ob Kais. Majestät und sie selbst es vor Gott und ihrem
Hewissen verantworten bönnten, „diese elende, arme und
gebrechliche Leute wieder ins Elend zu weisen und dagegen
die unnützigen, hoffärtigen, zanksüchtigen und vielfräßigen
Mönche wieder einzusetzen“‘. Da zogen die Kaisj. Räte
mit bewegtem Herzen und Gewissen wieder ab, und
die ganze Klage fiel ins Wasser. Der letzte nominelle
Abt Hermann Engel starb 15174 im Hainaerhof zu Frankfurt
pergl. Dersch, Hessisches Klosterbuch; Holthausen, Das
Landeshospital Haina).
Mit den elenden Männern aber, deren mancher wohl eine
wenig saubere Vergangenheit hatte, war ein Haufen Waisen-
rinder und Findlinge aus dem ganzen Lande, mit denen
man nirgend hinwußte, in Haina untergebracht, die dann nach
bollendetem 12. Lebensjahre in Dienst und Lohn gegeben
werden sollten. Da sie in dieser Umgebung in der Gefahr
geistiger und sittlicher Derwahrlosung lebten, so hat der Pfarrer
Kau sich ihrer treulich drei Jahre lang mit Erziehung und
Unterricht angenommen. Jetzt schreibt er an die Fürstlichen
Käte, daß er wegen der Menge seiner Amtsgeschäfte nicht
imstande sei, den Unterricht an den Kindern fortzuführen, und
hittet, daß man jemand anderen sende, die Arbeit fortzusetzen.
Der Brief lautet wie folgt:
Gottes Gnade zuvor,
Edle und gestrenge, günstige, liebe Heren. E. Str. werden
ich zu erinnern wissen, wie ich gestern der armen, unerzogenen
Zinder halber bei E. Str. angesucht und gebeten, nachdem
ch sie nun drei Jahre unter meiner Disziplin gehabt, mit
neinen befohlenen Kirchengeschäften aber dermaßen beladen,
ch solcher Kinderzucht in die Länge nicht obliegen kann, man
wollte doch so wohl kun und einen hierzu verordnen, der auf
jolche Dinge warten müßt; habe aber hierauf von E. Str.
noch beine Antwort bekommen. Als bitte ich noch, man
wollte doch durch Gott in diesem Stück die hohe Not ansehn
und bedenkben.
Sonderliche Schulen hier anzurichten, ist nicht mein
Begehr noch Suchen, allein das suche ich, daß die armen
Kinder, die man doch ohnedaß hier nährt und unterhält, nicht
so mutwillig und jämmerlich versäumet werden möchten. Soll
man sie hinausjagen, wo wollen sie sich dann erhalten, wer
pill sie an jseinen Tisch nehmen? Soll man sie den andern
alten Männern unter die Hand kun? Wer sind die Männer,
die hierzu tüchtig seind, sintemal sie wohl not hätten, daß
andre auf sie warteten? Oder wie sollt oder kLönnte man
die Jugend denen befehlen, die ihr lebelang vielleicht selbst
nicht gut gewesen sind? Ach, liebe Heren, ich bitte doch
zurch Gott, man wollte doch dem Herrn Christo auch ein
Käumlein in dem Hospital Haina lassen. Weijet man ihn
schon zurück in den Viehstall, will er doch mit uns zufrieden
ein. Denn wer weiß, auf welcher Seite Herr Christus
am meisten und nächsten bei uns wohnt. Was die Alten
diejes Orts anlanget, seind zwar viel frommer Leut unter
hnen, und ist ein herrlich und christlich Werk, daß soviel
armer, alter Leut hier unterhalten werden, und wird das
hne Zweifel unserm gnädigen Landesfürsten hochlöblichen
Hedächtnis ein ewiger Kuhm sein; aber dagegen, ist zu
bermuten, auch das wahr sein, daß ihrer viele das Ihre
verfressen, versoffen, verspielt, verhuret und verbubet haben,
ja noch bei diesem Almosen Schande und Laster treiben,
da nicht offenbarlich, doch heimlich, ja, die es Gott und
hrem Landesfürsten weder Dank noch Lohn wissen, ich
vill gar geschweigen, daß sie für ihre Obrigkeit ein andächtiges
daterunser beten sollten. Dagegen aber hält man die armen,
ungen Kinder an, daß sie beide in der Schul und in der
Kirchen täglich auf ihre Kniee vor Gottes Angesicht sitzen
nũssen und müssen für ihre liebe Obrigkeit und für dieses
Hospital bitten. Meint ihr wohl nicht, liebe Herrn, daß
olches Gebet durch die Wolken deinge und die Obrigbeit
amt diesem Hospital solches Gebet genieße? Meinet ihr
uͤcht, daß Gott und die lieben Engelein jubilieren und sich
reuen, wenn solche arme Kinder ihre unschuldige Händlein
jen Himmel aufheben und mit einfältigem und kindlichem
Herzen aljo zu Gott stammeln? Was meint ihr wohl,
vie's um die Welt stehen würde, wenn die Welt der Kinder
Hebet in der Schul nicht hätte? Und wenn wir sonst beinen
Nutzen von der Schul hätten, denn das Gebet sollt uns
ies einige Stück doch bewegen, daß man mit ganzem Ernst
an allen Orten Schulen hielte, wo man nur kbönnte. Läßt
nan diese angefangene Dijziplin, als ich doch nicht hoffe,
allen, so sage ich das, man ziehe im ganzen Fürstentum
Hessen größere Erzbuben nicht als eben in diesem Gottes-
»aus Haina.
Denn die jungen Kinder werden gewöhnet, von
Jugend auf den Namen Gottes zu lästern und zu schänden;
ie werden gewöhnet zur Dieberei, zur Unzucht und
andren Lastern. Da werden sie dann vom Henber ge—
stäupet, gehenkt, gerädert und sonst auf andere Wege ge—
schändt, dero Exempel man wohl erzählen könnt, und über
dem allen werden ihre Seelen, die Christus mit seinem teuren
Slut erkauft hat, dem Teufel übergeben. Was meinet
hr, günstige, liebe Herrn, was Gott dann hierzu sagen
vürde? And wie wollten wir immermehr bestehen,
venn uns der gerechte Kichter Christus hierum würde
zu Kede stellen, wie denn an jenem Tage gewißlich ge—
chehen wird?
Darum, edle und gestrenge, liebe Herrn, bitte ich, E. Str.
wolle doch auch ein Auge auf die Jugend dieses Orts
haben. Ich hoffe nicht, wann man den armen Kindern
schon einen Suchtmeister hielte, das Fürstlicher Ordnung
hiermit zugegen sollt gehandelt werden. Was E. Gostr.
hierinnen gesinnet ist, wollt E. Str. sich hierinnen günstiglich
erklären. Dieselbigen ich auch bitte, sie wollten mir mein
närrisch Schreiben zugut halten und alles zum Besten
deuten. Befehle hiermit E. Str. dem lieben Gott zu
seinem gnädigen Schutz.
Datum den 16. Dezember (1515.
E. Str. dienstwilliger Johannes Kau,
Pfarrer allhier zu Haina.
Ob der tapfere Pfarrer mit dieser Bitte durchgedrungen
st und man ihm einen Gehilfen in der Erziehungsarbeit an
en Kindern, einen Schulmeister oder Schulgesjellen, wie man
amals Lehrer und Hilfslehrer nannte, gesandt hat, geht leider
us den Abten nicht hervor. Man kLann sich aber Laum
orstellen, daß die Fürstlichen Käte diesem „närrischen“ Sriefe
aben widerstehen kLönnen; und wenn die Aufnahme von Kindern
n das Hospital Haina nachher eingestellt ist, so mag auch das
in Erfolg seines Schreibens gewesen jein. Daß er übrigens
ücht nur das Herz auf dem rechten Flecke hatte, sondern
uuch mit der Feder umzugehen wußte, beweist neben diesem
ünftigen Brief eine Sammlung herzlicher Predigten, die er
595 zu Frankfurt a. M. hat herausbommen lasjen, und eine
Weltbeschreibung, d. i. schöne, richtige und vollkommliche
osmographie des ganzen Umbreis der weiten Welt“, die
1597 dem Landgrafen Ludwig von Hessen überreicht
zat. Don Haina nach Wetter verjsetzt, ist er dort im
Jahre 1600 gestorben. (Dergl. Strieder, Hess. Gelehrten-
eschichte IX, 238 f.)