Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Aus der Kirche zu Großropperhausen. 
In der Kirche zu Großropperhausen im Kreise Siegenhain 
soll es in alter Seit nicht ganz geheuer gewesen sjein. In der 
damaligen Seit — es war vor J00 und etlichen Jahren — wurden 
die zukũnftigen Lehrer erst bei den alten Dorfbantoren vorgebildet 
ehe sie das Seminar besuchten. Sie lernten dabei auch das Oegel⸗ 
jpiel und ũbten dies auf der Kirchenorgel. Die bleinen Madchen 
und Jungen der in der Nahe der Kirche wohnenden Sauern liefen 
dann oft in die Kirche, um dem Spielen zuzuhören. Als so ein 
Trũppchen eines Tages die Treppe hinaufkommt, sehen die Kinder 
auf der Orgelbank ein Knäblein mit wundervollem, lang wallendem 
Haar, bunten Strümpfchen und wunderbar gedrehten Bemen sitzen, 
das schnell aufspringt und hinter der Orge wo die Treppe nach 
dem dunklen Kirchboden führt, verschwindet. Der Ortspfarrer 
hielt auch die Konfiermandenstunde in der Kirche ab. Als der 
Unterricht kaum begonnen hat, sehen die Kinder und der Geoistliche, 
wie auf der gegenũberliegenden Empore ein bleiner Knabe mit 
lang wallendem Haar — vhne daß man Fußtritte hört — hinweg- 
läuft und hinter der Orgel verschwindet. Der Unterricht würde 
jofort durch Gebet geschlossen und die Kirche verlassen. Von dem 
Tage ab fand der Konfirmandenunterricht nie wieder im Gottes— 
hauje stati. 
So hat es meine Mutter ihrer Großmutter, die das Er— 
lebnis als Kind mitgemacht hat. nacherzählt. An Tolten liegt 
in der Kirche niemand begraben als der Erbauer derselben, Hans 
Ludwig von Baumbach, der um 1800 bei Fackelschein vor dem 
Altar beigesetzt wurde. — Die eigentliche Erbbegräbnisstätte 
des adligen Geschlechts von Baumdach ist die alte Kapelle auf dem 
dortigen, Friedhofe, die ein Kest der frũheren alten Kirche ist. Als 
man diese Kapelle vor Jahren etwas ausbesjerte, um bei jchlechter 
Witterung die Begräbnisfeierlichkeiten darin abzuhalten, hat man 
die schön erhaltenen, bũnsilerijchen Grabsteine an die Seite gestellt. 
Das alte Rittergut ist in alter Seit — vermutlich durch Feuer — 
pernichtet worden. Als nun die Herren von Baumbach auf der 
entgegengesetzten Seite des Ohetales einen Herrenhof anlegten, 
wollten sie auch gern die Oetslirche in die Naͤhe haben, weshalb 
zwischen ihnen und der Gemeinde ein Streit entstanden ist, worauf 
die ũüber dem Haupteingang eingemeißelte Inschrift hinweist, welche 
heißt: » Tandem bona causa triumphat.« (Endlich siegte die gute 
Sache.) Die Kirche wurde von 1728 bis 1132 erbaut. Liese. 
s batfft nautf.“ 
In Franbenberg und Umgegend bommt das Wort „badden“ als 
Seitwort in den beiden Redensarten „'s badd naut“ und „'s bann 
naut badden“ vor. Dieses Wort batten kommt noch vor im Bergischen, 
im Sauerland. an der Sieg und im Eddergebiet. Es sindet sich auch 
im Niederdeutschen, 5. B. in Schleswig-Holstein und an der Weser 
als „baten, Bate“. Es heißt ursprünglich hellen, dann helfen. In 
der Franbenberger Gegend hat man auch das Wort „Bähn“ da⸗- 
bon abgeleitet, worunter man das Baden eines kranben Gliedes 
in Seifenwasser oder Kamillenabguß versteht. Im Heliand (9. Jahr⸗ 
hundert) heißt es „betean“ heilen, böta, Heilung). BSei Thoeodor 
Storm „Sur Chronik von Grieshus“ heißt es in Band IYV, S. 14 
der Ausgabe von Hertel „Wird bald baten“ — heilen. Bei 
Heinrich Sohnrey „Die hinter den Bergen“ heißt es Seite 99 
„And die Kinder, die einem schon Bate (S Hilse) leisten können?“. 
Das Wort naut (Mautnutz — Nichtsnutz, unnußer, fauler Mensch) 
kommt übrigens auf der Schwalm wie in der Frankenberger Ge⸗ 
gend vor, wird aber auf den an die Schwalm angrenzenden Dörfern 
nicht gebraucht. C. Liese. 
Neks*). 
Er war ein paar Jährchen „hinter Grebe Elsjewith (Elisabeth) 
hergegangen“ (haͤtte Liebjchaft mit ihr gehabt); als da ein Fiß⸗ 
jaden (von dem die Gebinde beim Haspeln auseinander gehaiten 
werden) platzte, blies er seine Feder nach Schwalmehausen. Dort 
liegt weit und breit Kurte Hof. Und den Hof und das Gut bebam 
einmal Annemath (Anna Martha), die älteste von Kurte beiden 
Töchtern. Bei der versuchte nun Nébs jeln Heil. Wenigstens 
einmal jede Woche „war er ihr vor dem Kammerfenster*“. Das 
„Krämchen“ gedieh auch bereits so weit, daß sich Nebs abends ins 
Haus schleichen durfte. Das galt jo in Schwalmehausen als offenes 
Geheimnis. Die Burschen nahmen sich vor, aufzupassen und, wenn 
mõglich, den „fremden Kerl zu fangen. Aber niemals wollte das 
glũcken, ihre Wachsambeit schien vergeblich zu sein. Heute abend 
nun hatte es endlich „geschnappt“. Nells Hanns (Johannes) sah den 
*Mibosous 
Neéls in Kurte Haus gehen; von dem wußten's bald alle Burschen 
n Schwalmehausen. Sie rückten gegen 10 Uhr abends samt und 
onders in Kurte Hof und unterhaͤndelten da mit den belden 
Mädchen, sie möchten Nèbs herausgeben. Sie bonnten dies Ver⸗ 
angen um so eher stellen, als die Kurte Mutter als Witfrau da⸗ 
and. Einen Mann brauchten sie demnach nicht zu fürchten, und die 
eiden Knechte besanden sich in ihren Keihen. Kurte Annemath 
ind Annleis (Anna Elisabeth) leugneien zwar Stein und Bein, 
ber sie fanden beinen Glauben. Die Surschen lachten sie aus und 
agten: „Dann müssen wir ihn 'mal suchen.“ Das geschah. In einer 
er oberen Stuben stand ein verschlossener Kleiderschranb, und in 
em Rleiderschrank brejtete (ãchzte) es ganz verdächtig. „Auf- 
chließen!“ Kaum aber öffneten sich die Türen, broch Neèbs, halb 
»hnmächtig, heraus. Es war die hoöchste Zeit gewesen, sonst wäre 
r erstickt. Großer Lärm empfing ihn. Er wauͤrde ins Wirtshaus 
ibgeführt und machte gute Miene zum bösen Spiel. „Heirich, 
reing ein Faß Bier und eine Boddäil (Bodeille, Flasche) Brannt⸗ 
vein“, bestellte er bein Wirt. Das wurde gebracht und ausge⸗ 
runben. Die Erzählung schweigt sich darũüber aus, wiebielemal 
eme Wiederholung eintreten muste, aber so viel steht fest, Néeks 
»atte nicht wenig zu blechen: der Burschen in Schwalmehausen 
varen ein ganzer Haufen, und sie konnten was leisten. Von 
nanchem wird sogar berichtet, daß er des Guten reichlich zu viel 
letan habe. Nébs mußte zu seinem Schaden in den nächsten 
Wochen dann auch noch den Spott der Leute tragen. In Schwalme⸗ 
ausen hat er sich nach diesem bitteren Erlebnis niemais wieder 
blicken“ lassen. Schw. 
VDolksmärchen. 
Von Joh. H. Schwalm. 
„Es war einmal eine Frau, die hatte ein Ferbel. Die Frau 
pollte auf den Markt, und das Ferbel wollle auch mitgehen. 
Ddas aber wollte die Frau nicht haben. Sie ging zum Hund 
ind sagte: „Hunbel, wéeͤtode net s Forkel beiße? Forbel weü 
et hem geh, ich wéll ofs Mat.“ (Hund, willjit du nicht das 
ferkel beißen. Ferbel will nicht heim gehen, ich will auf den 
Markbt.) Der Hund sagte: „Ne (Nein).“ Darauj ging die Frau 
um Gärtchen und sagte: „Gättche, wetꝰde net de Hankel schmeiße? 
Hunbel woll nét 's Forbel beiße, Forbel well net hem geh, ich 
véèll ofs Mat.“ (Gärtchen, willst du nicht den Hund schmeißen? 
hund will nicht das Ferkel beißen, Ferbel will nicht heim gehen, 
ch will auf den Markt.) Das Gärtchen sagte: „Ne (Nein). Da— 
»auf war die Frau zum Feuer gekommen und hatte gesagt: „Fierche, 
vetode nets Gãttche bränn? Gattche wéll net de BSandeil jchmeiße, 
dunbel weéll nét s Fsebel beiße, Foebel weell net hem geh, ich 
vell ofs Mat.“ (Feuerchen, wilist du nicht das Gärtchen brennen? 
härtchen will nicht den Hund schmeißen, Hund will nicht das 
ferbel beißen, Ferbel will nicht heim gehen, ich will auf den 
Markt.) Das Feuer sagte: „Ne“ (Mein) Darauf ging die Frau 
um Wasser und sagte: „Wasser, weètode net d's Fierche lesche? 
fierche wéell néet 's Gättche bränn, Gättche wéll net de Hunbel 
chmeiße, Hunkel well nets Forkel beiße, s Foͤrbel well net hem 
eh, ich weèll ofs Mat.“ (Wasser, willst du nicht das Feuer löschen? 
feuer will nicht das Gärtchen brennen, Gärtchen will nicht den 
dund schmeißen, Hund will nicht das Ferbel beißen, das Ferbel will 
icht heim gehen, ich will auf den Markt.) Das Wasser sagte: 
Ne“ (Mein). VDarauf ging die Frau zum SBrãllochsen (Fajel⸗ 
schsen) und jagte: „Brellös, wetode net d's Wasser sökse? Wasser 
vell net 's Flerche lesche, 's Fierche well net Gättche bränn, 
s Gättche wéll net de Hunkbel jchmeiße, de Hankbel well net Foͤrbel 
eiße, 's Forbel well néet hem geh, ich wéil ofs Mat.“ (Brũllochs, 
villst du nicht das Wasser saufen? Wajsser will nicht das Feuer 
öschen, das Feuer will nicht das Gärtchen breunen. das Gãrtchen 
vill nicht den Hund schmeißen, der Hund will nicht das Ferkel 
eißen, das Ferktzel wili nicht heim gehen, ich will auf den Marbt.) 
Der Brüllochs sagte: „Ne“ (Nein). Da ging die Frau zum Metzger 
ind fragte: Matzger, wétode nét de Greilos schlachte? Srelssos 
vèell net s Wasser sökfe, Wasser wéll net 's Fierche lesche, Fierche 
véèll net 'ss Gättche bränn, Gättche well net de Hunbel schmeiße, 
hüunbel well net d's Forbel beiße, Forbel well net hem geh, on 
ch well ofs Mat.“ (Metzger, willst du nicht den Brũllochsen 
chlachten? BSrũllochs will nicht das Wasser saufen,« Wasser will 
ucht das Feuer löschen, Feuer will nicht das Gärtchen brennen, 
ßärtchen will nicht den Hund schmeißen, Hund will nicht das 
Ferkel beißen, Ferbel will nicht heim gehen, und ich will auf den 
Marbt.) Der Megßger antwortei: Ja (9Ja). 
Alobald hat der Metzger den Brüllochsen geschlachtet: Die 
yrau bonnte auf den Markt gehen, und das Ferke mußte zu Hause 
leiben. Inhalt mitqeteilt von Johannes Jüngel. Oberqrenzebach. 
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