Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

die notwendigen Wege zur inneren und äußeren Ertüchtigung 
zu weisen; die Kasseler Kunstgewerbeschule, deren vor— 
züglichste Aufgabe darin besteht, das Handwerk wieder mit 
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das Gesicht des Alltags auf diese Weise zu verschönen, und 
schließlich die SeichenAkademie zu Hanau, die an ihrem 
gewiß nicht geringen Teil zur Lünstlerijchen Erziehung der 
hodenständigen Jugend beiträgt. 
In einem verhältnismäßig kleinen Kulturbezirk, der so viel 
künstlerische Anstalten und Einrichtungen besitzt, bann, wie 
gesagt, die bildende Kunst keine Nebenrolle spielen. Und so 
ist es denn auch an dem, daß, um ein vulgäres Wort zu 
gebrauchen, in Hessen viel gemalt wird. Nun muß dieses Wort 
freilich etwas eingeschränkt werden, und zwar in dem Sinne, 
daß nicht etwa, wie zu erwarten wäre, ein gewisser Lompakter 
Zusammenhang innerhalb der hessischen Malerei besteht. Jene 
pezisisch hessische Neigung zur Eigenbrötelei, zur Absonderung, 
die sich oft genug auf politischem Gebiet gezeigt und das 
hessische Gesjamtschicksal in der Landesteilung durch Landgraf 
Philipp bejonders unheilvoll beeinflußt hat, tritt auch auf dem 
Hebiet des Kunstschaffens hervor. Gerade in der neueren 
Zeit mußte festgestellt werden, daß bünstlerische Gemein- 
schaften, wie sie sich etwa im Anschluß an die Wirbsamkeit der 
Kasseler KunstAbademie naturgemäß hätten entfalten bönnen, 
nicht zu bemerben waren. Der Grund hierzu lag vielleicht 
in den Gegensätzen, die sich infolge der nach der Kevolution 
aufgetretenen, fanatischen Neuerungsbestrebungen entwickelt 
hatten, Bestrebungen, die mittlerweile wieder in ruhigere 
nehr aus wirtschaftlichen Gründen, mitunter nicht so lebendig 
var, wie es den Freunden des heimischen Kunstschaffens 
vünschenswert erscheinen mochte. Kurzum: es wurde viel 
jemalt in Hessen, aber die Künstler hielten sich größtenteils 
Gerhard Sy: FuldaUfer. Phot. C. Achenbach, Kahßel. 
H. Tannen-Wille: Knochenmühle. Phot. C. Achenbach, Kahel. 
Bahnen eingelenkt haben. Immerhin traten diese Gegensätze 
auch in Hessen deutlich genug zutage. Es bann im übrigen 
auch nicht geleugnet werden, daß auch Willingshausen, 
die bald hundertjährige Malerkolonie, wenn auch zeitweise 
ür sich, Leineswegs zum Schaden ihrer persönlichen Ent- 
vicklung, aber doch in einem Grade, der als bedauerliche 
Zerjplitterung anzusehen war. 
Erst in der jüngsten Seit hat sich eine Besserung dieser 
Oerhältnijse herausgestellt. Schon im Jahre 1923 hatte sich, 
venn auch zunächst in bewußtem Gegensatze zu der damals 
zinem dogmatischen Expressionismus unterworfenen Abademie, 
ius ehemaligen Schülern dieser Anstalt die „Malergruppe 
923* gebildet, eine Art von Sezession, deren Sinn darin 
ag, in voller schöpferijcher Freiheit von Lehrmeinungen das 
Sschaffen der Beteiligten sich auswirkben zu lassen; daß dabei 
ielfach eine starke Liebe zum heimatlichen Boden in Er— 
chheinung trat, konnte nur als begrüßenswert empfunden 
verden. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß die Susammen- 
etzung dieser Gruppe jüngerer Künstler mehrfach wechselte 
ind daß eine ganze Anzahl innerlich ihr nahestehender, in 
elbstgewählter Einsamkeit wirkender Künstler ihr äußerlich 
ernblieb. 
Inzwischen hat sich auch die Abademie, die übrigens in 
iesem Jahr ihren 150. Geburtstag feiert, zu einer Haltung 
urũckgefunden, die unlängst bei offizieller Gelegenheit Prof. 
ODr. Soeder, der Architelt der Abademie, dahin bennzeichnete, 
aß heute nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahren, der 
fanatismus die Kunstanschauungen beherrsche, daß das Neue 
uücht mehr egozentrisch eingestellt sei, sondern gelernt habe, 
iuch das Alte zu verstehen und sich mit diesem als gleich- 
vertige Hebungen einer kbulturellen Wellenbewegung zu 
etrachten. Dieser inneren Annäherung der verschiedenen 
Flemente des heimischen Kunstschaffens entsprach eine Der— 
instaltung, die der Kasseler Kunstverein, unter den 
ũhrenden Kräften des bodenständigen Kulturlebens vielleicht 
die objektivste, mit seiner „Herbstausstellung hessischer Kunst“
	        
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