Er überlegte und lauschte. Die Haus- und Hojftür
elinbten und klapperten zu vielen Malen. Stimmen, die sich
entfernten, waren zu vernehmen. Endlich wurde es still,
ganz still. Alle Hausbewohner waren, bis auf ihn selber,
zum Nachmittagstanze in der Schenke ausgeflogen. Ent—
jchlossen öffnete er die VDerschlagtür. Die Entelein rasten
im wilden Übereinander zum Stalle hinaus. und er folgte
ihnen auf dem Fuße nach.
Der warme Platzregen war in einen eisig Lalten Landregen
übergegangen, und ein hohler Wind blatschte die dicken Kegen-
strähnen gegen die Stallwände. Der ganze Hof war eine
einzige Kegenpfütze, aus der erhöhte Stellen wie eine flache
Inselwelt herausguckten.
Die ausgelassenen Tierchen warfen sich inbrünstig in die
schmutzige Flut und planschten und manschten, bald paddelnd,
bald schwimmend, je nach der Wassertiefe, immer suchend und
jchnatternd und gründelnd, immer vorwärts, der Scheune zu.
Dor dieser befand sich in der linken Hofecke das große, tiefe
Jauchenloch, von einer Holzverschalung eingefaßt. Hier
sammelten sich die Abwässer; denn Schlamm und angeschwemm-
ter Dünger verstopften den Abzugsgraben. Keiner war zum
Lüften und Käumen da, und Fritzchen hütete sich allerschönstens,
Hand anzulegen. Dieser braune Tümpel wurde von den
Entelein als Standquartier auserwählt. Wie Kobolde, husch
und hurr, schossen sie hin und her, auf und nieder. daß es
rine Lust zu sehen war.
Ein herzbellemmendes Angstgegacker riß Fritzchen aus
der sinnig innigverzückten Betrachtung. Ach Struppl In
der Schafstalltür trieb sie ein wunderlich unsinniges Wesen.
Die Sündflut schien sie nach kurzen Anläufen immer wieder
in den warmtrockenen Stall zurückzuscheuchen. Hallo, nun
speingt sie meuchlings mit einem langen Sat in das kaltnasse
Element hinaus. Stelzend watet sie von Inselchen zu Inselchen,
hier und dort zögernd und kurz verschnaufend. Endlich hat
sie ihre teuren Lieben erreicht. Da steht sie flügelschlagend,
um das gefährdete Gleichgewicht zu erhalten, auf dem schmalen
VOerschalungsrand der Jauchengrube. Da starrt sie fassungs-
los auf das wüste Treiben ihrer Lieblinge, die sie in Todes-
gefahr wähnt, und kauert sich nieder und gluckt und lockt
vergebens die Teufelsbeut zum Unterbriechen. Die kalten
Kegensträhnen peitschen mitleidlos die nackte Haut, die sich
wie ein Klumpen Himmelblau im grauen Kegengerinnsel
ausnimmt. Die spärlichen Federbüschel sind zujammengeklebt,
wie wenn Fritzchen sein Borstenhaar mit Pomade aus Onkel
Christians Büchse einschmiert. Und immer dringender,
schneidender, gellender betteln die Hilferufe das blindwütige
Jungvolb.
Auch das abgehärtete Fritzchen rührt endlich ein leijer
Schauer. And die Abendfütterung mag nicht mehr ferne
jein. Die Halbdämmerung bann allerdings von der breidicken
Luft herrühren. Also genug des Spaßes für heute. Es
hilft alles nichts, ihr widerborstige leine Gesellschaft. Hinein
in den Stalll! Da blinkt die Hoftür. VDerflixt. Die Schwester
kommt im Putz vom Tanze zum Kuhfüttern. Sie bestaunt
das triefende Fritzchen und die blauangelaufene Strupp und
die niegesehene und niegeahnte Entenbrut und blatscht in
die Hände und lacht und lacht. Ja, flüchte nur. Mit
Fritzchens Fäusten ist nicht zu spaßen. Aber der Schleier
des Geheimnisses ist gerissen. Für ewig.
Das kalte Kegenwetter hielt während der ganzen
Pfingstwoche an. Fritzchen ließ, da einmal nichts mehr zu
berheimlichen war, dem Schicksal freien Lauf und den Ente—
lein erst recht. Sie trieben sich den lieben langen Tag in
den Pfützen des Hofes umher, natürlich mit Dorliebe im
Jauchenloch. dessen Verstopfung zwar behoben wurde. das
iber von den Dachtraufen immer neue Wajsserzufuhr bekam.
die reizenden Wasserschauspiele der jungen Entengesellschaft
anden viele Zuschauer. Sie machten aus ihrer Bewunderung
ind Begeisterung bein Hehl und brachten auch ein wenig
Mitleid für Strupp auf, die ihren Pflegekindern allerwegen
iuf dem Fuße folgte. Denn sichtbarlich ging mit der
Armsten eine Veränderung zum Schlimmen vor sich. Sie
raß wenig und trank nicht viel. Nach den großen Wasser⸗
ahrten im Regengeplätscher drüchte sie sich in ihr Nest,
roch förmlich in sich hinein und döste vor sich hin. Das
Zautblau blieb als Grundfarbe. Größere und bleinere
flechen von unbestimmbarer Farbe mischten sich hinein und
nehrten sich von Tag zu Tag. Der purpurne Schein des
Tammes verblaßte. Die Fettpolster schrumpften zusammen.
Ddie Warzenhügelchen wuchsen und färbten sich jo unheimlich
zunkelblau wie die Kiefern der nahen Höllenberge nach
Sonnenuntergang. Die Federspieße starrten trostloser denn
e. Die Nickhaut sank oft und auf lange wie ein weißer
dorhang über die glanzlos⸗glasigen Augen herab. Sperrangel⸗
veit stand der Schnabel offen. Oft lief ein Schauer über
den Leib wie eine bühle Windboe über den stillen blauen
Masserspiegel. Offenbar eine schwere Erbältung. „Wenn
je nun auch einen Schnupfen briegte“, weinte traurig niesend
Feitzchen, dem vom anhaltenden Durchweichen die rote
Nase wie ein Brünnlein lief.
Mit Strupps Krankheit schien in gleichem Maße ihre
eiebe zu den Pflegekindern zu wachsen. Es war mit den
Zzänden zu greifen, daß sie am liebsten das Bett gehütet
ätte. Kaum aber rührte sich die Brut und schnatterte in
hrer bindischen Weise, so machte sie sich zum Ausgang fertig
ind folgte mit heijerzerrissenem Glucken, das wie eine zer—
orstene Blechglocke klang, den wilden Toberichen in das
gesundheitmordende Unwetter.
Eine neue Hitzewelle ging über das Land. Gras und
Kräuter spritzten förmlich aus dem regengesättigten Erdreich.
Am Sonntag nach Piingsten bonnte Fritzchen seine Schafe
pieder austreiben. In wenigen Stunden waren sie satt zum
Zersten, und schon lange vor Sonnenuntergang behrte er
eim. „Was werden die Entchen wohl auf dem abgetrockneten
dofe anfangen.“ Dieser Gedanke hatte ihn schon während
des Hütens geplagt. Beim Einzug in das Dorf peinigte
er ihn bis zur Unerträglichbkeit.
Die durstigen Schafe liefen gewohnheitsmäßig zum KRöhr⸗
rog, den ein Röhrbrunnen unaufhörlich mit frijchem Quell-
vasser speiste. Das überschießende Wasser floß in den Dorf-
eich, der nur in Seiten ungewöhnlicher Dürre eintrocknete
ind dann mit seinem gärenden Faulschlamm die ganze Um-
jegend verpestete. Die Regengüsse der Pfingstwoche hatten
hn bis zum Kande aufgefüllt, sodaß die mächtigen rohen
findlinge, die ihn ringförmig einrahmten, nur mit den dicken
Köpfen aus der tkrüben Flut guckten.
Fritzchen bemerkte bereits von ferne, wie ein stattlicher
Dogel von Steinkopf zu Steinkopf hüpfte und so den Teich
rufgeregt umbreiste. „Strupp“, schoß es ihm durch den Sinn.
Vie kam sie her? Was war ihr geschehen? Was hatte
ie vor? Er setzte sich in Trab und ging bald zum Lauf—
chritt über. Am Teich machte er pustend und schnaufend
Halt. Darauf war ein fröhlich lärmendes und zanbendes
ind spielendes Gewimmel von schwimmendem Gesjlügel.
Sänse- und Enteneltern mit ihrem junggrünen und bereits
edernden Gefolge. Mitten unter ihnen eine Gruppe ohne
führung und Begleitung: seine sechs Entelein. Was war
as für eine Schauenswonne, wie sie tauchten und gründelten
uind dabeĩ bunstgerecht die Stielzchen in die Höhe hoben
und zur Erhaltung des Gleichgewichts blitzschnell mit den
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