Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Auf der Heimatwarte. 
Adolf Lins 5. 
Aufs neue hat der Tod eine empfindliche Lücke in die Keihe 
er älteren hessischen Maler gerissen: Adolf Lins ist in Düsseldorf, 
wo er seit etwa 50 Jahren wohnte, nach längerem Leiden ent— 
ichlafen. Mit ihm ist ein Kũnjtler gestorben, der mit vielen höchst 
bpolkstũmlich gewordenen Bildern der hessischen Heimat den schön⸗ 
stten Danb abgestattet hat, den er ihr für mannigfache und dauer⸗ 
hafte schöpferische Anregung schuldig geworden war. 
Lins war am 21. Oktober 1856 in Kassel zur Welt gekommen, 
und wenn er auch bald nach dem Bejsuch der hiesigen Kunstaba- 
demie nach Düjseldorf ũbergesiedelt war und dort, wie sein Lands⸗ 
nann Heinrich Otto, eine zweite Heimat gefunden hatte, Jo hat 
er darũber doch die erste und eigentliche, die hessische, nie vergessen. 
Er gehörte vieimehr zu denen, die in Willingshausen, dem alten, 
im idyllischen Antreff Tal gelegenen Schwalmdorf Länstlerisch 
Wurzel, gefaßt und dort manchen Sommer jlang Bilder geschaßfen 
haben, deren Wirbung dann weit über das Hessenland hinausging 
Wer bennt nicht das dorf—- 
iiche Gruppenbild Lieder ohne 
Worte“, das, eine Reihe singen- 
der Schwälmerkinder hinter einer 
Keihe von Gänsen darstellend, in 
zahllosen Reprodubtionen, u. a. 
im Jahrgang 1927 des Meljunger 
Kreishandbuchs, verbreitet ist? 
So war Lins, der sich in seinen 
Benrebildern ja besonders gern 
nit Kindern und Gänsen abgab, 
o daß er oft mit dem Spitznamen 
„Gänse⸗Lins“ bezeichnet wurde, 
eine der reprãsentativsten Gestalten 
er hessischen Künstlerwelt ge— 
vorden und hatte sich überall ein 
wohlgesinntes, dankbares Publilum 
und viele Freunde erworben, 
die auch jeine sympathischen mensch⸗ 
ichen Eigenschaften zu schätzen 
vußten. Sein Hinscheiden wird 
daher allenthalben betrauert 
werden, wo ein im Bodenständigen 
wurzelndes, von herzhafter 
Menschlichbeit getragenes Kůnstier⸗ 
tum der ihm gebührenden Liebe 
und Achtung versichert geblieben 
ist. Wir bringen nebenstehend ein 
Selbstbildnis des Künjtlers, von 
dessen Leben und Schaffen dem⸗ 
nächst noch ausführlich die Rede 
jein wird. 
Hans Grimm, 
der hervorragende deutsche Er— 
zähler hessischer Prägung, der un— 
längst mit seinem großen Roman 
„ODolk ohne Kaum? einen so 
jtarben Widerhall im deutschen Geistesleben geweckt hat, wird im 
Maärzheft des „Hansischen Bücherboten“, des Mitteilungsblattes 
der deutschen Hausbũcherei, in besonderer Weise gefeiert. Das 
Heft enthãlt außer einer autobiographischen Aufzeichnung und einer 
guten Photographie des Dichters Stücke aus, Volk ohne Kaum“, 
einen Aufsatz ũber dieses Werk von M. Lorenz (Mia Lenz), ferner 
„Gedanken eines einfachen Mannes“ zu dem Voman, ein Gedicht 
von K. A. Schimmelpfeng „An Hans Grimm? und ein Erinnée 
eungsblatt von Will Scheller „Ein Tag bei Hans Grimm“. Es 
darf als ũberaus erfreulich bezeichnet werden, daß ein Schrift- 
teller von jo ungewöhnlicher dichterijscher und zugleich nationaler 
Bedeutung, wie Hans Grimm, in der deutschen Presse immer 
vieder mit so entschiedenem Nachdruck behandelt wird. Denn es 
handelt sich hier um eine geistige Erscheinung ganz großen Formats, 
in deren werbhafter Auswirbung eine tiefe Sehnsucht deutschen 
Dolkstums sich erfüllt. 
Aus Marburg. 
Die Marburger Reformations-Festjpiele sollen vom 27. Mai 
1b etwa 14 Tage täglich vor der Marienkirche stattfinden. Der 
Zuschauerraum wird rund 1200 I hren fassen. Der Spielplatz 
vor der Marienbirche wird mit Toren im milielalterlichen Stil ab⸗ 
geschlossen, die Handlung selbst baut sich vorwiegend in Massen- 
tzenen auf, bei denen Bärgerschaft und Studentenschaft mitwirben 
ollen. Der erste Alt zeigt eine heraufziehende Perozession, die 
on schwãrmerischen Elementen beunruhigi wird, der zweite Abt 
le unruhige, repolutionäre Stimmung im Keichstag zu Speyer, 
ind im dritten Abt öffnet Philipp der Großmũtige die Tore der 
Marienkirche für den evangeiijchen Kultus. Im geschlossenen Sug 
jehen die Mahssen unter Jubelgesang in die Kirche ein. — Die 
53 des Festjpiels jollen an Berufsschauspieler vergeben 
verden. — 
Die Stadt schreibt anlãßlich der bevorstehenden 400. Jahr· Feier 
er Aniversität einen Gosamtpreis von 5300 RM. aus zur Ge⸗— 
vinnung eines leicht singbaren Liedes über Marburg mit eigener 
Melodie, das moͤͤglichst sünf Strophen nicht übersteigen soll. Ein⸗ 
endungen sind bis zum J. Mai 1927 mit Kenawort an den 
Magistrat der Stadt Marburg zu richten. 
Prof. D. Martin Kade, der bebannte protestantische Theologe in 
Marburg, beging am 4. April jeinen 70. Geburtstag. In seinen 
zahlreichen Schriflen hat er immer die Wichtigkeit aufmerbsamer 
Beobachtung und Berůcksichtigung 
moderner Seitströmungen durch 
die Geistlichkeit betoni. Dieses 
Interesse an Tagesproblemen hat 
Rade vor allem in der Seitschrift 
»ebundet, durch die sein Name 
veitesten Kreisen bekbannt ge⸗ 
vorden ist: „Die christliche West“, 
die er seit 1887 herausgibt. Der 
derlag L. Klotz in Gotha läßt 
us Festgabe eine reichhaltige 
Schrift „Vierzig Jahre christliche 
Velt“ erscheinen. 
Kleine Chronik. 
Der Hessische Goschichts 
erein beschloß die Reihe seiner 
Vintervorträge mit einem Vor— 
rag des Privatdozenten Dr. Eck⸗ 
»ardt aus Göttingen ũber Die 
Abgrenzung der Gaugrajsschaft 
hessen gegen Thüringen und 
ẽngern“. — 
Ein Werb „HessenNassau 
und Waldeck“ ist in der Büucher⸗ 
eihe „Deutsche Stadt — Deut⸗ 
ches Land“ gegenwaärtig in Vor⸗ 
ꝛereitung, die seit einigen Jahren 
n der Deutschen Verlags⸗Ablien⸗ 
Jesellschaft, Berlin W. O, er—⸗ 
cheint. Auch fũür das Werb über 
unsere Provinz, dessen Geleit— 
wort Oberpräsident Dr. Schwan⸗ 
der schreibt, wird eine Keihe der 
führenden Persönlichkeiten und 
Sachbenner aus allen Gebieten 
des kulturellen und wietschaftlichen 
debens als Mitarbeiter herangezogen. Das Werkb, das nicht 
riur im Inland, sondern auch im Ausland große Oerbreitung 
inden dũrfte, wird voraussichtlich im Herbst 1921 erscheinen. — 
Gegen den Versuch. die wertvollen historischen Glocken der 
fklijabethkirche zu Marburg durch Ausbohren im Klang zu 
erbessern, sind sehr viele Stimmen laut geworden. Auch der 
ZTommunallandtag hat Einspruch erhoben und verlangt auf eine 
kingabe des Hessischen Geschichisvereins hin, daß die bereits ab— 
ransportierten Glocken unversehrt und ohne Veränderung des 
xlanges ihrer Bestimmung wieder zurũckgegeben werden. In⸗ 
wischen lief beim Pfarramt der Elisabethgemeinde die Nachricht 
ein, daß die Klangverbesserung unterbleibt. — 
Die Stadl Fulda, deren Einwohnerzahl 25 000 überschritten 
»at, ist mit dem J1. April d. J. aus dem Kreis Fulda ausge. 
chieden und bildet fũr sich den Stadtkreis Fulda. — 
Die Generalversammlung des Knüũllgebirgsvereins setzte den 
15. Mai als gemeinsamen Wandertag für den Knüllgebirgoverein 
est. Alle Sweighereine werden sich am Knüllhaus kreffen und 
urchs herrliche Steinatal zum Kurhaus wandern. Die Wege— 
ezeichnuna wird im neuen Vereinsjahr einheitlich durchgeführt. 
Nachdruch nur nach Abereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. 
herausgeber? Konrad Bernecher. Deuch und Verlag: A. Bernecker, Mels ungen.
	        
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