Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Die väterliche Wiese liegt am Kande eines weiten 
Sumpfgebietes, in das sich ein träger Bach verliert. Fritzchen 
band sich eine blaue Leinwandschürze vor, sammelte darin 
die Steine und Holzstücke aus dem verstreuten Schuttdünger 
und schleppte sie an den Weg auf einen Haufen. Don den 
schweren Lasten und dem ungewohnten Bücken stach und 
prickelte es ihm im Rücken, als ob einer mit Messern darin 
bohre. Er richtete sich auf, um sich einmal tüchtig zu verpusten. 
Wie schön doch heute die Welt war! Das vergilbte 
Altgras lag wie mattes Gold in der Mittagssonne. Neben 
den schwarzen Schuttklümpchen leuchteten smaragd-grüne 
Hälmchen. Um ihn herum schwärmten und keiften die 
Kiebitze. Er kannte alle ihre Verstellungsbünste, mit denen 
sie den Anerfahrenen vom Neste ablocken, und machte sich 
auf die Eiersuche. Nichts fand er als ein paar runde Lege- 
stellen auf Erdhügelchen, die ein Schlauberger bereits aus- 
geräubert hatte. Argerlich schickte er sich zum erneuten 
Steinelesen an. Da zog eine Schnepfe mit geheimnisvollem 
Schnarren ihre wunderlichen Kreise über dem Sumpfgelände, 
und ebendaher ließ sich gemütlich verschlafenes Froschgequarre 
bernehmen. „Ei was“, rief Fritzchen, warf die Schürze fort, 
ließ die Steine Steine und die Disteln Disteln sein und 
schlenderte zum Sumpfrande. 
An den Weiden- und Erlensträuchern baumelten und 
stäubten die von Insekten umjummten Kähztchen im sanften 
WVindhauch. Aus den zahllosen Tümpeln blitzte und lochte 
das Sonnengold. 
Fritzchen sprang von Bülte zu Bülte, was eine gefähr— 
liche Turnübung war; denn beim Ausgleiten wäre er un— 
fehlbar, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, in den unergründ- 
lichen Morast versunkben. 
Seim Verschnaufen sah er in einem blaren Tümpel einen 
prachtvollen Hecht unbeweglich stehen. Wenn man den mit 
der Kiepe erwischte. Beim Laichen sind diese gewandten 
Käuber ... 
Brrre. Eine Ente stieg dicht vor seiner Nase zornig 
quabend aus einer bebuschten Bülte auf, beschrieb mit schnellen, 
pfeifenden Flügelschlägen einige Kreise in der Luft und ent— 
schwand in der Ferne. Fast hätte ihn der erste Schreck ins 
modrige Anglück gerissen. 
Ein kühner Sprung, ein kurzes Schwanken und Schaubeln, 
ein kräftiges Zufassen am Weidenbusch. Die Hände tun 
Gräser und Binsen und Rohrhalme achtsam auseinander 
wie die Schafwolle beim Sechensuchen. Da ist es. das 
wundervolle Gelege, sechs Stück. 
Schnell die Jacke herunter, ein Armel locker mit Gras 
ausgestopft, und ein Ende mit einer Weidenrute verschnürt, 
den köstlichen Fund behutsam hineinverstaut und in gefähr— 
lichen Sprüngen zurück zum Sumpfrand. 
Mun eiligst Disteln gestochen, bis die Kiepe randvooll ist 
das Pieben in die unbewehrten Hände kut diesmal Laum 
weh) und mit der unerwarteten Beute heimwärts. 
Was aber nun? Die Eier roh austrinben? Man kennt 
bereits den Eigengeschmack von vielerlei Eiersorten, von 
Enteneiern noch nicht. Aber man ist gewitzigt. Im vorigen 
Jahre das angebrütete Krähenei mit dem dicken Jungen, 
das in der Kehle stecken blieb. Ber.... Oder einen Eier⸗ 
zuchen backen lassen? Was sind die paar Dinger für so viele. 
Und die Großen eignen sich immer den Löwenanteil zu ... 
Ha, das ist'sl Und Fritzchen kut einen Freudensprung, der 
die Eier trotz bester Verpackung in große Gefahr bringt. 
Daheim saß Strupp wie sonst auf dem Neste und schien 
zin Nickerchen zu machen. Fritzchen gedachte den Meister⸗ 
dieb aus dem Märchen zu spielen, die Lehmeier unter dem 
Leibe wegzustehlen und die Enkeneier dafür unterzuschieben. 
Qurrr quarr grollte es aus dem Halbschlaf. Also Gewaltan⸗ 
vendung? Nicht zu machen. Noch brannten die Schnabel- 
iebe auf der Hand. And gestörte Bruthennen verlassen 
nanchmal ihr Gelege für immer. Der gewohnte Abend- 
jang mußte bald fällig sein. Alsjo abwarten. 
And richtig. Als die Dämmerung hereinbrach, wälzte 
ich die Brüterin umständlich und vorsichtig aus dem Lager, 
reitete mit dem Schnabel eine Hälmchenhülle über das 
ßelege, um es gegen das Auskälten zu schützen, wackhelte 
n den Stall hinaus, räbelte sich und vertiefte sich in den 
ereitgestellten Futternapf. Geschwind tauschte Fritzchen die 
auwarmen Lehmeier gegen den bostbaren Fund aus, breitete 
orgsam die wärmende Schutzdecke darüber und bezog in 
inigen Schritten Entfernung seinen Soeobachterposten. 
Die gesättigte Brüterin stelzt zum Nest zurück und 
hmiegt sich gemächlich hinein. Wittert die Gute Verrat? 
Ddas ängstliche Füßewechseln, das mißtrauische Kopfverdrehen, 
as scheltende Knurren und Gnurkjsen sind höchst verdächtig. 
Hottlob, es ging gnädig ab. Da sitzt sie wie immer, zupft 
enachbarte Halme an den halbnackten Leib, senkt das Haupt 
und gibt sich der Nachtruhe hin. 
Es bommen und gehen ahnungsbange, aufgeregte Tage 
uind Wochen. Wenn die Glucke gerade spazieren geht, 
‚blärt“ er von Zeit zu Seit die Eier. Ja, sie sind allesamt 
efruchtet. Und beimhaftes Leben regt sich und wächst still 
m Schutz der Schale, erwärmt von Schafmist und Hühner- 
olut, der DVollendung entgegen. 
Dier Wochen waren ins Land gegangen. Nach mensch- 
ichem Ermessen mußte das große Ereignis unmittelbar 
evorstehen. Da, eines Tages, als Fritzchen ein Ei dicht 
ins Ohr legt, vernimmt er ein feines Ticken wie von einer 
Taschenuhr in einer dicken Wollenweste. Am nächsten 
Morgen ist das Picken schon weit lebhafter, doch an der 
fierschale Leine Deränderung zu bemerben. Ach, wie öde 
ind langweilig es heute in der Schule ist! 
„Fritzchen“, jagte der Vater, der den Heimbehrenden an der 
Hoftũr erwartete, „von heute an bannst du deine Schafe hũten.“ 
Der nüchterne, trockene Geschäftston schnitt ihm grimmig 
n die Seele. Widerspruch war ausgeschlossen. Also schlang 
er hastig sein Mittagsessen hinab, schulterte den bereitliegenden 
EBkober auf, warf noch einen langen zärklichen Blick auf 
ie still versonnene Glucke und zog gesenkten Hauptes mit 
einer fröhlich blöbenden Herde zum Dorfe hinaus. Sonst 
atte er sich wochenlang auf das einzig schöne Ereignis 
gefreut, weit mehr wie auf die Weihnachtsbescherung oder 
en Ferienanfang, und heute ... Mehr als billig für einen 
juten Hirten hetzte und prügelte er die munter blöbenden 
ind springenden und naschenden Schäflein, die im Genusse 
es frischen Grüns und der himmlischen Freiheit schwelgten. 
Zeinen Vogel, keine Blume würdigte er eines Blickes. 
Mürrisch nörgelte er mit dem treuen Pitti, der ihm nichts 
echt machen bonnte, mit der strahlenden Sonne, die nicht 
om Flecke ging. Wie zäher Mehlbleister dehnte sich die 
zeit. And erst zur Schummerstunde war nach uralter Schäfer- 
itte der Heimtrieb erlaubt. Doch auch der längste und 
edernste Tag findet sein Ende. Was war aber da im 
5chafstall, der ganz im Dunkel schwamm, noch groß zu sehen. 
Die Not verwandelte Fritzchen aus eĩnem vielgescholtenen 
dangschläfer in einen Frühaufsteher. Schon ehe der Vater 
eine Leute aus den Federn rief, machte er sich im Schafstall 
u schaffen, obschon es hier nichts zu schaffen gab. Bei der 
Fieruntersuchung entdeckte er Löchelchen von Stecknadelkbopf- 
is Erbsengröße. Aus dem woitesten guckte neugierig ein 
ichtiges schwärzliches Entenschnäbelein, das geschäftig hin— 
und herwackelte
	        
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