Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

im vorigen Jahr unternommen hat. Die Bedeutung dieses 
Unternehmens ist negativ und positiv zu bestimmen. Negativ 
injofern, als hier zum ersten Male mit unerbittlicher Konse— 
Juenz jener Kitsch ausgeschlossen wurde, der, als Heimatkunst 
ich geberdend, Jahre lang die heimatlichen Kunstausstellungen 
herseucht und manchen ernsten Künstler der Heimat genötigt 
hatte, sich von solchen allerdings durchaus nicht repräsentativen 
Ausstellungen fernzuhalten. Positiv lag die Bedeutung des 
Unternehmens darin, daß es dem Kunstverein gelungen war, 
die verschiedenen Gruppen des heimatlichen Kunstschaffens, 
das diesen Namen ernstlich verdient, unter einen Hut zu 
hringen, dergestalt, daß die „Malergruppe 1923* diesmal 
auf eine eigene Ausstellung verzichtete und sich mit den 
äbrigen freien Künstlern und mit der Abademie zu gemein- 
samer Kepräjsentation zusammentat. Gewiß: in dieser Aus— 
tellung war nur ein Teil der hessischen Waler verktreten; 
nancher bedeutende Künstler wurde vermißt. Der Gesamt- 
zindeuck war aber doch der, daß allenthalben wieder ernstlich 
gearbeitet wird, daß die Seit der fanatischen Gegensätze 
atjächlich vorüber und ein ehrliches, von Lehrmeinungen 
unbeeinträchtigtes Kingen um Gestaltung wieder möglich ist, 
daß auch niemand mehr sich zu scheuen braucht, als ‚unmodern“ 
etwa verlacht zu werden. Andererseits aber ging der allgemeine 
Eindruck dahin, daß es hierzulande nicht nur (wie überall) eine 
große Schar von Dilettanten und sonstigen Kunstbeflissenen 
gibt, die den Kredit des Gedanbens der Heimatkunst nur 
untergraben können, sondern auch eine beträchtliche Sahl 
inzweifelhaft schöpferischer und durchgeistigter Künstler, deren 
Schaffen durchaus geeignet ist, den Gedanken der Ver— 
vurzelung der Kunst im Heimatboden werkhaft und wirksam 
zu bezeugen, einer DVerwurzelung, die beineswegs stofflich 
gebunden zu sein braucht. Denn das Heimatliche, das im 
Künstler formend sich auslebt, ist in anderen Dimensionen 
zuhause als in der Wahl des Gegenstandes. Die dieser Be— 
trachtung beigegebenen Bildpyroben von Werken jüngerer 
Künstler, photographiert von C. Achenbach in Kassel, mögen 
in Stelle trockener Namenaufzählung des Gesagte illustrieren. 
Wenn also von der heutigen Malerei in Hessen geredet 
vird, ist ein bedauerndes Achselzucken oder zweifelndes 
5tienrunzeln nicht mehr am Platze. Es geht auch hier bergauf, 
vie, so steht zu hoffen, überall in Deutschland. Und wenn 
H. Dersch: Schwarzwaldlandschaft. Phot. C. Achenbach, Kahsel. 
s auch in wirtschaftlicher Beziehung manchem ktüchtigen 
Zünstler nicht nach Wunsch gehen mag — das ist eine Seit- 
rjcheinung, die auch außerhalb Hessens deutlich genug 
mpfunden wird. Allmählich wird es auch hier besser werden. 
UInd nur der hat wirklich was zu geben, der sich nicht unter- 
riegen läßt. Die hessische Malerei aber wird der deutschen 
Kunst noch manches zu geben haben, daran ist Lein Zweifel 
März õ0 DVon Helene Brehm. 
Es steigt aus braunen Schollen Der Lerche grau Gefieder Der Landmann ist beim Schaffen. 
Ein herber RKuch empor. Schwebt aus der Furchen Tau, Fest packt die Schwielenhand 
Es ist zum Licht entquollen Aus dũrrem Gras lugt wieder Der Arbeit blank Gewaffen. 
Die Saat aus dunkelm Tor. Mãrzveilchens tiefes Blau. Die Pflugschar bricht das Land. 
Die Mäadchen spielen KReijfen, Nun raschelt von den Sweigen 
Hoch fliegt der bunte Ball, Das letzte Winterlaub. 
Die Knaben schnitzen Pfeifen, — Der Wind jagt auf den Steigen 
Und Kreisel berall. HSoldwerften Märzenstaub. 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Spinnstuben-Erinnerungen. 
Von J. Freund. 
Wenn irgendwo früher auch auf dem einfachen Dorfe der 
eßt mit Kecht so sehr betonte Heimatgedanke eine trauliche Pflege⸗ 
tätte fand — noch unbewußt —, so war es gewiß in der Spinn- 
tube. Dort wurden Familien-Ereignisse besprochen, gewertet und 
ie Erzählungen der Alten getreulich wiedergegeben. Am liebsten 
vurden Sagen und Märchen erzählt, die sich an bestimmte Plätze 
des Heimatortes, dessen nähere oder weitere Umgebung oder an 
hestimmte Ereignisse früherer Tage anschlossen. — Gerade das 
F ⸗ was ein festes Band um den kraulichen Spinnstubenzirbel 
oß. 
AIch haͤtte in meinem großen Heimatdorf (am nördlichen Ab- 
»ang des Knällkopfes) eine besondere Freude und ein großes 
Interesse an diejsen Unterhaltungen. Meine Mutter willfahrte gern 
neiner Bitte und ließ mich zuhören, wenn auch bei anderen Gelegen⸗ 
eiten, namentlich beim „Bejuch“ der Burschen, „die GEzffentlichbeit 
ausgeschlossen“ werden mußte. Und nicht wenig haben diese Spinn- 
tuben · Erzãählungen aus dem Munde einfacher Dorfmädchen es 
ertig gebracht, mich in meiner Heimat „bodenständig“ zu machen, 
venn ich auch vom 14. Jahre ab fern von ihr leben muß. 
Wenn ich draußen in der Fremde mit meinem Freunde — den 
eist- und börperbeengenden Klostermauern an den Wellen der 
Zinzig entflohen — durch das Frühlingsrauschen der erhabenen 
zpessartwãlder schritt, die sich ũüber abgrundtiefen Basaltsteinbrũchen 
- hõhenluftatmend — graue Märlein zuraunten und das ewige 
died der Auferstehung sangen, oder wenn wir im bleichenden 
)ochsommer die verdorrfen Hänge der Vorderrhön erbkletterten, 
der wenn unser Fuß im Herbstgold sich durch das Brombeer— 
jJerank des Vogelsberges mühsam Bahn brach, dann tauchten 
ie Bilder der Heimatberge und wälder auf mit ihrem Sauber 
ind weckten Sehnsucht und — Heimweh. 
Hanskurts Annelore war Meisterin der Erzählungsbkunst. 
Ihre Art und den reichen Schaß ihres Wissens verdankte sie ihrer 
ßroßmutter, der alten Hanna, die einst als blondgelocktes 
adel den birchenmausarmen Schulmeister des Nachbarortes ihr 
awort gab.
	        
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