Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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Heimat⸗·Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Nr. 6/ 1927 
Erscheinungsweise Nmal monatlich. Bezugspreis 1,20 RM. im Vierteljahr. Frühere 
Jahrgänge können, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-ODerlag nachbezogen werden 
. Jahrganq 
Die weissagenden Kinder und der siamesische Swilling 
Von Theodor Apel'). 
In den Abten (Ortsrepositur Treysa im Marburger 
Staatsarchiv) lautet der Titel dieser Geschichte allerdings 
anders. Das Konbvolut trägt die Aufschrift Portenta (d. h. 
Wunder), darunter steht von späterer Hand geschrieben: „Des 
Pfarrers Magairus Bericht über wunderbare Gesichte und 
Mißgeburten“. Magairus, oder, wie er meist genannt wird, 
Magirus ist zweimal Pfarrer in Treysa gewesen. Sein 
ursprünglicher Familienname war ein gut deutscher, Koch; 
aber nach damals allgemeiner Gelehrtensitte, seinen Namen 
zu gräzisieren oder latinisieren, hatte man auch dem braven 
Koch einen fremdländischen Mantel umgelegt, und man begnügte 
sich nicht mit dem lateinijschen Namen Coccejus, der einen 
gewöhnlichen Koch bezeichnet, sondern wählte den griechijschen 
Magairus, was eigentlich, Fürstenkoch“‘“ heißt. Ober-Hessen 
stand damals unter darmstädtischer Kegierung (Pfandschaft). 
Wie Landgraf Morizt seinerzeit jsein Land mit Gewalt reformiert 
machen wollte und die lutherischen Pfarrer absetzte, so vertrieb 
der Hessen⸗Darmstädter Landgraf jetzt die reformierten Pfarrer, 
unter ihnen im Jahre 1624 auch den Pfarrer Magirus aus 
Fronhausen. Nachdem er einige Jahre als stellenlojer Pfarrer 
dürftig sein Leben gefristet, bewarb er sich 1627 um die 
zweite Pfarrstelle seiner Oaterstadt Treysa und wurde dort 
vom Stadtmagistrat als Patron gewählt, aber schon nach 
Lurzer Seit von der Kegierung zu Marburg abgejetzt und 
ausgewiesen. Als aber inzwischen Treysa wieder unter die 
Botmäßigkeit der reformierten Landgrafen von Hessen-Kassel 
gekommen war, bewarb sich Magirus 1629 zum zweiten Mal 
um das Treysaer Diakonak und wurde dazu vom Stadtrat 
zjewählt und vom Landgrafen bestätigt. Aber nur burze 
Zeit durfte er sich der wiedergewonnenen Heimat freuen. 
Schon am 22. April 16031 wurde er, noch nicht 49 jährig, 
n eine bessere Heimat abberufen. Sein Grabdenkmal steht 
och in der Treysaer Totenkirche (vgl. O. Hütteroth. Kurhess. 
DAfarrergeschichte J, 61 ff.). 
Sein Name blingt ein wenig an an die Magier, die 
jeheimnispvollen Sauberer und Wunderfäter des Altertums. 
Und zum Geheimnisvollen scheint auch sein Sinn geneigt zu 
yaben. Wenigstens deutet darauf der Inhalt seines Berichts 
in den Siegenhainer Hauptmann, seinen günstigen Junker, 
er vermutlich aus dem Jahre 1630 stammt. Es heißt da 
iach den Eingangsfloskbeln: 
„Das Meidlein ist bei uns im Dienst bei frommen 
Eheleuten, ist diesen Sommer von Kotenburg durch sein 
Schwoester, welches auch allhier im Dienst ist, hergebracht, sein 
Dater joll Hans Franck heißen, ein Weißbender, ist ungefähr 
m 15. Jahr seines Alters, und geben ihm die Nachbarn 
illhier das Seugnis der Stillheit, Frommheit, Wahrheit 
ind sonderlichs Fleiß in der Arbeit. 
Dies Meydlein ist den 19. Junii hoc anno im Garten 
den Flachs zu jäten gewesen; da es nun den Abend um 
zAhr da gestanden — berichtet, die Uhr auf dem WMarkt 
abe schon geschlagen, die Uhr aber im Spital noch nicht, 
daß es wohl nicht hat geschlafen —, hat 's ein Stimm 
jehört, aber noch niemands gesehen, die hat gelautet „Gott 
helf dir, Tochter“; da es nun gedanket, nichts desto weniger 
einer Arbeit gewartet, wie die Nachbarn der umliegenden 
Härten berichten, sie jei fleißig im Garten, da hab die 
Stimm ferner gesagt: „Tochter, du mußt mir ein Ernte 
*) Aus dem in Vorbereitung befindlichen Buch: „Der zerbrochene Galgen und 
andere Kultur-Kuriosa aus dem Hessenlande“. Verlaga: A Seernecker, Meilsungen.
	        
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