den Gezweig einer Tanne schliefen sie ruhig und unbesorgt; denn
Gottvater behütete sie bis zum hellen Morgen. Da ging Joseph
zu einem Quell im Walde, wo er Wasser holte. Maria saß auf
dem Stein und wusch ihr Kindlein mit sorgsamen Mutterhänden.
Wo das Waschwasser ablief, da grub es eine Rinne in den
Stein. Und wo Joseph und Maria über den Stein hinweg—
schritten, da blieben die Tapfen ihrer Füße für ewige Seiten
zurũck. Das heilige Paar mit dem Gottesbindlein wanderte weiter
über die Berge. Die Sonne strahlte vom Himmel und lachte das
Botteskind an, und alle Vögel jubilierten im Walde.
Die Rinne und die Fußtapfen im Steine sind noch heute zu sehen,
und der Stein und der große Wald umher heißen der Bosnen
Sage vom Dreienberg.
Auf dem Dreienberg bei Friedewald wurde einmal eine
Jungfrau unschuldigerweise hingerichtet. Ein Kindlein war tot
iufgefunden worden, und sie sollte die Rabenmutter gewesen
ein.
Ehe die arme Jungfrau ihr schönes, schuldloses Haupt auf
en Block legte, sagte sie zu den umstehenden RKichtern und dem
chaulustigen Volk: „So gewiß ich unschuldig gerichtet werde, so
jewiß wird auf diesem Berg in alle Ewigkeit nichts wachsen.“
Und den Blick zum Himmel erhebend, fuhr sie fort:
„Ihr Wolken, tut euch auf!
Ich bomm zu Euch hinauf.“
Da bamen zwel Tauben vom Himmel und seßtzten sich
auf ihre Schultern. Und als nun ihr Haupt unter dem Beile
es Scharfrichters fiel, schwebten die Tauben wieder zum Himmel
mpor.
Seitdem ist der Dreienberg Lahl, während über alle seine
Nachbarn der große Sũüllingswald seinen grünen Mantel breitet.
VDom BSBüchertische der Heimat
O ꝗt.
G. Sitzer, Hessenland, mein Heimatland. Dieses an—
jprechende Lied aus dem im Verlag von M. Bernecker in Mel—
sungen erschienenen Volkbsschauspiel „Ebbebrecht von Grifte“ von
K. Weisser hat eine Vertonung für Männerchor gefunden, die
ohne Sweifel von
jedem hessischen
Gesangverein aufs
wãrmste begrüßt
werden wird. Die
jschwungvolle, echt
vollstũmliche Me⸗
lodie erfährt eine
wirksame UAnter⸗-
stützung durch eine
nicht alltägliche
Harmonisierung,
die uns durch
das bontrapunkt-
liche Gegenspiel
zwischen Tenor und
Baß im ersten Teil
der Komposition
besonders ge⸗
lungen erscheint.
Dessenungeachtet
bietet die Einstu—
dierung des Cho—
res, der in allen
Talten die erfah⸗
rene Hand eines
prabtijchen Musi⸗
bers vorrät, auch
dem bleinsten Land⸗
verein beine be⸗
sonderen Schwie⸗
rigleiten. Wir
wünschen dem neuesten Heimatliede eine möglichst große Ver—
breitung in allen hessischen Gauen und würden uns freuen, wenn
es aus den Chorvereinigungen heraus den Weg zum Herzen des
Oolkes finden möchte. Die Komposition ist im Eigenberlag von
G. Sitzer in Battenberg a. d. Edder erschienen, wird bereitwilligst
zur Ansicht ũübersandt und bostet o,80 RM., bei Bezug von 12
Stũck o.830 RM., 30 - 0,.20 RM., 60- 0,15 RM.
Josef Ponten,. Die Insel. Novelle. Reclams Aniversal-
Sibliothetß Ne. 6261. Geb. 0,80 RM.
In die blösterliche Abgeschiedenheit einer Insel im südlichen
Meere tritt, wahrend das Kapitel der Mönche ũber den einzigen
Hahn zu Gericht sitzt, weil er jüũndhafte Gedanben erregt, ein
zunges Weib aus dem nordischen Tiefland, voll Sehnsucht nach
dem Wesenhaften des Daseins, nach Taten ohne Schatten. Unter
Führung des Bruders Spiridion verbringt sie einen einzigen Tag
auf der Insel. Aus der zu allen Toren der Sinne in die Seele
einströmenden Landschaft erwächst das schicksalhafte Erleben der
beiden Menschen, ũber die am nächsten Morgen das Kapitel zu
Gericht sitzt. Maria verläßt die Insel; Spiridion jucht die Kuhe
des Nichtseins in den Fluten. — Einmaliges Lesen vermag dieses
dichterische Kunstwerl kaum auszuschöpfen. K.
Josef Ponten, Die Bochkreiter. Novelle. Keclams Ani—
bersal⸗Sibliotheß Ne. 6690/91. Geb. 1.20 RM.
Mit dieser Novbvelle hat der Dichter sein Lũnstlerijches Axlom:
„Erzãählen, das heißt handfestes Geschehen handfest darb ringen“
in die Tat umgesetzt. Aus dem ermũdenden Gieichmaß guter
Tage flüchten sich, von ũüberschäumender Lebenskraft und Aben—
teuerlust getrieben,
wohlehrjame Mãn⸗
ner der bürger—
lichen Gesellschaft
in ein tolles nächt-
liches Treiben voll
wilder Streiche. die
auf Gegenwehr
stoßen und zu Ver⸗
brechertaten wer⸗
den, woil sie
zwangsläufig dazu
werden mũssen.
Jahrelang läßt die
Gesellschaft der
Bockreiter“ das
Land zwischen
Niederrhein und
Maas ob ihrer
Schoelmenstreiche
lachen und sich
fürchten, bis der
nächtliche Spuk von
der rächenden Ne—
mesis ereilt wird
und am Galgen
endet. Der grau⸗
sige Humor und
die harte Tragib
der Handlung sind
mensovlich gemil⸗
dert durch 3wei
—I3— Elisabeth Kirchhoff und Lotte Hold, die beide den
auptmann der Bockreiter lieben und Folterqualen und Sterben
nit ihm teilen. J
Alfred Bock, Schicksal und Schelme. Verlag der Deut⸗
schen Dichter⸗Gedächtnis · Stiftung, Hamburg -·Großborstel. In Ganz-
leinen 2,080 RM.
Anser hessischer Landemann Alfred Boch, der mit seinen
2pischen Schöpfungen in erster Reihe mit den namhaftesten deutschen
Erzählern steht, hat die jechs Erzählungen seines Buches Schicksal
und Schelme“ in dieser neuen Auflage um drei vermehrt. Mit einem
Slick auf meinen Lebensweg“ eröffnet der Dichter den schönen
Auswahlband. Einige der Erzählungen zeichnen hartes „Schicksals;
indere. auf den gleichen Grundton abgestimmt, werden mit leisem
dächeln scherzando vorgetragen. Als Vertreter echter „Schelme“
räsentieren sich uns „Der neue Pfarrer“, „Die Geitt“ und „Der
Stammhalter“. Alfred Bock gibt das Leben, wie es ist, und wie
2s sich spiegelt in einem bewußt formenden Geist und einem jeder
eisen Regung erschlossenen Herzen. Die Lichter eines feinen
Humors umspielen viele seiner Gestalten. K.
Martin Andersen Nexö, Schwarze Erde. Novellen.
Reclams Universalbibliotheßk. Preis geb. o80 RM.
Der dänische Arbeiterdichter, der in Deutschland lebt und in
deutscher Sprache gestaltet, stellt hier drei Stũcke seiner Kunsit
zusammen — nicht vier. wie der Buchumschlag irrtümlich ver
Tafelrunde der Willingshäuser Maler. Seichnung von W. Thielmann.
Aus Hessenkunst 1022. (M. G ElwertVerlag Marburg Lahn.)