Neigungen fast ganz in der Wirtschaftsführung aufgeht, doch
nicht, ohne zugleich eine treue Helferin des Dichters zu
sein, dem blonden Töchterchen Holle, das in der Dorfschule
Schreiben und Lesen lernt, und etlichen jungen Mädchen,
die der Hausfrau bei der umfänglichen Arbeit in Haus und
Garten, auf Ackern und Wiesen zur Hand gehen, wobei
natürlich auch der Hausherr selber bräftig das Seine tut.
Er, der drüben in Südafrika gelernt hat, unter viel primi-
tiveren Derhältnissen auch beim Allereinfachsten zuzugreifen,
steht hier, auf heimatlichem Boden, nicht minder seinen
Wann, ob er nun das Futter für die Siegen besorgt oder
das Holz, den einzigen Brennstoff hier, zerkleinert, die Erde
wendet oder die Sense schwingt. Denn seine Verflochtenheit
mit Natur und Volk ist beine literarische Phrase, sondern
lebendige, wurzelfeste, eindeutige Lebensart — lebendig,
wurzelfest, eindeutig wie das dichterische Werk. dem sie als
menschliche Grundlage dient.
Weit sind die Käume des Hauses, recht geeignet für
einen Menschen, der Bewegung liebt, ein Saal fast das
Arbeitszimmer des Dichters, der, alles andre als ein
Stubenhocker, gleichwohl viele und schöne Bücher sein Eigen
nennt und eine beträchtliche Sahl wertvoller Gemälde, die
sein Dater um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Wien
gejammelt hat. Die Möbel, Familienbesitz aus dem Empire
und dem Biedermeier, passen vorzüglich zu den Simmern,
denen durchaus anzumerken ist, daß sie einmal für den Ge—
brauch eines Souveräns bestimmt und hergerichtet waren
Fünf Jahre lang hat der Dichter hier an seinem großen
Koman gearbeitet. Aber seine Vollendung bedeutete keine
Entspannung für ihn. MAndere, teils neuere, teils ältere
Pläne haben ihn alsbald wieder ins Joch gespannt. Und er
pricht von ihnen als von einem unentrinnbaren Muß, in
dessen DVerfolg er sich noch in diesem Jahr wieder nach
Südafrika begeben wird. Zur Vollendung eines längst be—
gonnenen VRomans bedarf es noch einmal eines bestimmten
landschaftlichen Erlebnijsses im östlichen Kapland. Deutsch-
Südwoest heischt ein eigenes Werk. Daneben wird es eine
reiche Beute an bleineren Geschichten geben. Drei Bücher
alsjo werden vielleicht das Ergebnis sein, aber sie fallen ihm
nicht in den Schoß. Denn Hans Grimm ist Lein Schnell-
schreiber. Sein starkes Sprachgefühl erlaubt ihm nicht, mehr
als durchschnittlich drei Seiten Handschrift am Tag zu Papier
zu beingen; auf den Buchumfang des neuen Komans ver—
eechnet, kommen sogar nur anderthalb Druckhkseiten heraus.
Dieses langsame Tempo, diese zähe Qualitätsarbeit ist an
allem, was Grimm veröffentlicht, gleichsam sinnlich wahr—
zunehmen: es genügt, einen beliebigen Absatz laut zu lesen,
um zu spüren, wie jedes Wort aus tiefsten Quellen geistiger
Empfindung aufgestiegen ist und zum schon geformten organisch
sich gefügt hat. Nicht anders, als der Dichter selbst, ganz
oersönlich, mit Heimat, Volk, Welt und Menschheit organisch
erwachsen ist ...
Der leise, feine, aber hartnäckige Kegen, der den Sommer-
ag verschleierte, hat aufgehört. Die zarten blauen Buchten
am weißbewölkten Himmel haben sich weithin ausgedehnt,
die Wolken selber sich zu anmutigen, blaßrosa umränderten
Hebilden zusammengezogen. Späte Sonne ruht warm auf
Seeten, Büschen und Bäumen, auf dem kreisrunden, vom
zchilf umstandenen Teich des Springbrunnens und auf dem
leinen, gemauerten Gartenhaus, durch dessen sauber ge—
unchte, mit Bildern antiker Plastik und Archĩtektur geschmückte
Vand üppiger Epheu ins Innere gedrungen ist. Der bleine
foxterrier jault um einen Igel herum, der sich zur stachlichen
Augel zusammenrollt, was der kleinen blonden Holle
uinbãndiges Vergnügen macht. Die Frau des Haujses pflückt
inen Strauß voll-erblühter, dunkelroter Kosen für die
cheidenden Gäste, die der Dichter, das Fahrrad führend,
uind sein Töchterchen, um den munteren Hund besorgt, nun
zum Bahnhof Bodenfelde geleiten. Und nur zu schnell
ind ihre heiter winbenden Gestalten den Blicken der heim—
värts Fahrenden entschwunden, welche die Fülle dieses Tages
ils eine köstliche Bereicherung eigener Lebensfracht danbenden
herzens nach Hause bringen.
An eine adlige Frau—
(Frau C. von Hanstein zum Gedächtnis.)
Niemals ruhten Deine Händel
Enggemaschtes graues Netz werb
Deckt Frau Sorges neid'scher Wille
Uüber Deines Hauses Glück.
Doch durch aller Nebel Ballung
Leuchtet Deines Willens Licht. —
Niemals ruhten Deine Hände!
Niemals ruhten Deine Füße!
Immer ging dein grader Weg
Durchs Gestrüpp der rauhen Tage.
Immer war Dein Pfad voll Mühe;:
Kegelmaäßig, wie die Sonne,
Zog die Sorge ihre Fäden
Durch die pflichtgefüllten Seiten. —
Niemals ruhten Deine Füße!
Niemals ward dein Herze müde!
UÜber aller Qual des Lebens
Slüht' der Güte stille Blume,
Wuchs der Menschenliebe Baum
Jeder, den Dein Blick berührte,
Fühlte Deiner Seele Güte. —
Niemals ward dein Herze müde!
Und nun ruhen Deine Fuße,
Deine Hände stille feiern,
Deine Seele ging nach Hause
Ewig blüht Dein edles Herz!
K. A. Schimmelpfeng.
Aus alter Seit.
Aus einer Seit, da man noch höflich war.
Wir leben heute im Seitalter des Hastens und Jagens. Alles
geht maschinenmäßig; zuweilen selbst das Denben und Empfinden
der Menschen. Schablonenhaft werden Beiefe geschrieben — von
persönlicher Wärme ist darin wenig zu spüren, wenn sie nur den
geschäftlichen Sweck erfüllen. „Sachlich unnötige KRedewendungen
und Höflichkeitsfsormen bitten wir zu unterlassen“ — wie häufig
lesen wir jetzt diese Anmerkbung. „Seit ist Geld.“ Charabteristisch
für die Gegenwart. Man will Leine persönliche Note.
And doch ist es noch keine 100 Jahre her, da bediente man
sich auch in der Schriftsprache noch der größten Höflichkeit. Die
junge Generation bennt kaum noch die Respekisausdrücke und
ergebenen Redewendungen, die in den damals geschriebenen Briefen
enthalten waren. Sie dokumtentieren eine Seit, in der es noch
gemütlich langsam ging und alle Briefe mit peinlichster Sorgfall
ils persönliche Charabteräußerung geschrieben und betrachtet
vurden. Einen Einblick in die Umgangsformen der „guten alten
zeit“ gestattet uns der nachstehend abgedruckte Brief, der im
Jahre 1845 an den Bürgermeister der Stadt Melsungen (Baumann)
gerichtet wurde:
„Hochwohlgeborener besonders Hochzuverehrender
Herr Bürgeemeister!
Von der Aberzeugung ermuthigt, daß nur Sie Verehrungs-
vũrdĩger Herr Bürgermeister der Einzige sind, welcher mir in
ziner für mich sehr werthen Sache zu helfen im Stande ist, des
halb nahe ich mich hiermit Ew. Wohlgeboren mit der ganz-
jehorsamen Bitte, mich durch Ihren Edelmuth und Herzensgũte
oon meiner Unruh zu befreien und meine ganzgehorsame Bitte
uncht zu Verũbeln.
Su Anfang dieses Monats fügte es sich, daß ich troß
meines lahmen Armes dennoch hier eine Condition bekam, in