neu gezimmerte zusammengefüget, und nachdem ich, der Be—
amte und nach mir jeder Gerichtsschöffe einen Nagel ein-
geschlagen, aufgerichtet, mithin dem oben angezogenen hohen
Kejbript ein Genüge geleistet, und dieser Actus beschlossen.“
Bemerbenswert ist an dem Bericht nicht nur die Wichtig-
zeit, die der Here Kentmeister seiner Person beimißt und
die in dem mehrfachen „ich, der Beamte“ zur Darstellung
rommt, sondern auch die volle Effentlichbeit, in der zu
ener Seit, wie die Hinrichtung der Deliquenten, so auch
die Aufrichtung des Galgens geschah. Es liegt für uns
ein gewisser Humor darin, wenn man zu diesem Abtus
in feierlichem Suge aufzieht und wenn die Teilnahme daran
nicht nur für die Gerichtsbeamten und Gerichtsschöffen,
ondern auch für die Ortsvorsteher und ihre Gemeindemänner,
a selbst für die Schulbnaben offiziell gemacht wird. Es
iehlt nur noch die in alten Seiten bei Grenzabmessungen.
Zaumpflanzungen und ähnlichen Anlässen übliche Ohrfeige
in einen der Knaben, damit ihm die Veranstaltung für
pãtere Seiten besser im Gedächtnis bleibe. Geradezu
rrotesk aber wirkt die feierliche Nagelung des Galgens
urch den Beamten und die Schöffen, die offenbar den
dagelungen von Armeefahnen oder den Hammerschlägen
ei Grundsteinlegung öffentlicher Gebäude nachgebildet ist.
Inser Volk hat ja in vergangenen Tagen auch den Tod,
nd selbst den Galgentod mit einem gewissen Humor be—
andelt (die Hochzeit mit des Seilers Tochter). Aber in
rner Seit gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wo die Auf-
lärung und die Sentimentalität ihren Anfang nahmen,
zat man den ganzen Aufzug offenbar mit aufrichtiger Ehr—
arbeit und strengstem Ernst veranstaltet, und der darin
iegende Humor ist ein durchaus unfreiwilliger. Es gibt aber
deute, die behaupten, der unfreiwillige Humor sei der beste.
Erinnerungen an M. Herbert õ Von Else Schneider.
In meinem Leben gab es eine Oase. So oft ich mich dahin
flüchten konnte, blieb der Alltag mit seinem Krimskrams, seinen
Sorgen und Nöten draußen. Das war ein stilles Simmer in der
einen Keiter-ODilla im Osten der Stadt“): das Arbeitszimmer
der Dichterin. Nicht groß, doch schön und gemütlich; Kunstwerke
und Altertümer auf Borden und Konsolen wie auch in den anderen
Zimmern. — M. Herbert (Frau Therese Keiter) war eine große
Kunstliebhaberin und bennerin. Dunkle Mobel, Polster, Kißen,
Decken und Vorhänge in Purpuerot, ihrer Lieblingsfarbe. Ein
großer eichener Bibliothebschrank, den Danneckers Schillerbũste
brönte, barg Schätze der Literatur — nur ihre eigenen Werke
jand man nicht darinnen, sie hatte baum eines ihrer Bücher, alle
wurden sie ihr abgebettelt, und sie konnte niemals Nein sagen.
An einem Fenster nach der Gartenseite stand, mit Buchern
und Schriften bedeckt, ihr Schreibtisch. Darauf lehnte eine sehr
jute Kopie des bebannten Christuskopfes von Lionardo da Vinci
aus der Brera in Mailand. M. Herbert liebte dieses Sild ũber
alles und hat es in dem Gedicht „Vor dem Leiden“ verherrlicht.
Man bonnte es vom ganzen Simmer aus sehen.
Kechts neben dem Schreibtisch, auf einem mit rotseidener
Decke verhängten Bũcherständer schimmerte die weiße Figur der
Kranzwerferin, Nachbildung eines Genius in der Walhalläͤ. Und
Slumen gab es bei ihr, Blumen in allen Simmern, in Schalen
uind Dasen. Das ganze Jahr bedachten ihre Freunde sie damit,
Sommer und Winter. Die Seele des Hauses aber war sie, die
perehrte Dichterin! Immer werde ich sie vor mir sehen, die hohe,
aufrechte Gestalt, die auch ihr schweres Leiden nicht beugen kLonnte,
das edle Gesicht mit der
chõnen Stirne, den dunkb-
len. gaätig blickenden
Augen und dem charabter⸗
pollen, weichen Mund.
Als ich sie bennen
lernte, war sie schon in
grauen Haaren, doch im
BSespräch bonnten ihre oft
o matten Augen in ju—⸗
gendlichem Feuer auf-
olitzen — und auch in
Schelmerei, denn sie hatte
auch Humor. Ein Hauch
on Vornehmheit umgab
ie, man konnte sich gar
nicht denken, daß jemals
ꝛtwas Niedriges an sie
herantreten bönnte. Und
doch hat gerade sie die
leinen Leute gekannt, als
vãre sie in diesem Milieu
aufgewachjen. Es ist stau⸗
nenswert, wie sie sich in
die Piyche eines alten
Bettelweibleins und an⸗
derer armer Menschen
hineindenken bonnte. Man
*Reqensbura.
ese nur ihre Erzählungen aus dem Volb: „Der wilde Dorneck“,
Hungerbäum“, „Oberpfälzische Geschichten“ „Volbsgeschichten“ u.
1. Es sind Meisterwerke.
Spãter bonnte ich das schon besser begreifen, als sie mir aus ihrem
deben erzählte, von ihrer Hessenheimat, dem geliebten Melsungen
in der Fulda. Sie hat es in mehreren Romanen geschildert: Die
Venderoths, Idealisten, Bartenwetzer und in kleineren Erzählungen
mnd Sbkizzen. In der alten freiherrlichen Burg „Steinhaus“, und
äter auf der „Rosenhöhe“, verlebte sie mit einem jüngeren
Zruder eine wundervolle Kindheit in goldener Freiheit. Da
hleppte sie statt der Puppen die Kaßen des Rabbiners und
mderes Getier herum, spielte mit den Gassenbindern, den kleinen
Barfũßerchen“, die sie zärtlich liebte. Das Haus lag weit draußen,
in der Kasseler Landstraße, da lernte sie alle möglichen Leute
ennen: Bärenführer, Seiltänzer, Holzhacker, Waldarbeiter,
dandernde Schauspieler, Krämer, Bettler und Adelige. Und alle
erzãhlten ihr etwas aus ihrem Leben und von ihren Schichjalen.
Das ist charabteristijch jͤr M. Herbert. Güte und Teilnahme
heinen schon als Kind an ihr sichtbar ausgeprägt gewesen zu sein.
hr Leben lang haben alle Menschen, die sie bennen lernten, un—
— —
ffneten sich iher. Das hat sie wohl manchmal beglückt, aber noch
‚eit öfter gequält und belästigt. Aller Welt Lasten wurden auf
re Schultern geladen — nach den ihrigen fragte niemand. Und
z bonnte die Leiden anderer fast physisch nachempfinden. Manche
deute waren auch so naib, zu glauben, wenn sie der Dichterin des
angen und breiten ihre Schicksale erzählten, ihr damit Stoff zu
ꝛinem Roman zu geben.
Doch um nicht jemand
weh zu tun, opferte sie
lieber Kuhe, Behagen.,
kostbare Arbeitszeit und
Bejundheit.
Wie oft habe ich ge⸗
heten: „Laß dich doch
aĩicht ganz zugrunde rich⸗
ten! Landgraf, werde
dart !“
Wohl jsagte sie in
ietzter Seit einmal: „Ich
verde doch einen Riegel
orschieben mũssen, sonst
lomme ich nicht mehr aus
mit Kraft, Seit und —
Beld.“
Doch sie tat es bis
in ihr Ende nicht. Sie
donnte niemand, der
chriftlich oder mũndlich
nit einem Anliegen zu
hr bam, abweisen. Auch
Undank, den sie nur zu
»ft erfahren, änderte
»aran nichts. Freilich
vurde sie auch viel geliebt
uind verehrt. Aber so
viele Menschen sie auch
Hersfeld. Die Kapelle des Hospitals am Johannistor.
Aus Neuhaus. Geschichte von Hersfeld. (Hans Oit-Verlaq.)