oerheilt, blaßrosa. Hals lang, kahl, der Kropf verdickt sich
ichtbarlich beim Fressen von unten her. Kumpf (hier stockte
er), ja viel kräftiger als beim gewöhnlichen Bauernhuhn,
ja stärber als beim größten Hahn im Dorfe. Aber die
Bedeckung (und hier fiel er ganz aus der Kolle). Federn
wie starre, am Ende zersplissene Spieße. Farbe grau, nein
gelblich, nein überhaupt nicht zu bestimmen. In den Bürzel ver⸗
einzelt hineingesteckt wie Stopfnadeln in ein Nähkissen. Von
einem Schwanz gar kbeine Kede. Ach die vielen federlosen
Stellen. Mit großen bläulichen Pusteln wie von Hügelchen
überlagert. Wenn man sie sich ins Kiesenhafte vergrößert
dächte (hier fing er an zu phantasieren, was in der Schul-
naturgeschichte niemals vorkam und vorkommen durfte), dann
hatte man einfach die berühmten Blauen Berge in Australien,
die vor kurzem in der Erdkunde drangewesen waren. Glied-
naßen (hiermit behrete er zur richtigen Naturgeschichte zurück),
i) Flügel halbnackt. Die paar Schwungfedern struppig.
Zum Fliegen nicht zu gebrauchen. Nichtmal zum Flattern.
Höchstens zum Schwunggeben beim Laufen wie beim Strauß.
b) Beine sehr bräftig. Keine Federhosen an. Sogar Ober⸗
schenbel nackt und bloß. Dreĩ Sehen nach vorn, eine nach
hinten, wie gewöhnlich, aber ungewöhnlich die langen, ein-
wärts verbogenen Krallen. Daher wohl der Wackelgang.
VDermehrung — nun, man wird ja sehen. UÜbrigens war
der Napf leer, und die Beschriebene behrte holpernd in ihr
Nest zurück, um sich zufrieden quarrend der Verdauung hin-
zugeben. Der erste Ausgang war geglückt und ließ
Größeres hoffen.
Seine Blicke und Gedanken behrten wieder und wieder
zu den kahlen Hautstellen zurück. „Mausern im Februar“,
'o spann er in sich hinein, „das ist doch urkomisch. Aber
oielleicht hat Dudelack diesmal doch nicht geschwindelt.
Südlich vom Aquator haben die Leute entgegengesetzte
Jahreszeiten von uns. Und Australien mit den Blauen
Bergen liegt tkief unten auf der südlichen Halbkugel. Und
da leben lauter merkwürdige Tiere, die es sonst nirgends
auf der Welt gibt. So stark rauhen auch unsere Hühner
nicht. Höchstens die Schwerkranken. Aber der Patient
ist gottlob auf dem Wege der Besserung. Da müssen die
Federn wiederkommen. And ein märchenschönes Gejieder
sollen manche australischen Dögel haben. Da ist der
Paradiesvogel. Weiß man denn, ob nicht gerade dieser
hier einer ist? Einem gerupften Hahn sieht auch bein
Mensch seine Federpracht an. Warten wir's ruhig ab ...“
And Fritzchen wartete und wartete. Aber die Blauen
Borge und die starren Federspieße darauf, die so seltsam
varen wie die schattenlosen australischen Bäume, blieben
unverändert. Sollte diese DVogelart so von Natur beschaffen
sein? Möglich! Oder sollte gar eine böse Hautbrankheit
im Spiele sein? Da war sein schnurriger Onbel Christian.
Der hatte von den Soldaten eine speckglänzende Glatze
und ein pustelübersätes Gesicht mitgebracht. Er war Stamm-
gast beim Doktor und Apotheber des nahen Städktchens,
und jeder von ihnen versprach ihm unermüdlich einen
lippigen Haarwuchs und verschrieb ihm immer neue Wässer
und Salben und Pomaden, die er in einen Geheimschranb
—
liche Drogenniederlage, deren gemischte Gerüche die Nase
schärfer und eigentümlicher bitzelten als der darin gewiß
nicht zu verachtende Schafmist. Fritzchen war Onbel Christians
erklärter Liebling. Er war das einzige irdische Wesen,
das beinahe glaubte, die militärischen Aufschneidereien und
EFijenfressereien des maulheldischen Onbels wären wirblich
wahr, der Haarschwund und die Pusteln kämen vom Helm-
deüchen und das Einschmiersel wirle Wunder dagegen.
Aljo verjuchte er am Vogelleib Fläschchen auf Fläschchen,
Züchschen auf Büchschen, Pomadenstange auf Pomaden-
tange. Davon erstrahlten die Blauen Berge und die
Ffederspieße im höchsten, reinsten Fettglanz; aber der Feder—
yaldwuchs blieb aus.
Im übrigen gedieh die Fremde ganz vortrefflich an
deib und Seele. Das Mattrosa des Kammes färbte sich
im in Purpurrot. Am ganzen Leibe enhlwickelten sich
v»olligrunde Fettpolster. Kein Wunder bei diesem Mppetit.
zie hoben die Blauen Berge empor, wie unterirdische
Hewalten die Gebirge der Erde auftfürmen.
Auf Anordnung des Daters saß Fritzchen jeden Tag
ingere Seit an der offenen Stalltür (der guten Beleuchtung
vegen). In seinem Schoße lag mit zusammengebundenen
Seinen ein Schaf. Es war ein gesegnetes Tälen“)jahr,
vie es nur selten vorkommt. Fritzchen faltete mit wohl⸗
eübter Hand hübsch der Keihe nach die dichten Wollen-
ũschel auseinander. Wenn der scharfe Adlerblick auf der
loßen Haut einen linsenartigen braunen Körper erspähte,
ann wurde er mit spitzen Fingern sicher gepackt, auf einen
lutigen Opferstein gelegt, der zur Seite lag, und mit einem
»olzpantoffel zermalmt. Das mag als eine nicht gerade
ppetitliche, vor allem langweilige Beschäftigung gelten, wie
ꝛder Kenner versichert. In diesem Falle aber war für
Ablenkung und Belustigung reichlich gesorgt. Ehe sich
fritzchen ans Werk machte, öffnete er die Tür zum Ver—
chlag. Die Fremde kbam, vom breiten Lichtstreifen an-
elockt, herausspaziert. Nach einigem Lustwandeln im Stalle
egab sie sich in die Krippe. Die Körnerausbeute war nur
jering und lohnte die Mühe des Suchens kaum. Darum
jeß sie sich auf den Stallmist herab und hub an zu scharren.
hei, wie sausten die langen, kräftigen Beine schräg nach
echts und links hinten; wie flogen die Schafsrosinen und
diefernnadeln und Moosstũckchen und Heidelbeer- und Heide⸗
rautstrünke umher, nicht selten den Schafen in die zwinkern-
en Augen. Bald hüpfte sie auf die geduldigen Wollen-
räger, die sich vom Fressjen ausruhten und gedanbkenvoll
iederbäuten. Die gutmütigen Geschöpfe waren Hühner-
esuch gewöhnt und hatten nichts gegen Spaziergänge auf
hrem dicken Fell einzuwenden. Nach einiger Seit fiel es
fritzchen auf, daß die Lämmer von der Fremden für ihre
5prung- und Kletterbünste bevorzugt wurden. Sie unter-
uchte auch ihre noch kurze Wolle und pickte und pickte.
die Lämmer ließen es willig geschehen und bogen den
Zücken mit wohligem Behagen unter den sanften Schnabel-
ieben. Fritzchen schlich neugierig näher, äugte und staunte.
Auch die Lämmerchen waren mit Täbken übervölbert. UAnd
eder Schnabelhieb beförderte einen Quälgeist in den uner-
zründlichen Kropf. „In das Wolldickicht der Alten bann
ie nicht hineindeingen. So klug sind die meisten Menschen
nicht“, dachte Frißchen bewundernd. Nun, das war will—
ommene Hilfe.
Die schöne Witterung schlug um zu richtigem Dreck-
petter. Die Fremde wagte sich einige Male aus dem
edrückenden Dunkel des Hintergrundes bis zur Schwelle
der offenen Stalltür. Die eisbalten, windgepeitschten Kegen-
trähnen sausten erbarmungslos auf die nackte Haut hernieder.
Ddie Blauen Berge und die Täler und Ebenen ringsum
jefen tiefblau an. Der ganze Körper wurde von einem
eftigen Schauer geschüttelt. Das Tier zog sich in die
barme Sone zurück. „Da sieht man's deutlich“, dachte
fritzchen, dem das Durchweichen bis auf die Haut und in
eder Jahreszeit nur ein Spaß war, „daß sie ein echter
Tropenbewohner ist. Onbel Christian. der Gardemann in
*y JZecken.