Die väterliche Wiese liegt am Kande eines weiten
Sumpfgebietes, in das sich ein träger Bach verliert. Fritzchen
band sich eine blaue Leinwandschürze vor, sammelte darin
die Steine und Holzstücke aus dem verstreuten Schuttdünger
und schleppte sie an den Weg auf einen Haufen. Don den
schweren Lasten und dem ungewohnten Bücken stach und
prickelte es ihm im Rücken, als ob einer mit Messern darin
bohre. Er richtete sich auf, um sich einmal tüchtig zu verpusten.
Wie schön doch heute die Welt war! Das vergilbte
Altgras lag wie mattes Gold in der Mittagssonne. Neben
den schwarzen Schuttklümpchen leuchteten smaragd-grüne
Hälmchen. Um ihn herum schwärmten und keiften die
Kiebitze. Er kannte alle ihre Verstellungsbünste, mit denen
sie den Anerfahrenen vom Neste ablocken, und machte sich
auf die Eiersuche. Nichts fand er als ein paar runde Lege-
stellen auf Erdhügelchen, die ein Schlauberger bereits aus-
geräubert hatte. Argerlich schickte er sich zum erneuten
Steinelesen an. Da zog eine Schnepfe mit geheimnisvollem
Schnarren ihre wunderlichen Kreise über dem Sumpfgelände,
und ebendaher ließ sich gemütlich verschlafenes Froschgequarre
bernehmen. „Ei was“, rief Fritzchen, warf die Schürze fort,
ließ die Steine Steine und die Disteln Disteln sein und
schlenderte zum Sumpfrande.
An den Weiden- und Erlensträuchern baumelten und
stäubten die von Insekten umjummten Kähztchen im sanften
WVindhauch. Aus den zahllosen Tümpeln blitzte und lochte
das Sonnengold.
Fritzchen sprang von Bülte zu Bülte, was eine gefähr—
liche Turnübung war; denn beim Ausgleiten wäre er un—
fehlbar, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, in den unergründ-
lichen Morast versunkben.
Seim Verschnaufen sah er in einem blaren Tümpel einen
prachtvollen Hecht unbeweglich stehen. Wenn man den mit
der Kiepe erwischte. Beim Laichen sind diese gewandten
Käuber ...
Brrre. Eine Ente stieg dicht vor seiner Nase zornig
quabend aus einer bebuschten Bülte auf, beschrieb mit schnellen,
pfeifenden Flügelschlägen einige Kreise in der Luft und ent—
schwand in der Ferne. Fast hätte ihn der erste Schreck ins
modrige Anglück gerissen.
Ein kühner Sprung, ein kurzes Schwanken und Schaubeln,
ein kräftiges Zufassen am Weidenbusch. Die Hände tun
Gräser und Binsen und Rohrhalme achtsam auseinander
wie die Schafwolle beim Sechensuchen. Da ist es. das
wundervolle Gelege, sechs Stück.
Schnell die Jacke herunter, ein Armel locker mit Gras
ausgestopft, und ein Ende mit einer Weidenrute verschnürt,
den köstlichen Fund behutsam hineinverstaut und in gefähr—
lichen Sprüngen zurück zum Sumpfrand.
Mun eiligst Disteln gestochen, bis die Kiepe randvooll ist
das Pieben in die unbewehrten Hände kut diesmal Laum
weh) und mit der unerwarteten Beute heimwärts.
Was aber nun? Die Eier roh austrinben? Man kennt
bereits den Eigengeschmack von vielerlei Eiersorten, von
Enteneiern noch nicht. Aber man ist gewitzigt. Im vorigen
Jahre das angebrütete Krähenei mit dem dicken Jungen,
das in der Kehle stecken blieb. Ber.... Oder einen Eier⸗
zuchen backen lassen? Was sind die paar Dinger für so viele.
Und die Großen eignen sich immer den Löwenanteil zu ...
Ha, das ist'sl Und Fritzchen kut einen Freudensprung, der
die Eier trotz bester Verpackung in große Gefahr bringt.
Daheim saß Strupp wie sonst auf dem Neste und schien
zin Nickerchen zu machen. Fritzchen gedachte den Meister⸗
dieb aus dem Märchen zu spielen, die Lehmeier unter dem
Leibe wegzustehlen und die Enkeneier dafür unterzuschieben.
Qurrr quarr grollte es aus dem Halbschlaf. Also Gewaltan⸗
vendung? Nicht zu machen. Noch brannten die Schnabel-
iebe auf der Hand. And gestörte Bruthennen verlassen
nanchmal ihr Gelege für immer. Der gewohnte Abend-
jang mußte bald fällig sein. Alsjo abwarten.
And richtig. Als die Dämmerung hereinbrach, wälzte
ich die Brüterin umständlich und vorsichtig aus dem Lager,
reitete mit dem Schnabel eine Hälmchenhülle über das
ßelege, um es gegen das Auskälten zu schützen, wackhelte
n den Stall hinaus, räbelte sich und vertiefte sich in den
ereitgestellten Futternapf. Geschwind tauschte Fritzchen die
auwarmen Lehmeier gegen den bostbaren Fund aus, breitete
orgsam die wärmende Schutzdecke darüber und bezog in
inigen Schritten Entfernung seinen Soeobachterposten.
Die gesättigte Brüterin stelzt zum Nest zurück und
hmiegt sich gemächlich hinein. Wittert die Gute Verrat?
Ddas ängstliche Füßewechseln, das mißtrauische Kopfverdrehen,
as scheltende Knurren und Gnurkjsen sind höchst verdächtig.
Hottlob, es ging gnädig ab. Da sitzt sie wie immer, zupft
enachbarte Halme an den halbnackten Leib, senkt das Haupt
und gibt sich der Nachtruhe hin.
Es bommen und gehen ahnungsbange, aufgeregte Tage
uind Wochen. Wenn die Glucke gerade spazieren geht,
‚blärt“ er von Zeit zu Seit die Eier. Ja, sie sind allesamt
efruchtet. Und beimhaftes Leben regt sich und wächst still
m Schutz der Schale, erwärmt von Schafmist und Hühner-
olut, der DVollendung entgegen.
Dier Wochen waren ins Land gegangen. Nach mensch-
ichem Ermessen mußte das große Ereignis unmittelbar
evorstehen. Da, eines Tages, als Fritzchen ein Ei dicht
ins Ohr legt, vernimmt er ein feines Ticken wie von einer
Taschenuhr in einer dicken Wollenweste. Am nächsten
Morgen ist das Picken schon weit lebhafter, doch an der
fierschale Leine Deränderung zu bemerben. Ach, wie öde
ind langweilig es heute in der Schule ist!
„Fritzchen“, jagte der Vater, der den Heimbehrenden an der
Hoftũr erwartete, „von heute an bannst du deine Schafe hũten.“
Der nüchterne, trockene Geschäftston schnitt ihm grimmig
n die Seele. Widerspruch war ausgeschlossen. Also schlang
er hastig sein Mittagsessen hinab, schulterte den bereitliegenden
EBkober auf, warf noch einen langen zärklichen Blick auf
ie still versonnene Glucke und zog gesenkten Hauptes mit
einer fröhlich blöbenden Herde zum Dorfe hinaus. Sonst
atte er sich wochenlang auf das einzig schöne Ereignis
gefreut, weit mehr wie auf die Weihnachtsbescherung oder
en Ferienanfang, und heute ... Mehr als billig für einen
juten Hirten hetzte und prügelte er die munter blöbenden
ind springenden und naschenden Schäflein, die im Genusse
es frischen Grüns und der himmlischen Freiheit schwelgten.
Zeinen Vogel, keine Blume würdigte er eines Blickes.
Mürrisch nörgelte er mit dem treuen Pitti, der ihm nichts
echt machen bonnte, mit der strahlenden Sonne, die nicht
om Flecke ging. Wie zäher Mehlbleister dehnte sich die
zeit. And erst zur Schummerstunde war nach uralter Schäfer-
itte der Heimtrieb erlaubt. Doch auch der längste und
edernste Tag findet sein Ende. Was war aber da im
5chafstall, der ganz im Dunkel schwamm, noch groß zu sehen.
Die Not verwandelte Fritzchen aus eĩnem vielgescholtenen
dangschläfer in einen Frühaufsteher. Schon ehe der Vater
eine Leute aus den Federn rief, machte er sich im Schafstall
u schaffen, obschon es hier nichts zu schaffen gab. Bei der
Fieruntersuchung entdeckte er Löchelchen von Stecknadelkbopf-
is Erbsengröße. Aus dem woitesten guckte neugierig ein
ichtiges schwärzliches Entenschnäbelein, das geschäftig hin—
und herwackelte