Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

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Heimat· Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
Ur. 3/ 1020 
Cescheinungsweisje Amal monatlich. Sezugspreis 1,20 Mb. im Vierteljahr. Frũhere 
Jahrgänge bönnen, soweit noch voreätig, vom Heimatschollen⸗Verlag nachbezogen werden 
J. Jahrgang 
Strupp õ Von Hermann Kölling. hn Sip— 
Eines Morgens, es war kurz vor Ostern, vernahm 
Fritzchen nicht das übliche Triumphgegacker. Bosorgt eilte 
er in den Derschlag. Strupp saß, wie einst in schweren 
Krankheitstagen, regungslos und in sich gebehrt im Neste 
Ach, ein Rüchfall. Aberanstrengung beim Legen der über- 
lebensgroßen Eier. Das ewige Mausern war doch wohl 
das An- und Vorzeichen eines tiefeingewurzelten Leidens. 
Edle Kührung übermannte ihn. Särtlich beugte er sich 
herab, um das treue, fleißige Tier zu streicheln. Schwapp 
ieraf ein wohlgezielter, derber Schnabelhieb die ausge- 
streckte Hand, daß Slut nachging. Die Federspieße richteten 
sich drohend empor, und ein grimmiges Knurren und Murksen 
ließ sich hören. 
Fritzchen war nicht der Mann, sich solcherlei Anart und 
Undankbaͤrbeit gefallen zu lassen. Mit sicherem Grisff um. 
jaßte er beide Flügel in der Leibesnähe und schleuderte die 
Kebellin in den Stall hinaus. Das wütende Gebeif der 
aljo Beförderten rührte ihn nicht im geringsten. Sieh mal 
einer. Im Nest war diesmal nur ein einziges Ei, das er 
gestern dringelassen hatte. Da war die Sünderin schon 
wieder, pflanzte sich frech auf den alten Fleck, fuchtelte mit den 
Flügeln, funkelte mit den großen Augen und gnurrte und 
gurgelte in unheimlichen Tönen. Da ging ihm ein Licht 
qauf. „Die gluckt“, murmelte er, „ist doch noch viel zu früh. 
Wird wohl australische Mode sein. Was will das werden? 
And was ist zu tun?“ 
Den ganzen Tag wandelte er wie ein Träumender. 
Zum Weiterlegen zwingen? Anmöglich, wie die Erfahrung 
lehrt. Fremde Eier unterlegen? Ausgeschlossen bei diesem 
Federbleid. Die Sache einjfach laufen lassen? Dann wird 
das unbefruchtete Ei bald faul, puh, und verstänkert den 
ganzen Stall. Und ohne Eiunterlage sitzt auch das brut- 
ürftigste Huhn nicht gern. .. Erst im Einschlafen kam ihm 
in erlösender Einfall. 
Die Osterferien hatten eben angefangen. Während der 
Schulzeit war das Spielen sowieso zu kurz gekommen. Und 
nucht umsonst hatte man ihm den Spitznamen Klebetitt ange- 
ãngt. Denn die hohe Kunst, die Arche Noäh mit allem 
Drin und Drumherum herzustellen, übte er, um nur ein 
Zeispiel zu nennen, mit vollendeter Meisterschaft aus. Also 
ührte er sich einen steifen Lehmbrei ein, formte daraus 
munstgerecht Hühnereier von der Größe und Gestalt des 
Strupp'schen, übermalte sie mit Kalkmilch und schob sie der 
Brũterin trotz allen Sträubens und Aufplusterns und Gnurrens 
istig unter. Das echte Ei nahm er an sich. 
Das Tier war völlig betäubt von seiner blinden Brüte- 
vut. Tag und Nacht hockte es auf den Lehmgebilden, als 
volle es ein neues, unerhörtes Hühnergeschlecht zeugen. 
Zaum gönnte es sich die Seit, die steifgewordenen Füße zu 
ertreten. Dennoch: Die gewiß pfiffige Lösung einer 
niffligen Aufgabe befriedigte Fritzchen durchaus nicht. 
ʒobiel Liebe, Treue und Hingebung um ein Nichts an tote 
Hinge verschwendet zu sehen, das war unnatürlich und 
inmenschlich. 
„Fritzchen“, sagte eines wunderschönen Tages der Vater, 
du hast jetzt Ferien, und da bannst du die Steine von der 
Vieje ablejen.“ — „And eine Kiepe voll Disteln für die 
Schweine bringst du auch gleich mit“, fügte die Schwester hinzu. 
Hei, das klang wie himmlische Musik. Endlich mal fern 
ius dem muffigen Schafstall und dem engen Hof und den 
ausend Plackereien der Alltagsarbeit. Er schulterte also 
zine Kiepe auf und trabte trällernd zum Dorf hinaus.
	        
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