Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Gräbern nebeneinander; zwei flache, schräg gestellte Steine schützen 
den Kopf; Asche der mit zum Teil wohlriechenden Pflanzen (3. B. 
Wacholder) abgebrannten Feuer wurde über und neben die Leichen 
gestreut, und bald deckte Gras die schlichten Gräber. Tausend 
Jahre zog der flache Bergpflug des Landmannes über sie hintoeg, 
bis Bonderaus Spaten sie jeht aufdeckte. 
4. Nun wurde die Festungsanlage gesucht. Ein von einer 
Hecke ũberwucherter Steinwall scheidet die östlich gelegenen Felder, 
die in der Flurbarte und im Volbsmund als „innerhalb— und 
„außerhalb der Kingmauer“ bezeichnet werden. Ein Querschnitt 
durch diesen Wall hatte einen überraschenden Erfolg: es wurde 
ein Stũück der gewaltigen Kingmauer offengelegt, welche die außer⸗ 
ordentliche Dicke von 4,20 Meter zeigt! Sie ist fränkischen 
Ursprungs und um etwa 500 nach Chr. errichtet. Die Außenseite 
bildet starkes Mauerwerk, der Zwischenraum ist nach römischer 
Bauweije mit steinfest gewordenem Kalbmörtel und Bruchsteinen 
ausgefüllt. Gleiche Anlage zeigt die anstoßende Südmauer. Dort, 
wo an dem von Fritzlar aufsteigenden Wege beide Mauern zusammen⸗ 
toßen, wurde eine starke, 9O Meter breite Tor⸗ und Turmanlage 
offengelegt, deren Anblick den Beschauer mit Erstaunen erfüllt. 
Die außerordentliche Stärle der Mauern, die 9 Meter breite 
Toranlage, Anlaufstellen für die Verteidiger lassen die militärische 
Bedeutung dieser fränkischen Festung erkennen, die als Gegenburg 
gegen die starbe sächsijche Eresburg (bei Obermarsberg) ein wich- 
iges Glied in der fränbischen Grenzsicherung bildete. 
Ebenso wurde ein Querschnitt durch die das Wäldchen an 
dem Westabhang durchziehenden Erdwälle gemacht. Die bis vier 
Meter hohen Wälle zeigen ähnlich den römischen Wällen an der 
ãußeren, dem Feinde zugebehrten Seite eine durch Pfostenstellung 
befestigte senkrechte Boschung und sind durch enthprechend tiefe 
Spitzgrãben voneinander getrennt. Beim Aberblick uͤber die bünst 
sichen Befestigungsanlagen, deren Üerwindung durch den Steil- 
abfall des Berges nach drei Seiten noch erschwert wurde, ver⸗ 
tehen wir es, daß im Jahre 114 die Sachsen längere Seit ver- 
geblich gegen das Büraberger Bollwerk anstürmten und zuleßzt 
anverrichteter Sache abziehen mußten. 
Staunend und sinnend stehen wir auf der historischen Berges- 
höhe: die freigelegten Mauern und Grüßfte sind uns Seugen 
heidnischer und christlicher, chattischer und fränkbischer Seitperioden 
pom 5. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sie reden zu uns von 
—XDV 
Hessenlande. 
Wir danken dem freundlichen Führer und Forscher und wũnschen 
einer Arbeit im nächsten Jahre gleich glückliche Erfolge. Noch 
einen langen Blick von der Höhe in die ringsum gelagerte weite 
hessische und waldeckische Umgebung, und dann scheiden wir von 
der ehrwürdigen Stätte, die zuerst eine chattijche Fliehburg, 
dann eine fränkische Grenzfestung war, und dann durch den heiligen 
Sonifatius der Ausgangspunkt des Christentums und damit aller 
Kultur in Hessen geworden ist. 
150 Jahre Friedrichshausen. 
VOon H. Võlber. 
Außer den franzoõsischen Kolonien Louisendorf und Wiesenfeld 
gibt es im Kreise Franbenberg eine deutsche Kolonie, das Dorf 
Friedrichshaujen, bei der Stadt Franbenberg gelegen, eine vor 
150 Jahren von der KRegierung gegrũndete Siedelung, die aus 
diejsem Anlaß am 15. Mand. J. ein im engeren Rahmen gehalte⸗ 
nes Heimatfest zu feiern gedenkt. Der Ort wurde im Jahre 1717 
fũür zehn 3. T. wohl der Stadt Franbenberg entstammenden „Kolo⸗ 
nisten“ auf der sog. breiten Heyde gegründet und unter Begabung 
der mit einem einzelnen Bauernhof beseßten, zwischen Franbenberg 
und Haubern gelegenen dienst- und zehntfreien städtischen „Frei- 
mark“ 1118 für 20 Familien erweitert. Bereits bei Gründung der 
französijschen Kolonie Louisendorf hatte das Dorf Geismar einen 
Teil der Franbenberger zehntfreien Mark erhalten. 283 Jahre (1725 
bdis 1748) währte darauf ein vor der Kegierung zu Marburg und 
aut Kommijsion vor dem Amtmann zu Franbkenberg verhandelter 
Aozeß der Stadt Frankenberg mit der Gemeinde Geismar über 
ie Pflicht Geismars, für jenen Teil der 8* Kontribution 
ind Lasten zu tragen (Marburger Staatsarchiv). 
Die drei ersten Jahre des Ortes nach seiner Gründung waren 
freijahre jür die Ansiedler, die von vornherein nicht auf Rosen 
jebettet waren, so daß ihnen auf Verfügung der Regierung in 
rZassel vom 3. August 1780 drei weitere Freijahre zugestanden 
»urden. Friedrichshausen wurde zunächst von Frankenberg aus 
aitverwaltet, und die „Hessische, zur General-Kebtifikbation des 
dandschafts⸗Steuerstocks verordnete Commission“ in Kassel forderte 
är neu aufgestellte Kataster die CopialGebühren „von Stadt 
ind Friedrichshaujen“. Im Jahre 1789 Lam nämlich die nochmalige 
Auflage an Bürgermeister und Kat in Frankenberg, „nach aber⸗ 
aals vollendeter Ernte dafür zu sorgen, daß solche Gebũühren binnen 
ier Wochen ohnfehlbar beigeteieben und eingesjandt werden.“ 
Nach dem Königlichen Dekbret vom 21. Obtober 1810 jollte im 
dönigreich Westfalen eine Personalsteuer erhoben und zur Bildung 
ines Tilgungefonds für die Amortijationsbasse, sowie zur Sahlung 
er rũckstãändigen Sinsen der Reichsschulden verwendet werden, 
ie auf 4 Millionen Franken Hauptsumme und 4000o Franken 
zulage für das Jahr 1808 bestimmt war. Volckmar, dem, Waire 
es Hauptortes“, lag es ob, die Verteilung der Steuer vorzunehmen. 
dieselbe betrug für die 13 Gemeinden des Kantons Frankenberg 
850 Franken, und zwar für Frankenberg 4041 Franken 9 Centimen 
ind sũr die „Kolonie“ Friedrichshausen 100 Franken 88 Centimen. 
Im Jahre 1811 reichten die Bewohner von Friedrichshausen 
in Fristungsgesuch wegen ihrer Rückstände zur Frankenberger 
*tadtlassje ein. Volckmar schilderte darauf ihre „mißlichen“ Ver⸗ 
ãltnijje, der rũckständige Betrag von über 118 Ktl. übeesteige 
hre pebuniären Kräfte, und er erinnerte an die früher gegenüber 
en Schuldnern geübte große Nachsicht, mit dem Vorschlag, daß 
ie die Kückstände binnen Jahresfrist in vier Sielen bezahlen sollten, 
as auch der Präfekt in Marburg genehmigte. Die rückständigen 
Zittsteller waren: Johs. Arnold, Johs. Wentzell, —* Schwoebel, 
Zonr. Neuschäfer, Ehristoph Pfuhl modo Seibert, Pet. Peil. Konr. 
Zaltzer, Foͤch. Steinbock, Heinr. Wagner jun. und sen., KReinhd., 
hil. und —8 VOollmer, Johs. und Dan. KRese, Jab. und Nib. 
Dagner, Christ. Hofmann, Joh. Schack. Tob. Koch, Johs. und 
deinr. Schwebel (Staatsarchiv Marburg). 
Dem 1811 in Friedrichshausen sich niederlassenden Peter Schäfer 
ius Rosenthal wollte das Stift Wetter wegen seiner Schulden das 
hut verbaufen. das jedoch nach Gerichtsurteil von Schäfer der 
ztadt als heimgefallen abgetreten wurde, bis es Herm. Görke 
on Frankenberg für 40 KRtl. auf Erbleihe ankaufte. 
Nachdem die Regicerung am 26. 8 1834 den Branntwein- 
chank zu Friedrichshausen genehmigt hatte, bestand hier von da 
ib eine „Schenb· und Herbergierungswirtschaft“, wofũr die Inhaber 
ine jährliche Abgabe an die Stadtkasse zahlten. bis am 31. 8. 
868 dieses Monopol aufgehoben wurde. 1844 und 1851 wurden 
zie Frankenberger Sehnten und Erbleihen abgelöst, und ein 
Zürgermeister (Jak. Neuschäfer, 1862) ũbernahm die Derwaltung 
es Ortes, der wohl 1848 dem Mahlzwang in der Frankenberger 
liedermũühle und mindestens von 1810 ab der Reinigung des 
ortigen Mühlgrabens enthoben wurde. 
Friedrichshausen hatte 1804 bereits 11 Wohnhäuser und 131 
kinwohner. Der Wassernot des Ortes, die sich besonders bei der 
nhaltenden Trockenheit der Jahre 1856 bis 58 bemerkbar machte, 
ourde 1902 durch die Anlage einer Wasserleitung Einhalt geboten. 
An der Hebung der deutschen wirtschaftlichen Verhältnisse nahm 
uch Friedrichshausen teil, und in den Weltbrieg schickte der Ort 
ine große Sahl seiner opferbereiten Söhne, deren einer für die 
zinem gefallenen Rittmeister geleisteten treuen Dienste im November 
914 mit einem Geschenkb von 300 Mark als Anerkbennung bedacht 
»urde. Den im Weltbriege Gefallenen aber haf die Gemeinde 
— lelerlicher Weise am 29. Mai 1021 enthũllten Gedenbkstein 
zewidmei. 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Schlachte Lohlgeschichten. 
Oon Adolf Häger. 
Niemals erzählt es sich schöner, als wenn an langen Winter- 
abenden die Hausgenossen und guten Freunde um des Lichts 
gesellge Flamme“ versammelt sind. Das Geschichtenerzählen stiebt 
nur leider immer mehr aus, seit Lesestoff die mündliche Darstellung 
erdrängt, und gar erst heute, im Seitalter des Radio, wo bezahlte 
Berufskräfte alle Unierhaltung allein besorgen. Ohne das Gute 
ieser Erfindung ableugnen zu wollen, sieht der mit dem ländlichen 
dolbstum Vertraute hier die Gefahr einer Oerödung kommen, wo 
rũher oft böstlicher Mutterwiß und blũühende Volkbsphantasie ein 
veites Betãtigungsfeld hatten. 
Doch heute gibt es noch Pflegestätten ursprünglicher Volbs⸗ 
rzählung. Das sind vielerorts noch die winterlichen Spinnstuben und 
icht minder die ausgedehnten Schlachtebohle. Frellich, ein bißchen 
erbe geht's dabei zu, aber selten so zotig — wie in den Kabaretts 
er sogenannten guten Gesellschaft.
	        
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