inderswo Arbeit zu suchen, bebämpfte Baron Hans in bluger
Art und Weise. Er ließ den Frauen der ungetreuen Arbeiter
sagen, sie möchten Nachmittags um 83 Ahr alle ins Schloß
kommen, aber sie möchten sich vorher die Nase putzen. Als
sie nun mit reinen Schürzen vor ihm standen, versprach er
ihnen pachtfreies Gartenland und hatte einen vollen und
erfreulichen Erfolg mit dieser Politil. Abgesehen von zwei
wirblichen Säãufern kam seine Arbeiterschaft vollzählig zurück,
und es war alles in schöner Ordnung.
An einem strahlenden Sommermorgen ließ sich der Baron
zum Amtsgericht fahren. Er war vorgeladen, um die Ver—
lesung der Papiere mitanzuhören, die sein verstorbener Guts-
nachbar und früherer alter Freund als seinen letzten Willen
bezeichnet hatte.
Nach einigen Stunden kam er breidebleich zurück. Dann
chloß er sich zwei Tage lang ein und sah beinen Menschen.
Einige Seit danach sickerte es durch, daß der bleine
Saron Erich von Trott Alleinerbe der reichen Hinter-
assenschaft des alten Barons von B. geworden sei und sein
Dater, Baron Hans, der Verwalter des Erbes. And von
diesem Seitpunkt an machte Baron Hans eine neue Schwen⸗
kung und fing an, wie früher Wein zu trinken, seĩnen
Hästen Alkohol vorzusetzen und seinen Arbeitern die übliche
Zuwendung zu gönnen. Su seiner Ehre aber will ich sagen,
daß er das freie Land den Leuten ließ, denen er es vor
urzer Seit gegeben hatte.
So lief das Leben seinen stillen Gang weiter. Die Jahre
zingen dahin, Baron Hans wurde alt und gebrechlich, und
man dachte an sein Sterben.“
Da machte die Mutter Ju eine Pause, denn sie dachte
an den Tod, der auch in ihrem Hause einigemal gewesen
war, als er zwei bleine Kinder, den Mann und den großen
Sohn geholt hatte. Und sie weinte. Der Keller aber
trocknete ihr die Tränen von den maulwurfsfellweichen alten
guten Wangen, und sie lächelte wieder und erzählte:
„Baron Hans wußte genau, daß er bald sterben sollte,
und immer, wenn er in seinem Lehnstuhl in den Schloß⸗
garten gefahren wurde und deinen Dater aus dem Dorf
gehen sah, dann sagte er: Bitte nicht so lange bleiben, Herr
Pfarrer, ich brauche Sie bald. Denn er war unterdessen
wieder zurũckgekommen zur evangelischen Kirche, hatte auch
unter dem Eindruck des Siebziger Krieges seinen Frieden mit
Sismarck gemacht und Bismarck voermutlich auch mit ihm.
Damals nun war in Kassel die Synode zusammengetreten,
und dein Dater, mein Keller, mußte täglich zu den Sitzungen
ahren. Baron Hans war bettlägerig und bonnte also seines
Soelsorgers Abwosenheit nicht erfahren. And richtig kam
in diesen Tagen der Tod durch die Schloßallee gegangen,
sttieg langsam die Terrassen hinauf und blopfte an Baron
Hansens schöÿönem warmen Simmer ans Fenster. Der Baron
iah ihn an, und die beiden Herren grüßten sich ernst und
gemessen. Dann wandte sich Baron Hans zum Diener und
agte ruhig: Der Pfarrerl Aber der Pfarrer war nicht
dal Da bat der alte Diener mich, deine Mutter Ju, so
erzlich, daß ich mitkommen möge zu seinem guten alken
derrn, so daß ich mich bezwang und ging. Ich fand den
dranken schon nicht mehr bei Bewußtsein. Aber mein
Zesuch und das, was ich ihm still und ruhig sagte, muß ihm
jut getan haben, denn er flüsterte leise und mit geschlossenen
Augen: „Sie sprechen eine zarte Stimme, Herr Pfarrer,
zie sprechen wie meine Mutter so zart, Herr Pfaerrer!“
Dann sprach er noch einige Worte: der Wein! das Testa—
nent! Und dann war er tot. Ich legte ihn mit der Diener⸗
chaft zurecht und erzählte am Abend deinem Vater das
nerkwürdige und stille Ende des adligen Mannes.
Kurz nach der Beerdigung bam der junge Baron und
»rachte einen für deinen Dater bestimmten Brief von des
Aten Barons Hand überschrieben. Darin lag eine Abschrift
des Testamentes des alten Herrn von B. und einige Worte
»on Baron Hans dazu. Zugleich stellten zwei Diener
inen Korb mit Wein ins Simmer, den der Verstorbene
ür den VDater bestimmt hatte.
Du findest unter des Daters Papieren den Brief und
die Abschrift des Testamentes. Es steht darin:
„Ich habe das Vermächtnis meines verstorbenen Freundes
mnit allen seinen Bedingungen angenommen. Die Annahme ist
nir nicht leicht geworden. Ich gab meines Sohnes wegen nach.
Die Ausführung der Bestimmungen ist mir dagegen sehr
eicht geworden. Es war alles wirblich guter Wein. Ich
»abe ihn sehr gern getrunken.
Freiherr Hans von Trott zu Solz.“
And der Inhalt des Testamentes war einfach:
„Der junge Freiherr Erich von Trott, Sohn meines
rüheren Freundes Hans von Trott, erbt meine ganze
hinterlassenschaft mit Ausnahme der Beträge, die er meiner
Dienerschaft zu zahlen hat. Bedingung dabei ist erstens.
)aß der Dater des Erbberechtigten, Baron Hans von
Trott, bis zum Tage der Mündigkeit Baron Erichs der
derwalter des beweglichen und unbeweglichen Vermögens
st. Sweitens, daß der Dater des Erben Freiherrn Erich
»on Trott, der b. E. Oberst a. D. Hans von Trott den
Inhalt meines Weinkellers — es liegt ein genaues Ver—
eichnis bei — übernimmt und beiĩ seinem adligen Worte
ich verpflichtet, jelbst täglich so viel zu trinben, daß die
000 Flaschen in spätestens 12 Jahren leer sind. Ich
iehme als toter Mann dem Baron Hans von Trott
ein Wort ab, daß er beinen Wein leichtsinnig verschüttet
oder verschenkt oder von diesen 5000 Flaschen seine Gäste
oewirtet. Ausgenommen davon soll ein gelegentlicher
Trunk mit dem Ortspfarrer sein.“
Da lächelte die Mutter Ju leise und versank in Erinne—
»ungen, und der Keller legte ihr das weiche Tuch von Eis—
volle um die Schulter und schwieg stille.
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Heutige Malerei in Hessen õ Von Will Schellor.
Eine Kunst, die, wie die Malerei, in Hessen allzeit Schutz
und Pflege vonseiten eines auch in diesen Dingen lebhaft
interejssierten Herrscherhauses gefunden hat, besitzt in einem
olchen Lande immer den Vorteil einer gewissen Tradition.
Steht auch der Thron schon lange verwaist, von welchem
ehedem vielerleĩ Lünstlerische Anregung und Förderung aus-
gegangen ist, so läßt sich doch Leineswegs verbennen, daß die von
hm in ferner Oergangenheit angesponnene Tradition heute noch
lebendig ist und eine fruchtbare Grundlage für das gegenwärtige
und zukünftige Kunstschaffen auf hessischem Boden abgibt.
Dier staatliche Einrichtungen sind es zumal, die dieser
Tradition einen sichtbaren, gleichsam offiziellen Kahmen geben:
ie von Landgraf Wilhelm VIII. begründete Gemäldegalerie
ie einen gewichtigen Teil des Kasseler Weltruhms für sich
n Anspruch nehmen bann und zugleich ein vortreffliches
Mittel ist, die Leistungen einer jeden Gegenwart aun den
Meisterschöpfungen der Vergangenheit zu messen; die Kasseler
Zunst-Abademie, die, von Landgraf Friedrich I, einem
er bedeutendsten Herrscher aus dem Hause Brabant, ins
'eben gerufen und bestimmt ist, der Lünstlerischen Jugend