Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Auf der Heimatwarte. 
Justizrat Wenning 7. 
In Kassel erlag am 13. Februar der in Wanderbreijen all- 
hebannte und beliebte Justizrat Wenning im 85. Jahre seines Lebens 
einem Herzschlag. Seit 25 Jahren diente er dem Hespischen 
Hebiegsberein in jelbstlosester Weise, zuletzt als J. Vorsitzender. 
Seiner Tatkraft ist die Voilendung des neuen Wirtschaftsgebäudes 
auf dem Hohen Gras zu dankben (1926), dessen Turm das Bronze⸗ 
relief des schlichten Mannes trägt. NAuch auf dem Gebiet des 
Jugendwanderns und Jugendherbergwesens wirkte er mit voller 
hingabe. Wilhelm Ide widmete dem so frũüh und jäh Dahin⸗ 
gjeschiedenen einen warm empfundenen poetischen Nachruf. 
Carl Friedrich Wiegand. . 
In Särich vollendete vor kurzem der Dichter Carl Friedrich 
Viegand sein 60. Lebensjahr. Er ist am 29. Januar 1811 in 
Fulda geboren und bebleidet als Professor und Or. phil. ein Lehr⸗ 
imt in Sürich. Seine „Niederländischen Balladen“ und wirbungs- 
bolle dramatische Dichtungen haben jeinen Namen ehrenvoll be— 
kannt gemacht. Pestalozzifeiern. 
Am 171. Februar, dem 100. Todesstag von Johann Heinrich 
Pestalozzi, fanden in Stadt und Land würdige, von der Lehrer— 
chaft und ihren Vereinen getragene Gedenkfeiern statt, die der 
Mitwelt Leben und Lebenswerk des großen Erziehers zur Mensch- 
lichkeit wieder ins Gedächtnis rufen sollten. 
Sei der großen Pestalozzijeier in der Kasseler Stadthalle 
hielt der in Ottrau (Kreis Siegenhain) geborene deutsche Dichter 
Wilhelm Schäfer, der in seinem Buche „Lebensabend eines 
Menschenfreundes“ das schönste Pestalozzi⸗Denkmal geschaffen hat, 
den Festvortrag. Der Dichter sprach über das reine Menschen⸗ 
tum in Postalozzi, der ganz Mensch war und sein wollte, um 
Erzieher, Dichter, Denker, Christ und Bürger sein zu Lbönnen. 
Der Kreiolehrerverein Homberg schloß seine Pestalozzifeier 
nit der Aufführung der dramatijchen Idylle „Pestalozzis Liebe“ 
»on Karl Engelhard. Die Darstellung lag hoch über allen in 
Homberg bisher gebotenen Theater- und Festspielaufführungen und 
übertraf die höchsten Erwartungen. Rollenbesetzung und Su— 
jammenspiel waren ausgezeichnet und lösten weihevolle Stille aus, 
die sich zum Schluß in lautem Dank bebundete. Die fein gespielten, 
rührenden Kinderszenen fügten sich dem RKahmen bestens ein. Auf- 
allen derweise nahm außer der Lehrerschaft von Stadt und 
Kreis Homberg fast niemand Notiz von der Aufführung dieser 
an die ewigen Grundfragen des Menschenlebens rührenden Dichtung 
des Hesjenjohnes Karl Engelhard, dessen greiser DVater, Kantor 
Engelhard in Wardorf, der Aufführung beiwohnte und den Dar— 
stellern mit herzlichen Worten danbte. 
Auch in Melsungen bildete die Aufführung von „Pestalozzis 
Liebe“ den Abschluß einer erhebenden, von Musik, Gesang und 
Festvortrag ausgefũllten Feier. Die Darsteller lösten ihre Aufgabe 
mit einer Hingabe, die vollste Anerbennung fand. Das eindrucks- 
⸗olle Spiel mußte wiederholt werden. 
Im Volksbildungsheim zu Frankbfurt a. M. wurde das gleiche 
Spiel unter Leitung von Ludwig Rössinger mit gutem Erfolg auf- 
zeführt und jür Schüler wiederholt. Die Frankfurter Seitung widmet 
Spiel und Dichter Worte voll hoher Anerkennung. 
Weitere Aufführungen fanden in Marburg, wo Karl Engel-⸗ 
hdard jein frũühes Grab fand, und in zahlreichen Städten außerhalb 
Hesjens, so in Uslar, Ortelsburg u. a. O., statt. 
Entstehung des Nibelungenliedes. 
Die Frage nach dem Dichter des Nibelungenliedes hat der 
Archipdirektor Jul. K. Dieterich in Darmstadt in seiner Ver— 
offentlichung „Der Dichter des Nibelungenliedes“ zu beantworten 
jejucht. Er Lommt zu dem Ergebnis, daß Sigehart von Lorsch der 
Besuchte sei. Der im September v. J. verstorbene Germanist 
Koethe hat diese Hypothese einer Kritik unterzogen, deren Ergebnis 
eßt in den Göttingenschen Gelehrten Anzeigen gedruckt vorliegt. 
Die Ansicht, daß das Nibelungenlied um 1150 in Rheinfrankben 
Jedichtet jei, ist nach Koethes Ansicht nicht haltbar. Der Dichter 
des Nibelungenliedes sei weder ein lateinisch noch höfisch gebildeter 
Spielmann gewesen. 
VDom Kasseler Büchereiwesen. 
Im vorigen Jahre wurden der Landesbibliotheb beĩ einem 
Bestand von 809 o00 Bänden 13543 Bände von 8868 Benutzern 
ntliehen; die Sahl der Besucher des Lesesaals betrug 18408. 
Die Murhardbibliothek mit 198 342 Bänden gab im gleichen Seit⸗ 
raum 34 265 Bände an 14950 Entleiher aus; der Lesesaal wurde 
hon 16161 Personen besucht. Beide Büchereien dienen der wissen⸗ 
chaftlichen Arbeit. Die städtischen OVolbsbũchereĩen, die größtenteils 
Unterhaltungsliteratur führen, gaben bei einem Bestand von 
4161 Bänden 16226 Sände mit burzer Ausleihefrist an 25069 
dejer auas. Kunstausstellung in Kassel. 
Aus Anlaß ihres 150 jährigen Bestehens plant die Kasseler 
Kunstabademie in diesem Jahre gemeinsam mit der Seichenschule 
n Hanau eine große Kunstausstellung im Orangerieschloß zu Kassel. 
zie soll einen Überblick über das Schaffen der Känstler geben, die 
eit 1111740n der Abademie gewirkt haben. Besondere Abteilungen 
ollen die Arbeiten der freien Kũnstler Kurhessens sowie die heutige 
Zunst Deutschlands zur Schau stellen. Im Stadtpavillon des 
Orangerieschlosses werden hessische Architekturen und künstlerijcho 
Möbel zur Ausstellung gelangen. 
Maturschutz. 
In der Kasseler Post fordert KRegierungsrat Hempel im Hin— 
lick auf die Sukbunft der Stadt Kassel eine Schußzorganijsation für 
»en Habichtswald, der an seinen reizvollsten Punbten in seiner 
Figenart bedroht jei. Der unverantwortliche Abbau der Basalt- 
lippen im Ahnatal, des Bühls bei Weimar und des Hangarsteins 
ei Fürstenwald durch Steinbruchunternehmen sei nie wieder gut 
iu machen. Der Raubbau an jsolchen Klippen lohne auch gar 
nicht, da das Gestein meist minderwertig und für einen längeren 
Betrieb nicht massiv genug sei, besser und reichlicher Lönne man 
s geeigneten Stellen der gröperen Hänge des Gebirges entnehmen. 
kin Vergleich mit Thüringen und dem Harz zeige, daß die Ser— 
törung naturschöner Klippengebilde, wie im Habichtswald, ein 
fluch jei. Naturschußfreunde sehen zur Seit den Hahn bei Holz- 
außsen bedroht, des weiteren auch den Hohlenstein und den 
Zatenstein am Dörnberg und die Helfensteine. 
Die Knüullherberge. 
Opferwillige Hände haben trotz der Not unserer Seit das 
haus am Wildsberg errichten helfen. Was sie geleistet, ergibt sich 
ius folgender Übersicht: 
A) Geschäftsankeile zu 55 RM. zeichneten die Sweig- 
ereine: Kassel 29, Eijenach 830, Frielendorf 105, Herzberg 20, 
dersfeld 556. Homberg 101, Neubirchen 80, Niederaula 73, Ober⸗ 
iula ĩ8, Treysa 318, Wallenstein 18, Siegenhain 184, Auswärtige 
28, zusammen 1803 Anteile — 9015 RM. Juristijche Personen 
49 Anteile — 3245 RM. Dazu kbommt das vom KCV. ũberlassene 
Zaugrundstück im Wert von 1000 RM. 
B) Spenden: 2000 RM. 
0) Suschũssje von Behörden und Städten: 0430 RM. 
Aber noch ist das Werb nicht vollendet. Die Kosten für den 
mzulegenden Brunnen und die Innenausstattung des Haujses sind 
ioch aufzubringen. Dazu kbommen für den Vorstand die Sorgen 
im Verzinjsung und Abtrag von 5000 RM. Bauschulden. An—- 
jesichts dieser Tatjachen muß helfen, wer helfen kbann. Ein Anteil 
der mehrere, die in Raten an L. Pfeiffer in Hersfeld (Postjcheck- 
onto 4034 Frankfurt a. M.) gezahlt werden bönnen, sichern jedem 
ztimmrecht in der Genossenschaft und Mitbenutzungsrechte am 
)ause zu. Das Geld ist sicher angelegt und kann gekündigt werden. 
heimatfreunde, helft das Haus der Höhe vollenden! 
Kleĩine Chronib. 
Von der aus der Schweiz eingewanderten und durch fast 2 
Jahrhunderte in Kassel anjässigen Baumeisterfamilie Wolff 
baren im Landesmuseum Baupläne, Seichnungen, Sbizzen und 
Denkmalsentwürfe ausgestellt. In einem wissenschaftlichen Vor⸗ 
ragsabend des Hessischen Geschichtsvereins gab Dr. Hallo eine 
kinführung in das Leben und Schaffen dieser hochbegabten Familie, 
ie in vier Generationen bedeutende Baumeister, Bildhauer, 
Helehrte und Schriftsteller hervorbrachte. — 
Der seit 20 Jahren in Kassel eingemeindete Vorort Betten⸗- 
»ausen kbann auf eine achthundertjährige Geschichte zurückblicken 
ind trifft Vorbereitungen zu einer entjprechenden Feier. Ber Ort wird 
126 zum erstenmal erwähnt in einer Urbunde, die dem Stift Ober- 
laufungen die Erhebung eines Sehnten in Bettenhausen zuspricht. — 
Die Bũrger von Eschwege wollen den Dietemann“, der 
u den geschichtlichen Merbwürdigkeiten der Stadt gehört und den 
kEschwegern ihren Necknamen gab, wieder auf den Schloßturm 
tellen. In der Mute des 17. Jahrhunderts wurde er von dem 
dandgrafen Friedrich angebracht, ging aber später spurlos verloren. 
der neue Dietemann soll aus Kupfer bestehen und stündlich, mit 
daterne und Tutehorn bewaffnet, aus dem Turm hervortreten, 
im die Stundenzxahl zu blafen. — 
Acn ruck nur nach Abereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. 
erausgeber: Konrad Bernecker. Druck und VOerlag: A. Bernecker, Melsungen.
	        
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