zur Strafe ewig in der Nacht rumfahren mußte. Fürchten kat ich
nich net, wie ich da allein den Berg raufsstieg. Ich hatte ja meine
Messer bei mir!
Aber wie ich schon im Wald gerad auf der Höhe bin, hör
ich im Tal hinter mir, wie verrũckt die Hunde bellen. Ein Kasseln
kommt dann von unten herauf. Jetzt hör ich's schon ganz deutlich
auf dem Wege hinter mir. Der Mond ist hinter die Wolken ge
krochen, aber ganz deutlich bann ich den Weg sehen. Jetzt dröhnt
es dicht hinter mir, nun über mir: schnaubende Pferde, Ketien
klieren und Hũh-hott brüllt eine gräßliche Stimme! — Dann
ist's vorbei. Die Räder rasseln noch lange drüben im Gelstertal.
Ich war pitschenaß, wie ich heimkam.“ —
Das war starker Tobabl Eine Weile sinnt jeder noch an der
Geschichte herum, und dann kommen Vermutungen aller Ärt. Wer
fährt wohl bei Nacht einen schlechten Waldweg⸗
Die Alten gucken still in die Gläschen, und die Jungen finden
de Inben bald wieder. Es ist doch zu schön, sich mal so recht zu
gruseln!
Dann kommen noch Geschichten vom bleinen Mannchen, vom
Männchen mit der roten Kappe, vom spubenden Kalb mit den
zwei Köpfen — schier unerschöpflich ist der Vorratl Und wenn
dann die Gäste um Mitternacht heimwärts tappen durch das stock
finstere Dorf, — wer weiß, ob ihnen nicht eins von den Wanner-
dingern zur Seite geht?
Die Mãdchen halten fũr alle Fälle schon ietzt ihre Burschen fest.
Die hessische Sagensammlung.
Es fehlt uns in Hessen immer noch die Sagensammlung, die
mit den Mitteln moderner Forschung alles vorhandene und noch
erreichbare Sagengut erfaßt, sichtet und ordnet, und zwar ordnet
nicht nach einem Sammlerschema, sondern nach inneren organischen
SZujammenhãngen, so daß ein lebendiges Sild hesfischen Volbs.
tums entsteht und damit zugleich das Kernstück einer hessischen
Stammeskunde. Eine umfassende und quellenmäßige Sagensammlung
aljo, wie sie die mitteldeutschen Landschaften von Schlesien bis
Thũringen, wie sie das Rheinland und Westfalen bereiks besitzen
und der Harz sie jeßt bekommen wird. Ver Herausgeber des
deutschen Sagenwerbes, das im Verlage von Eugen Diederichs
in Jena erscheint, Paul Zaunert, hat nun auch für Hessen diese
Arbeit in Angriff genommen. Es handelt sich hier nicht um eins
von jenen allzuvielen Bũchern, die dadurch zustande Lommen, daß
aus zwölfen ein drelzehntes gemacht wird. Es soll, soweit es bei
einer Sagensammlung moõͤglich ist, etwas Endgültiges geschaffen,
ganze und grũndliche Arbeit getan werden.
Dazu brauchen wir die Mitwirbung aller, die irgendwie die
Mõglichkeit haben, Sagenquellen zu erschließen. Es ist bei uns
in Hessen darin bisher viel zu wenig geschehen, es ist bereits viel
versäumt worden. Mit jeder Sage, die verblingt und vergessen
wird, geht ein Stũck Volkstum verloren.
Die Sagen müssen wörtlich, so wie man sie erzählt bebommt,
aufgeschrieben werden, unter möglichster Beibehaltung des Mund
artlichen, bejonders der Bezeichnungen für die Wesen und Vor—
gänge der Sagen und sonstige Dinge des Volbsaberglaubens.
Nicht zu vergessen sind dabei Angaben über den Ort, wo die Sage
her ist, wesentlich sind solche ferner ũber die Person des Erzählen.
den, nach Alter, Stand, Geschlecht und Herkunft (ob zugewanderter
oder Alt· Anjaãssiger), auch ũber sein Verhältnis zu dem Erzählken,
ob er es frũher in seiner Jugend gehört oder neuerdings, ob von
denen, die es erlebt haben, oder od er es selbst erlebt hat. Auch
ob die Sage ofter erzählt wird oder nur vereinzelt auftritt.
Nach den bisherigen Erfahrungen geht man bei dem Nach—
jorschen am besten von verschiedenen Ausgangspunbten vor, und
zwar:
1. von Grtlichkeiten aus, indem man fragt nach Sagen, die
sich knüpfen an: Berge, Felsen, Höhlen, Steine. — Vorchristliche
Grabstätten. — Ruinen, Schlösser, Gutshöfe, alte bürgerliche
Bauten. — Kirchen, Kirchhöfe, Klöster, Bilder, Kreuze, Glochen.
Wäãlder und einzelne Bäume. — Berg und Hũttenwerbe, Mählen,
Hämmer. — Guellen, Brunnen, Flüsse, Seen, Moore. — NAuf-
fallende Flurnamen und andere merbwürdige Ortsnamen.
2. kann man vom Stofflichen, vom Sagentypus ausgehen.
Da bann es sich z. B. handein um: Sauber (Festbannen, Feuer—
segen, Liebeszauber, Sauberbũcher, Wünschelrute, Verwũnschung
und Fluch, Kreuzweg, Sauberzeit, z. B. Christnacht). — Einzelne
Personen, die im Besitz besonderer geheimer Krafte und Känste
sind (Schwarzkünstler, Wunderdobtoren, Jäger, Sigeuner, Juden,
Schãfer usw.). — Hexen, Vachtmahr (Alp), Wehrwolf. — Die
Heiligen; geweihte Dinge; besondere Kräjste der Geistlichen. —
Das „zweite Gesicht“ (Dorschau bünftiger, meist unglũcklicher Er—
eignisse, z. B. Todesfälle, Brãnde uswp.); Vorbedeutungen, Träume.
ARophezelungen (Zukbunftsbriege, politische Umwãalzungen, Tausend⸗
ãhriges Keich, Himmelszeichen, große Naturereignijje, Klima-
inderung). — Der Tod (Erscheinung oder Anmeidung von
zterbenden, andere Vorgänge in der Todesstunde, oder beĩ der
deiche usw. — Wiederbehrende Tote (wie sie zu befragen sind;
oarum sie umgehen; Erldsung uspp). — Lichtpub, gespenstische
kiere (Katzen, Hunde, Hasen ujw.), Keiter, Jäger und Kuischen. —
dergrabene Schätze (Geldfeuer, Spub bei solchen Stellen; Gold⸗
eld, vergrabene Waffen, leßteres mit Vorsicht). — Geschichten
om Teufel (wie er geprellt wird; unerblãrlicher Reichtum; Be⸗
jebenheiten mit Trinbern, Kartenjpielern. Freimaurern).
3. von der Keichs⸗, Landes und Ortsgeschichte aus; solche
Sagen knũpfen sich z5. B. an: Kriegszeiten (Schweden. Franzosen,
Tosaken, Weltbrieg, KRevolution) — Religidjse Bewegungen
Keformation, Seblierer, Propheten). — Einzelne geschichtliche
2ersönlichkeiten (Landgrafen und Kurfürsten, den Alton Frißz
Napoleon, Jéerome, Ddenberg, Kothschild). — Gutsheren, Sarone.,
Origlnale“. — Berũchtigte Kauber. Seuchen (den schwarzen
Lod usw.). — Entstehung von Oetschaften. Merbwũrdigbeiten der
Ortsgeschichte. —
Mitteilungen, moglichst auf einseitig beschriebenem Papier
und mit genauer Angabe des Abjenders, werden erbeten an
De. Paul Saunert, Kassel⸗Wilhelmshöhe, Landgraf-Karlste. 58.
(Unsere Leser, die in der Mehrzaͤhl dem Dorf entstammen
ind auf dem Lande wohnen, werden, vertraut mit dem Denken
ind Dichten des Volkes, deni Herausgeber der Sagen wertvolle
Dienste leisten Lönnen. Und am guten Willen zur Mitarbeit wird
es, so hoffen wir, auch nicht fehlen. Es giit eine Dankesschuld
in die Heimat abtragen und altes Sagengut vor der Vergeßen-
eit bewahren. Die Schriftl.)
Schoolversiemnis b.
(Abteroder Mundart.)
Das Annemargret woar änn gähnz fuhles Wieb ),
Nischdoon?ꝰ) woar sinn liwwester) Sielbertrieb,
Unn dän gähnzen Daag imme Fenster gelai);
Drimme?) woar'sch unn bleab's“) änne darme Frais).
Sinnem Maichen?) hädd's sällen 10) sinn Kleid geflickt,
Ann sällen es aini) zor Schoolen geschickt.
ODoa hädd där Lehrer mogi Ernst gemacht,
Unn's Annemargret zor Ahnzeigeñ gebroacht.
Doa bimmet) das Wieb zumme Lehrer wie wild.
Unn brischt!) und gaabet'sj, schbebtabelt unn schilt.
„Wo brich ich de Warb här, ich oarme Frai?!
Doa bunn i) Se mich liwwer glich dot geschlaĩ 10) 1*
Där Lehrer äß gain!) Dreenen!) nit schdarkb.
Hä packt in de Daschen: „Hier habt Ihr die Marb!
Nun bessert Euch aber auch, Annemargret,
Und hört auf zu weinen; seid ruhig und gehtl“ —
Där Lehrer drifft oaweds ) dän Härr Subberdänt,
Där ai das Annemargrete goat bännt.
„Die Frau hat die Sache mir weinend erzählt;
Was wollte ich machen? Ich gab ihr das Geld!“
Sãhle?) druff seaht?i) där Lehrer dän Härr Sebberdar.
„Die Macrgrét bezahlte die Maͤrk doch, nicht wahr?
„Die Frau ist zu arm, das wissen Sie ja!
's ist beigelegt, — weil nichts zum Pfänden da!“
Kinteln a. d. Weser. Helene Brehm.
Schnurrpfeiferecien.
„Banns dunnert, dann ferrt ich mich, dann bet ich!“
In eine Schule im Kreise Melsungen kommt Anno 190 der
efürchtete Kreisschulinspebtor. Nach einigen Stunden der Prũfung
ommt auch die Gesellschaft der bleinen Osterrekruten zum Unter
icht. Sie sollen Gebete hersagen. Da bommt die Keihe an einen
Jungen, welcher schweigsam bleibt um alles in der Welt. Nun,
nein Sohn“, sagt der Inspebtor, „betest du denn ũberhaupt nichte
Der Junge nickt. „Nun, wann betest du denn? — Kasch erkläet
»er Junge; „Banns dunnert, dann fserrt (fürchte) ich mich, dann
»et ichl“ And dieweil nun an dem Tag bein Gewitter kam, so
var auch der Junge nicht zum Beten zu bringen, obwohl 3wei
Hewaltige, der Lehrer und der Kreisschulinspektor, vor somanden
Xieje.
) Schulversãumnis.*) Weib.*) Michtstun. ) liebster. *) liegen. o) darum. 7) blieb's.
) Frau. 9) Mädchen. Tochter. 10) selten. 1) auch. 12) ßommt. 18) weint. 44) schreit.
) rõnnen. 16) schlagen. ) geqgen. 18) Träãnen. 18) abends. 20) bhald. 219 sieht.