Zuletzt machte Knaus 1882 in Willingshausen Studien zu
Iroßen figurenreichen Bildern Bauerntänze unter der Dorflinde“,
zu deren Vollendung er sich durch Vermittlung seines Freundes
Reusel eine Schwälmerin mit ihrem ganzen Trachtenstaat zum
Modellsißen nach Berlin kommen ließ. Siese BSilder kamen zu—
neist von der Staffelei weg in den Besitß von Deutsch⸗Amerikanecen,
die Unsummen dafür bezahlten. Hätten die Willingshäuser das
gewußt, dann hätte wohl mancher gedacht, wie der Hans in J. Loh⸗
neyers Knaus-Festspiel,
Ooerrückt ist nu emal die Welt,
Uns malt er, und er nimmt das Geld!
Knaus war im Schwalmtal geradezu volbstümlich. Auf ein
Schmollis, das der Meister in jungen Jahren angeboten, war man
nicht wenig stolz. Su Familienfeiern wurde er eingeladen, über—
haupt zur Dorfschaft gehörig gerechnet. Sweimal hat der Minister
h»as Dorf mit einer Stiftung bedacht, und die Dorfsschaft hat ihm
zu Ehren eine Knauslinde gepflanzt.
An dem Aufblũhen der Malerkbolonie hatte Knaus das größte
Derdienst, da seine Schwälmer Bilder kräftig für die Kolonie
varben. Solche Bauernbilder wollten andere Maler nicht nur
ehen, sondern an Ort und Stelle jelbst malen. Die frũhere
Stamm'sche Wirtschaft war seit 1880 unter dem neuen Wirt Haaje
esser geworden, sodaß für die Maler, die nach und nach in größerer
zahl kamen, besseres Unterkommen vorhanden war. Sie bamen
»on Düsjeldorf, Frankfurt. Kassel, Darmstadt, Dresden, München,
Berlin und sogar aus Holland, Schweden und England. Aus—
ũhrlicher habe ich darüber in „Hessenkunst 1919 —22 (Oerlag
ElwertMarburg a. Lahn) berichtet. Es ist derselbe Verlag, der
ich durch Herausgabe zahlreicher Willingshäuser Kunstblätter ein
Iroßes VDerdienst um die hessische Volkskunst erworben hat. In
enen Auffäßen habe ich gegen 100 Willingshäuser Maler mit
Namen genannt. Wohl dreiviertel von ihnen stammten aus Hessen⸗
Nassau und dem früheren Großherzogtum Hessen. Es war lands-
männischer Geist, der die meisten ancinanderbettete, und der in den
soer Jahren zu der Bildung eines Freundesbreises führte, in
dem die Kolonie einen festen Stamm hätte.
der mehrere Male Wochen oder Monate dort geweilt hätte.
cein anderer ist ein jo regelmäßiger Besucher der Kolonie gewesen
voie er. Und während Knaus seine großen Schwälmer Figuren—
ilder mit Hilfe jeiner gutgefüllien Stiizzenbücher auswärts malte,
Ludwig Knaus: Sbizze aus Willingshausen 1849.
Aus Hehenkunst 1021. (NM. G. Elwert-Derlag Marburg-Lahn.)
Ludwig Knaus: Skizze aus Willingshausen 1840.
Aus Hessenkunst 1021. (M. G. Elwert⸗Derlag Marburgq -Lahn.)
Die Blũtezeit der Malerbolonie ist mit dem Namen Karl
Bantzer eng verbunden. In den obenerwähnten Freundesbreis
rat Banßzer, der 1851 in Siegenhain geboren wurde, im Jahre
1887, und seitdem ist kein Jahr vergangen. in dem er nicht ein
entstanden Bantzers große Schwalmbilder, das „Abendmahl“
I890 /02), der „Schwãlmer Tanz“ (1807/98), der, Hochzʒeitsschmaus“
1904) und „Waldspaziergang“ (1916) in Willingshaujen selbst.
Als sich der Plan für das Abendmahlsbild entwickelte, bedurfte
er eines geräumigen Ateliers, das Bantzer auf dem nahen Forsthof
zrrichtete, in dessen Inhaber, dem Oberförster Hücker, die Maier
inen treuen Freund besaßen. In dieser, Banßerkirche“, für deren
Inneres eine benachbarte Dorfkirche als Vorbild gedient hatte,
entstand das berühmte „Abendmahl in einer hessischen Dorfkirche“,
as für die Berliner Nationalgalerie angekaufi wurde. Von den
Nodellen war der Alte mit weißem Haar (links) der oft gemalte
ditter, der zweite weiter nach rechts hleß Pfalzgraf (aus Merz-
»ausen), dann kbommt der Charabterbopf des Seinewebers Kalb⸗
leisch. Der Mann mit dem langen Haar — diese Haartracht war
damals schon sehr selten — war der Bauer Schäfer; es folgen
der Schäfer Treiber aus Wasenberg und Bürgermeister Grein
uus Merzhausen. Der Geistliche war Pfarrer Riebeling, der seinem
Kirchendiener Lorenz das Brot reicht. Von diesem hessischen
Abendmahlsbild muß man sagen, daß es in jede hessische Wohnung
gehört. Kunstblätter dieses schönen Bildes sowie vieler anderer
on Bantzer, Giebel, Thielmann, Lünstroth usw. sind in verschiedenen
Brößen, auch farbig, bei Elwert in Marburg erschienen.
Bantzers großer Erfolg warb für die Kolonie. Die 90 er
Jahre brachten starken Zuzug neuer Maler. Seit 1807 hatte
Wilhelm Thielmann die Schwalm zu seiner zweiten Heimat
gemacht; ihr gehörte fast sein ganzes künstlerisches Schaffen. Er
nahm äußeelich insofern eine Sonderstellung ein, als er jseit 1903
auernd in Willingshausen wohnte, sodaß er die malerischen
schõnheiten der Landschaft zu jeder Jahreszeit und die Bewohner
n jeder Lebenslage, auch im Winter in Spinnstube und Wirks-
aus, mit Nadel, Stift und Pinsel festhalien konnte. Für die
Rolonie war er der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht
ind sein Heim oft der Treffpunkt alter Malerfreunde.
1891 Lamen auch die ersten beiden Malerinnen in die Schwalm,
enen bald andere folgten, jodaß man bis zum Kriegsbeginn wohil
iber 50 Malerinnen zählen konnte. Seit der Jahrhundertwende
amen auch Sommerfrischler nach Willingshauseñn, wo sie in dem
on Frau Oberförster Hücker erbauten Fremdenheim angenehmes
Interlommen fanden. Keges Leben herrschte auch dadurch, daß
Akademie-Professoren ihre Schũler mitbrachten, Eggersdörfer
uus Frankfurt. Hans v. Volbmann aus Karlsruhe und besonders