Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Ende der Ofenbank neben dem Kamin und pachkte sach- 
verständig Kienspäne auf ein brennendes Scheiterhäufchen. 
Die Flammen züngelten. Das Kienharz knisterte. Wabernde 
Lichtwellen fluteten in den Kaum. Die Spinnräder schnuerten. 
Die Spinnerinnen plapperten. 
Fritzchen vertiefte sich in das unruhige Flammenspiel und 
horchte zugleich angespannt in das anschwellende Geschnatter. 
Die Dorfneuigkeiten wurden ausgiebig durchgehechelt. Ha, 
nun Lam es ... 
Lang und breit erzählte die Schwester von der heutigen 
Hühnerjagd. Auf den blühenden Gesichtern spielten um 
die Wette mit den gespenstisch wabernden Kienspanlichtern 
Erstaunen, Furcht und Schrecken. Die Bauernmädels waren 
allesamt sachverständig in Hühnerzucht, also auch in Hühner- 
krankheiten. Und davon wußte jedwede einige grausliche 
Geschichten. Den Vogel schoß ein Mädchen aus der Fremde 
ab, die vor Jahren auf einem großen Gute diente und das 
Geflügel zu betreuen hatte. Dort hätte sie einmal ein ganz 
struppiges Huhn gesehen und sich gar nichts dabei gedacht. 
Don ihm wären alle anderen Hühner angesteckt worden und 
nach kurzer Krankheit brepiert, alle. Selbst die armen Tage⸗— 
löhner wären von dem Anglück nicht verschont geblieben. 
Keiner wußte, woher die Krankheit kam. Einige meinten, 
herumstreunende Sigeuner, die vom Gutshof weggeprügelt 
wurden, hätten aus Kache das arme Dieh behext. Andere 
behaupteten, die Krankheit käme aus heiler Haut, noch andere, 
es flögen böse Gespensterchen in der Luft herum und setztken 
sich bei nassem Wetter auf die schlafenden Tiere. Und noch 
bieles, das man glauben bann, wurde erzählt. Der Tier— 
arzt hielt einen langen und gelehrlen Vortrag, von dem beiner 
was verstand. Auf seine Anordnung wurden alle Hühner— 
leichon in ein tiefes Loch verscharrt und vorher mit ungelöschtem 
Kalk bestreut., die Hühnerställe ausgemistet, reingescheueet 
und ausgeschwefelt. Und das half. Er sagte auch noch, 
das Übel müsse gleich am Anfang ausgerottet werden ... 
Fritzchen türmte hastig Kienspan auf Kienspan. Die 
knisternden Flammen lohten in den Schornstein. als sollten 
sie einen ganzen Ochsen braten. 
Das lustige Mädchenvölbchen fühlte sich bedrückt von den 
naahenden Schrecken der Hühnerseuche. Das Gespräch ebbte 
ab. Die Plappermäulchen standen endlich still. Nur die 
Spinnräder surrten nervös. „Ach was“, rief ein lockerer 
Aus q 
Landwehren um Allendorf⸗Sooden. 
VODon M. O. Johannes. 
In Nummer 1 des 4. Jahrganges dieser Blätter habe ich 
ũboer die vorgeschichtlichen Besfestigungen der hiesigen Gegend be— 
richtet. Ich ergãnze heute das dort über die Landwehren Gesagte 
nach inzwischen stattgehabter Beobachtung und Überlegung. 
Landwehren sind eines der häufigsten und emfachsten unter 
den alten Befestigungsmitteln. Wir begegnen ihnen in ungeheuren 
Erstreckungen als Grenzen zwischen Ländern, aber auch in be— 
schränkterem Umfange zum Schutze eines örtlichen Gebietes. So 
unscheinbar, oft baum noch zu erbennen, wie sie uns heute entgegen- 
treten, so zweckmäßig mögen sie in ihren einstigen Formen und 
jũr ihre Seit, vielleicht mit Holzbauten verstärkt und durch Dorn- 
verhaue bewehet, gewesen sem. 
Die bostbaren Salzquellen von Sooden bedurften besonderer 
Sicherung schon von Urzeiten an. Die Natur sorgte bereits durch 
Gebirgswälle zu beiden Seiten des Werratales mit ihren Wäldern 
jũr einen gewissen Schutz. Durch die Stützpunkte burgartiger 
Befostigungen auf diesen Höhen verstärkte der Mensch diesen 
gatürlichen Schutz. Empfindliche Stellen blieben nur die offenen 
Flußauen talauf und talab. Und hier seßte nun die Aufgabe der 
Landwehren ein. 
Gehen wir vom Steintor in Allendorf die Straße nach Roke⸗ 
stein hinaus, die sich über eine alte Flußterrasse hinzieht, so breuzen 
ʒeisig, stellte das Spinnrad in eĩne Ecke und die Holzpantoffeln 
aneben und zog die Jacke und die Strümpfe aus. Die 
Anderen folgten ihrem Beispiel und schickten sich zum Tanze an. 
Fritzchen, der als Musikant berühmt war, bebam seine 
ʒiehharmonika in die Hände gedrückt. Sein ungewohntes 
eftiges Sträuben half ihm nichts. Was hatte der Junge 
uur heute? Er verlor beständig den Faden, fiel aus dem 
Takte, burzum. machte eine Katzenmusik, mit der auch die 
villigsten und flinksten Mädchenfüße nichts anzufangen wußten. 
Das Schelten verschlimmerte nur das Übel, und verdrießlich 
nachte man sich vorzeitig auf den Heimweg. 
Das Simmer war menschenleer bis auf Fritzchen, der 
inster brütend in der Ofenecke hockte. So fand ihn die 
Mutter, die vor dem Schlafengehen noch einmal nach dem 
Kechten sah. Nach einigem Hin und Her gab es ein langes 
Bebenntnis mit flehentlichen Bitten und Beschwörungen und 
dicken Tränen. 
Am nächsten Morgen wurde der Fall gründlich unter— 
ucht. Man fand weder Hühnerläuse noch Anzeichen von 
Käude, noch sonst irgend etwas Verdächtiges und Gefährliches. 
Sengel, wo hast du denn den Strupp her“, polterte der 
zroße Bruder, der anderen gerne Spitznamen anhängte. 
fritzchen jchwieg hartnäckig. „Die ist nicht von hier“, war 
as allgemeine Schlußurteil. Die dörfliche Aufregung legte 
ich so schnell, wie sie gekommen war, und Strupp bonnte 
ich in Frieden dem Eierlegen widmen. 
Darin bewies sie eine wahrhaft tropische Fruchtbarbeit. 
Jeden Tag ein Ei, und was für eins. Sie wurden besonders 
jesammelt und erfreuten sich bei Dudelack eines Extralobes 
ind einer Extrabezahlung. Ihre Herbunft wurde weislich 
erschwiegen. „Die werden als echte NAusländer weiter 
erkauft, Gevaltern“, flüsterte der Eiermann der Mutter 
chmunzelnd ins Ohr. And wirblich stand nach einigen Tagen 
m Kreisblättchen eine dicke Anzeige, wonach eben eine 
Sendung Bruteier angekommen sei. Cochinchina. Garantiert 
»cht und frisch. Su haben bei Dudelack, Geflügelhändler 
ꝛn gros. Beim Lesen kickerte Fritzchen in sich hinein. Woher 
die Eier stammten, das wußte außer ihm und der Mutter 
nemand auf der Welt. Daß Cochinchina nicht in Australien 
ag, wußte der pfiffige Dudelack schwerlich. Daß bein einziges 
—A 
par. das brauchten die Käufer nicht zu wissen. (Forts. folgt.) 
ter Seit. 
wie nach Überschreitung der sog. „Großen Höh“ einen Graben, 
her, nur in nassen Seiten Wasser führend, aus dem Ausbachtale 
»erauskommt und in Gestalt eines mit alten Kirschbäumen besetzten 
Doppelwalles durch die Wiesen und das Aberschwemmungsgebiet 
zur Werra verläuft. Er heißt „Lampertscher Graben“, und in 
einem Namen entdecken wir alobald auf dem Wege über Lampert, 
damfer eie Verstümmelung von „Landwehr“, wie sie auch aus 
inderen Gegenden belegt ist. Wir haben also hier den rechts- 
iferigen Te der Landwehr vor uns, die die Flußaue, in diesem 
Jall' nach Osten, im großen und ganzen nach Süden abriegelt 
j. Sbize: 1). Der Bau dieses „Lampertschen Grabens“ ist typisch 
ür die hiesigen Landwehren. Er besteht aus einem doppelten 
Valle, dessen Krone ũüber Hochwassergrenze liegt, und in dessen 
Mitte ein Sächlein fließt, jofern der Sufluß aus den Bergen dazu 
hinreicht. Von der rechtsuferigen Höhe herunter grüßt der Klaus— 
zerg, dessen umwallter Wartturm mit seiner bevorzugten Aussicht 
zinen uralten Beobachtungsposten bennzeichnet. 
Gegenüũber diesen Landwehr-Abschnitte auf dem linken Ufer 
cheint eine bũnstliche Befestigung ũberflüssig, da hier der vor— 
pringende Kücken des Hirschenberges das Tal genugsam nach 
Sũden abschließt. Trotzdem hat sich auch hier eine Landwehr be— 
unden, wie der in der Gegend von 2. Sbizze) vorhandene Flur- 
ame „An der Landwehr“ beweist. Straßen- und Bahnbau haben 
hier das ursprüngliche Gelände stark in Mitleidenschaft gezogen. 
Inwiefern die vorhandenen, angedeuteten Gräben und Hohlwege
	        
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