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Im Klosterhaus Lippoldsberg õ Von Will Scheller.
underts gegründet worden war und im vierzehnten Jahr-
undert, in dessen Beginn der Bau der sehr beachtenswerten
omanischen Kirche fällt, seine Blütezeit erlebt hat. Während
er bald folgenden Verfallsepoche war es ein ständiger
ʒankbapfel zwischen Hessen und Braunschweig. Die Kefor-
nation machte dem durch Auflösung des Klosters und Der—
vandlung in landgräflich hessisches Kammergut ein Ende.
dandgraf Philipp errichtete in Lippoldsberg einen Eisen-
ammer, der jahrhundertelang bestanden hat, böser Schicksale,
ejonders im Dreißigjãhrigen Krieg, unerachtet. Schon damals,
ils abwechselnd baiserliche, schwedische, lüneburgische und
essische Truppen die Gegend unsicher machten, saßen die
Grimms in Gdelsheim. Landgraf
Larl richtete sich droben in Lip-—
»oldsberg nächst der Kirche ein
Jagdschlößchen ein; unter preuß.
Herrschaft, die auch dem Lippolds
erger Eisenhammer ein Ende
nachte, wurde aus dem ganzen Ge⸗
däudekbomplex eine Domäne, die
iber schon vor dem Welltbrieg ihre
Aufteilung erfuhr. Hans Grimm
ꝛrwarb aus zweiter oder dritter
Hand das Herrschaftshaus mit dem
Harten und haust darin gewisser⸗
naßen als ein Landwirt bleinen
Stils, der sein Brot selber backt,
eine Früchte und sein Gemüse
elber zieht und auch seinen Wein
elbsteigen beltert. Er ist hier, in
der Heimat seines Blutes, was
er jein will, ein freier deutscher
Mann auf freier deutscher Scholle.
Aher er fühlt, auch hier, die Enge,
darein widriges Geschick das
deutsche Volk gebannt hat und aus
velcher es geistig zu lÿösen er auch
ein dichterisches Schaffen und
Virken für verpflichtet hält. Hier,
vo bein Stückchen Land mehr feil
st, wo die Erde, der wunderschönen
Landjchaft und der üppigen Frucht⸗
darbeit unerachtet. nicht weit genug
ist, um alle ihre Kinder zu tragen
und zu nähren, hier entstand das
größte Werk, das Hans Grimm bis-
er geschaffen hat, der Koman „Volb ohne Kaum“, der vom
eutschen Volk und seiner Lebensnot handelt und, mit dem
käuten der Glocke von Lippoldsberg beginnend, den Weg
indeutet, der aus der Enge der Heimat in die Weite der
Velt führt, ohne die Lebenswerte heimatlichen Seins und
Vesens am Kande liegen und verbommen zu lassen.
Der Dampfer hält nicht in Lippoldsberg, sondern erst in
Sodenfelde. Von dort sind es freilich nur wenige Minuten
nach Lippoldsberg zurück an Wiesen und Kornfeldern ent—
ang. Im Dorf selbst, in welchem Bauernhäuser hessischer
ind niedersächsischer Bauart friedlich nebeneinander stehen,
lommt der Dichter, eine hohe, schlanke Gestalt, seinem Be—
uch entgegen, froh, daß jemand aus der weiteren Welt,
ind wäre sie räumlich noch so nah, seine Abgeschiedenheit
einmal belebt. Denn sonst ist er, dessen männliche Wesensart
zu den auffälligsten Merkmalen seiner Erzählkunst gehört,
ruur von Frauen umgeben: der Gattin, die kroß künstlerischer
Schier unzählige Wendungen und Krümmungen schreibt
die Wejer mit ihrem Lauf zum Meer in das deutsche Land,
eine rause Lebenslinie, die den Eindruck macht, als wäre
sie in jchwerem Kampf dem Boden abgerungen. Besonders
aber in ihrem Anfang. And die Goschichte des deutschen
Oolbes bestätigt diesen Eindruck, denn hier, zwischen dem
hannoverschen Münden im Süden, wo Fulda und Werra
zusammenströmen, und dem hessischen Carlshafen weiter im
Norden, wo nach dem Einfluß der Diemel die Weser fürs
Erste lotrecht meerwärts fließt, hier, wo vom Westen und
bom Osten mannigfaltige und sorstreiche Höhenzüge, der
Solling zumal und der Keinhardswald. gegeneinander grenzen.
hier haben auch harte Ausecin-
andersetzungen zwischen deutschen
Oolksstämmen, zwijschen den Sach-
sen und den Hessen, die gemeinig-
lich dem fränklijschen Verbande zu⸗
gerechnet werden, über das Wasser
der Weser hinweg stattgefunden.
Hier, in diesem stammesgeschicht
ichen Grenzgebiet, ist die Ur—
heĩmat jener Familie Grimm, deren
bedeutendster Sohn im Geistes
leben der deutschen Gegenwart eine
Kolle von beständig wachsender
Wirkung spielt. Hans Grimm,
dessen Vorväter in Gdelsheim an
der Weser gesessen haben, Hans
Grimm, der geistige Kepräsentant
des Kolonialdeutschtums, ein Dich⸗
ter, der sich wie nur wenige seines
gleichen der deutschen VBolksgemein⸗
schaft verbunden und verpflichtet
fühlt, hat kurz nach dem Welt⸗
krieg, da es ihm nicht gelang, in
Odelsheim jselbst wieder boden-
ständig zu werden wie seine Ahnen,
im benachbarten Lippoldsberg ein
Anwoesen erworben, das ihn nicht
bloß mit der Natur, sondern auch
mit der Geschichte dieser Scholle,
dieses heimatlichen Stückchens
Erde, lebendig verkettet. Denn
das Klosterhaus, das er mit dem
zugehörigen Garten und mehreren
berstreut liegenden Ackern und
Wiesen behaust, hat mancherleĩ erlebt, was ihm neben dem
SZauber der Ehrwürdigkeit den Keiz historischer Merb⸗
vürdigbeit vermittelt.
Wenn der Dampfer, der von Münden nach Hameln
fährt, eine etwas mehr als zweistündige Keise hinter sich
und eben Gieselwerder zur Linben passiert hat, kommt
rechterhand, wenige Schritte vom Weserufer landeinwärts
entfernt, ein auffallend sauberes Dorf in Sicht, aus dessen
von fetiem Grün der Laubbäume durchsetztem bunten Dach-
gewirr der dunkle Bau einer alten Kirche mit barockem
Turmaufsatz aufragt, und dicht daneben ein besonders hohes,
rötliches Dach: das ist das Klosterhaus Lippoldsberg, in
welchem Hans Grimm, der hessische Dichter deutscher Lebens⸗
eechte, seit einigen Jahren seßhaft geworden ist, heimisch an
einer Stätte, die, wie vermerbt, vielerlei Schicksal erfahren
hat. Wie schon der Name verrät, stand dort ehedem ein
Kloster. ein Nonnenkloster, das gegen Ende des elften Jahr—
Slick auf das Klosterhaus Lippoldsberd.