Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

»en Rücken und stapfte, den bnotigen Eichenstock in der Hand, 
bei einbrechender Dunbelheit davon. Sunächst ging mein Weg, wie 
mmer, nach Murbach, wo ich meinen Kollegen besuchte, der sich 
mir gewöhnlich anschließt. Denn zu zweit wandert es sich doch 
bedeutend besser und kurzweiliger durch die dunklen Wälder. Aber 
hiesmal traf ich es schlecht bei ihm. Er war schon einige Tage 
unpaß und hatte an dem Abend bereits das Bett bezogen. So 
nußte ich denn, nachdem wir uns die wichtigsten Neuigbeiten 
anverteaut, allein weiter marschieren und wählte den kürzesten 
Weg über den Seiftwald. Das erste Viertel des Mondes erleuchtete 
ie Fahrrinne, an deren Rand ich den Goldhsöbel emporstieg. 
Tiefes Schweigen rings, nur in der Tiese des Waldes ging ein 
eises Kauschen, aus dem plötzlich ein greller, johlender Laut 
ervorpolterte. Ich wãre beinahe erschrocken und wußte doch ganz 
genau, daß es nur die harmlose Waldeule war. Schon oft hatte 
ie mir ihren Ruf durch die Stille der Nacht entgegengeschleudert. 
Aber diesmal war es, als hätte er ein ganzes Heer von Geistern 
ufgeschreckt, als hätte er zu stark gepocht an den verschütteten 
Felswällen der uralten Hunnburg da drũüben. Und als schlüpfe 
hort etwas unter bemoosten Ouadern und morschen Baumwurzeln 
»ervor, so huschte es und wisperte es jetzt durch den Wald her. 
Als ich den Spubk dann schon wieder ganz weit verflogen glaubte, 
da ging es abermals wie höhnender Jauchzer durch die Luft, 
zwar entfeenter, aber viel lauter, viel breiter und hohler, und ich 
pußte diesmal nicht, ob es die Ohreule war. Fürchten tu ich mich 
o leicht nicht, aber nun rann mir doch etwas Kaltes den Räcken 
unter. Doch ich haͤtte nicht lange Seit, mich von der Wälder 
Unheimlichbeiten angruseln zu lassen. Ich war mittlerweile der 
Srenze nahe gekommen, und nun hieß es aufgepaßt. Gar zu 
zroße Anstrengungen mutet sich ja der alte Stöer, der an dieser 
Stelle die Grenze abgeht, nicht zu. Einen rauhen Novemberwind 
nit zeitweiligen Kegenschauern nimmt er schon gerne als Ent- 
schuldigungsgrund an, seme gichtigen Glieder lieber dem warmen 
Sett als dem Ungestüm der Sturmnacht anzuvertrauen. So bam 
ch auch glũcklich ũüber die Grenze, und nach abermals zweistündiger 
Wanderung, die meistens ũber ebenes Feld ging, langte ich an dem 
meines nächtlichen Ganges, dem alten Gutshof bei Aden⸗ 
orn, an. 
Der Hund schlug an, und kaum hatte ich an die niedrigen 
Fensterscheiben des Gesindebaues geblopft, da schob sich auch schon 
das voille Gesicht Michels, — ihr Lennt ja all den alten Schnaps- 
renner, der vorigen Winter hier bei mir war — durch die schmale 
vffnung des Fensterrahmens. Er war nicht überrascht, denn ihm 
dajsierte das mehrere Mal in jeder Woche. Also wurde geöffnet, 
ich stellte mein Keff ab und setzte mich zu einer bleinen Kast hin. 
Michel stellte mir als altem Bebannten zunächst einen bleinen Im⸗ 
diß vor und einen großen Krug Branntwein. Dann nahm er 
nein Fäßchen mit in den Keller der Brennerel und füllte es mit 
pierzehn Maß. Es ist das ein schönes Gewicht, wenn man es 
sechs Wegstunden bei Macht und Nebel schleppen soll. Ich sprach 
deshalb dem Imbiß tapfer zu, besonders auch dem Branntwein. 
Nebenbeĩ gesagt, trink ich dort jedesmal sechs Kännchen, für jede 
Wegstunde eins. Auch jetzt hielt ich's so. Mein Faß war bald 
boll und ich machte mich nach ein paar kKnappen Worten mit Michel 
wieder auf den Heimweg. Es gab nichts zu jäumen. wenn ich vor 
Tagesanbruch zu Haujse sein wollte. 
Das Moͤndviertel sank gerade hinter den Wäldern zu meiner 
Linken, als ich auf die Straße trat. So galt es nun, den Heim⸗ 
weg in größerer Dunkbelheit zurückzulegen. Den Weg bannte ich 
ja genau. So machte ich mir wenig daraus und schritt tapfer aus, 
'olange ich noch glaͤtten Boden unter mir hatte. Ich steckte mir 
gerade wieder eine Pfeife an, als es auf einer Turmuhr drei schlug. 
Das war auf der Kirche von Höingen dachte ich, nun kommt bald 
ie Grenze. And unbehelligt schritt ich nach halbstündiger Manderung 
zwischen den Grenzsteinen hindurch. 
Hie Dunbelheit war aber ärger geworden, denn ich befand 
mich im dichten Hochwald und konnte nur mit Mäühe den Fußsteig 
behalten. Nun mußten bald die drei Hügel Lkommen. Richtig, da 
varen sie, aber man bonnte sie kaum erkennen. Mein Vater hatte 
nie einmal gesagt, als ich das erste Mal den Weg mit ihm machte, 
das seien Hunengräber. Und mit einmal mußte ich wieder an den 
fliegenden. fauchenden Spuk auf meinem Heimweg an der Hunn- 
hurg denben. 
Ja, gehört hatte ich schon manchmal etwas, was nicht ganz 
geheüer klang, aber gesehen, etwas unerblärlich Spukhaftes 
richtig gesehen hatte ich noch nicht. Auch nicht hier in tiefster 
Einsamkeit und schweigender Nachtstunde. So sinnierte ich vor mich 
hin und bam bis an die Lichtung, eine versteckte Waldwiese. Und 
nitten darin brannte ein Licht. Was war das nur?, Nin und her 
huschte es, leichtbeschwingt, geisterhaft. Meine Füße stockten. 
Ach was. denkbe ich, Fürchten gibt es nicht, und gehe auf das 
dicht zu. Doch je näher ich ihm auch zu bommen meine, es ist 
mmer ein Stück von mir entfernt. Ich bin schon fast bis über die 
anze Wiese hinmarschiert, und plotz lich ist das Licht verschwunden. 
Var ein Jerlicht, rede ich noch so gerade vor mich hin und wende 
nich. Doch da stand — und nun überlief es mich doch mit leisem 
zrujeln — ein Hund hinter mir. Groß und schwarz, noch schwärzer 
ls die Nacht. Und die grünen, schimmernden Augen sahen mich 
in. Wie gesagt, gefürchtet habe ich mich noch nie und wollte es 
uch diesmal nicht. Aber dem Hund mit meinem derben Eichen⸗ 
ock zu Leibe zu rũcken, dazu fehlte mir nun doch die Courage. 
sch umging ihn in einem Bogen. Doch das Hundetier folgte mir 
uf den Fersen. Bald war ich wieder auf dem breiten Waldweg, 
ein ich noch ein ganzes Sltũck folgen bLonnte. Meine Schritte 
vurden hastiger, und immer, wenn ich mich umsah, blitzten mir die 
rũnen Lichter entgegen. Immer mehr erregten sich meine Ge— 
anken, und mein vorwärtsschauender Slick sah das Ungetũm hinter 
nir größer werden. Ich spürte kalten Schweiß auf der Stirne 
ind warmen am Rücken. Was mag es nur sein, dachte ich, es 
yird doch nicht? — — — 
Ach was, es ist ein Hund, versuchte ich mich zu beruhigen. 
Aber nun wirbelten plötzlich meine Gedanken: Es ist vielleicht 
och nicht recht, was du hier machst? Hintergehung der Gesetze — 
Zetrug. — AUnd an anderes mußte ich noch denken, was man so 
ianchmal auf die leichte Schulter nimmt. Ich hätte mich jeßt 
chon gar nicht mehr gewundert, wenn plötzlich eine Stimme hinter 
nir Kechenschaft gefordert hätte ũber dieses und jenes.“ 
Hier holte Vater Hannliwigg tief Atem, und in seinem Blick 
auchte noch einmal für Augenblicke die Angst auf, die er auf 
einem abenteuerlichen Gang empfunden. Seine Suhdrer saßen 
tumm und wagten keine Frage. Nachdem er dann gedankenlos 
in jeiner erbalteten Pfeife gezogen, fuhr er fort: 
„So war ich denn schon bis an den Ausgang des Waldes 
jekommen, und der Weg begann sich zu senken. Immer noch folgte 
nie mein unheimlicher Segleiter. Bald jah ich im Grund ein Licht 
himmern und bonnte auch schon die schwarzen Umrijssje unjeres 
dirchturms erblicken. Das waren erlöõsende Seichen für mich. 
Vie ich gestern hörte, hatte beim Schmidhenner die Nacht eine 
zuh gekalbt, und ich werde wohl den Lichtschein gejehen haben. 
Wit Riesenschritten eilte ich nun den Abhang hinunter. Ein 
hund bellte im Dorfe. Ich sah wieder hinter mich, und stumm 
ind lautlos folgte mir immer noch das schwarze Etwas. Bald 
nußte ich bei den ersten Häusern des Dorfes anlangen. Schon 
and die alte Linde am Kreuzweg groß vor mir. Und darunter 
as Kruzifix. Ein Hahnenschrei drang von einem Gehöft her zu 
nir. Da ging ein Rauschen um mich. Durch die bahlen Sweige 
er Bäume brauste es, und doch bewegte sich beiner. Wieder 
nußte ich mich unwillkürlich umjsehen, und — mein Begleiter war 
erschwunden. Einen Augenblick blieb ich aufatmend stehen. sah 
und um mich herum und kbonnte weier nichts gewahren, als daß 
ch mich an ganz vertrauter Stelle vor unjerm Ort befand, ganz allein.“ 
Dann schwieg Dater Hannliwigg. Eine ganze Weile war es 
till in der Stube. Dann fügte er wie aus tiefen Gedanken heraus 
zinzu: „Und mein Lebtage geh ich nicht mehr auf Schleichwegen!“ 
Wieder wurde es still in der Stube. Nur die alte Schwarz- 
vãlderuhr tickte laut. Von draußen fuhr ein Windstoß gegen die Scheiben. 
„'s wird wirre RKa) geben“, meinte einer der Gäste. 
„Wann es ben Schnäi?) gibt“. mutmaßte ein anderer. es waor 
aut so kalt.“ 
Erst der Dritte kam auf das Erlebnis Hannliwiggs zurũck. 
Und da auch die anderen nun dies und das zu berichten wußten, 
opas sie von derlei Geschichten schon alles erlebt oder vernommen 
zatten, so dauerte die Sitzung etwas länger. 
Der Wächter machte schon die Runde und blies die Sehnuhr 
in, als man auseinander ging. Der den Schnee prophezeit hatte, 
ollte recht behalten. In dem Lichtschein, der aus den Stuben, darin 
ioch gesponnen wurde, in die Dorfstraße fiel. Lonnte man bereits 
inen lustigen Flockentanz beobachten. 
AUnd Vater Hannliwigg und sein Vorsatz? Als sein Branntwein- 
orrat wieder zur Neige ging, zog er den festen Fuhrkittel an, 
ockte das Reff mit dem Faßchen auf. nahm den Eichenknũppel aus 
zer Ecke und ging nach der alten Brennerei bei Adenboen, wie 
zre's immer getan hatto. H. Horst. 
Schnurrpfeifercien⸗ 
Das haben die schlechten Jungen getan. 
Der Ellervater prahlte, daß sein Bien, der rechts im Bienen- 
tand den Platz hatte, geprotzt (ganz und gar) voll Kosse (Waben) 
ind Honig sei; den Korb werde er ũüber WVmter stehen lasien. 
1y Regen. N Schnee 
3*
	        
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