tot 
iufgefunden worden, und sie sollte die Rabenmutter gewesen 
ein. 
Ehe die arme Jungfrau ihr schönes, schuldloses Haupt auf 
en Block legte, sagte sie zu den umstehenden RKichtern und dem 
chaulustigen Volk: „So gewiß ich unschuldig gerichtet werde, so 
jewiß wird auf diesem Berg in alle Ewigkeit nichts wachsen.“ 
Und den Blick zum Himmel erhebend, fuhr sie fort: 
„Ihr Wolken, tut euch auf! 
Ich bomm zu Euch hinauf.“ 
Da bamen zwel Tauben vom Himmel und seßtzten sich 
auf ihre Schultern. Und als nun ihr Haupt unter dem Beile 
es Scharfrichters fiel, schwebten die Tauben wieder zum Himmel 
mpor. 
Seitdem ist der Dreienberg Lahl, während über alle seine 
Nachbarn der große Sũüllingswald seinen grünen Mantel breitet. 
VDom BSBüchertische der Heimat 
O ꝗt. 
G. Sitzer, Hessenland, mein Heimatland. Dieses an— 
jprechende Lied aus dem im Verlag von M. Bernecker in Mel— 
sungen erschienenen Volkbsschauspiel „Ebbebrecht von Grifte“ von 
K. Weisser hat eine Vertonung für Männerchor gefunden, die 
ohne Sweifel von 
jedem hessischen 
Gesangverein aufs 
wãrmste begrüßt 
werden wird. Die 
jschwungvolle, echt 
vollstũmliche Me⸗ 
lodie erfährt eine 
wirksame UAnter⸗- 
stützung durch eine 
nicht alltägliche 
Harmonisierung, 
die uns durch 
das bontrapunkt- 
liche Gegenspiel 
zwischen Tenor und 
Baß im ersten Teil 
der Komposition 
besonders ge⸗ 
lungen erscheint. 
Dessenungeachtet 
bietet die Einstu— 
dierung des Cho— 
res, der in allen 
Talten die erfah⸗ 
rene Hand eines 
prabtijchen Musi⸗ 
bers vorrät, auch 
dem bleinsten Land⸗ 
verein beine be⸗ 
sonderen Schwie⸗ 
rigleiten. Wir 
wünschen dem neuesten Heimatliede eine möglichst große Ver— 
breitung in allen hessischen Gauen und würden uns freuen, wenn 
es aus den Chorvereinigungen heraus den Weg zum Herzen des 
Oolkes finden möchte. Die Komposition ist im Eigenberlag von 
G. Sitzer in Battenberg a. d. Edder erschienen, wird bereitwilligst 
zur Ansicht ũübersandt und bostet o,80 RM., bei Bezug von 12 
Stũck o.830 RM., 30 - 0,.20 RM., 60- 0,15 RM. 
Josef Ponten,. Die Insel. Novelle. Reclams Aniversal- 
Sibliothetß Ne. 6261. Geb. 0,80 RM. 
In die blösterliche Abgeschiedenheit einer Insel im südlichen 
Meere tritt, wahrend das Kapitel der Mönche ũber den einzigen 
Hahn zu Gericht sitzt, weil er jüũndhafte Gedanben erregt, ein 
zunges Weib aus dem nordischen Tiefland, voll Sehnsucht nach 
dem Wesenhaften des Daseins, nach Taten ohne Schatten. Unter 
Führung des Bruders Spiridion verbringt sie einen einzigen Tag 
auf der Insel. Aus der zu allen Toren der Sinne in die Seele 
einströmenden Landschaft erwächst das schicksalhafte Erleben der 
beiden Menschen, ũber die am nächsten Morgen das Kapitel zu 
Gericht sitzt. Maria verläßt die Insel; Spiridion jucht die Kuhe 
des Nichtseins in den Fluten. — Einmaliges Lesen vermag dieses 
dichterische Kunstwerl kaum auszuschöpfen. K. 
Josef Ponten, Die Bochkreiter. Novelle. Keclams Ani— 
bersal⸗Sibliotheß Ne. 6690/91. Geb. 1.20 RM. 
Mit dieser Novbvelle hat der Dichter sein Lũnstlerijches Axlom: 
„Erzãählen, das heißt handfestes Geschehen handfest darb ringen“ 
in die Tat umgesetzt. Aus dem ermũdenden Gieichmaß guter 
Tage flüchten sich, von ũüberschäumender Lebenskraft und Aben— 
teuerlust getrieben, 
wohlehrjame Mãn⸗ 
ner der bürger— 
lichen Gesellschaft 
in ein tolles nächt- 
liches Treiben voll 
wilder Streiche. die 
auf Gegenwehr 
stoßen und zu Ver⸗ 
brechertaten wer⸗ 
den, woil sie 
zwangsläufig dazu 
werden mũssen. 
Jahrelang läßt die 
Gesellschaft der 
Bockreiter“ das 
Land zwischen 
Niederrhein und 
Maas ob ihrer 
Schoelmenstreiche 
lachen und sich 
fürchten, bis der 
nächtliche Spuk von 
der rächenden Ne— 
mesis ereilt wird 
und am Galgen 
endet. Der grau⸗ 
sige Humor und 
die harte Tragib 
der Handlung sind 
mensovlich gemil⸗ 
dert durch 3wei 
—I3— Elisabeth Kirchhoff und Lotte Hold, die beide den 
auptmann der Bockreiter lieben und Folterqualen und Sterben 
nit ihm teilen. J 
Alfred Bock, Schicksal und Schelme. Verlag der Deut⸗ 
schen Dichter⸗Gedächtnis · Stiftung, Hamburg -·Großborstel. In Ganz- 
leinen 2,080 RM. 
Anser hessischer Landemann Alfred Boch, der mit seinen 
2pischen Schöpfungen in erster Reihe mit den namhaftesten deutschen 
Erzählern steht, hat die jechs Erzählungen seines Buches Schicksal 
und Schelme“ in dieser neuen Auflage um drei vermehrt. Mit einem 
Slick auf meinen Lebensweg“ eröffnet der Dichter den schönen 
Auswahlband. Einige der Erzählungen zeichnen hartes „Schicksals; 
indere. auf den gleichen Grundton abgestimmt, werden mit leisem 
dächeln scherzando vorgetragen. Als Vertreter echter „Schelme“ 
räsentieren sich uns „Der neue Pfarrer“, „Die Geitt“ und „Der 
Stammhalter“. Alfred Bock gibt das Leben, wie es ist, und wie 
2s sich spiegelt in einem bewußt formenden Geist und einem jeder 
eisen Regung erschlossenen Herzen. Die Lichter eines feinen 
Humors umspielen viele seiner Gestalten. K. 
Martin Andersen Nexö, Schwarze Erde. Novellen. 
Reclams Universalbibliotheßk. Preis geb. o80 RM. 
Der dänische Arbeiterdichter, der in Deutschland lebt und in 
deutscher Sprache gestaltet, stellt hier drei Stũcke seiner Kunsit 
zusammen — nicht vier. wie der Buchumschlag irrtümlich ver 
Tafelrunde der Willingshäuser Maler. Seichnung von W. Thielmann. 
Aus Hessenkunst 1022. (M. G ElwertVerlag Marburg Lahn.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.