Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

hielt es aber des Andenbens wegen nicht für geraten, den 
Klügeren zu spielen. „Was gibst du mir dafür?“ 
Fritzchen faßte unwillkürlich in die Hosentasche, holte 
aber nichts heraus als Getreidekörner, Lupinenschalen und 
was sonst beim Schäfereibetrieb hineingerät. 
„Euren großen Ochsen ist das Wundertier mindestens 
wert. Aber woeil du's bist, will ich schon mit einem fetten 
Hammel zufrieden sein. Paß mal auf, wenn du erst groß 
und ein richtiger Bauer bist, hole ich ihn. Abgemacht.“ 
And wirkblich langte Dudelack das Wundertier aus dem 
Kasten. Fritzchen blemmte es unter die Jacke und trabte 
spornstreichs in den Schafstall. Durch das dünne Leinwand- 
hemd blopften sich zwei Herzen entgegen. 
Eine Stallecke war durch einen Bretterverschlag abge⸗ 
krennt. Dahinter fanden die hochträchtigen Mutterschafe 
Unterkunft. Augenblicklich war der Kaum nur bewohnt von 
einer Schibbe, die ihren neugeborenen Spätling zärtlich be— 
mutterte, beleckte und zum Trinken aus dem prallen Euter 
anlernte. (Die übrigen Lämmer erblickten bereits um Weih— 
nachten das Licht der Welt.) Hier wühlte Fritzchen geschwind 
ein nestartiges Loch in den warmen Schafmist und sektzte 
hehutsam das bibbernde Geschöpf hinein. 
Dreschflegelgeblapper rief ihn dringend in die Scheune, 
wo er bis zum letzten Tagesscheine aushalten mußte. 
Nach der Abendsuppe, als die älteren Geschwister sich 
zur Spinnte putzten und die Eltern zum Schlafengehen 
rũsteten, schlich Fritzchen über den verödeten Hof in die 
Scheune. Hier standen Säcke voll frischgedroschenen Weizens. 
Davon füllte er sich die Hosentaschen. Vor dem leeren 
Hundestall wußte er einen blechernen Futternapf, in den er 
reichlich Weizen kat, und aus der Käche stibitzte er einen 
Telier, in den er Wasser aus dem Hofbrunnen pumpte. So 
ausgerüstet begab er sich ohne Anstoß — er war ein wohl⸗ 
geübter Nachtgänger — zu seinem Schützling. Er erkastete 
und betastete ihn mit äußerster Vorsicht. Das Tier befand 
sich offenbar noch in der gleichen Lage, wie er es verlassen 
hatte. Die nackten Hautstellen fühlten sich bedenklich kühl 
an. Er legte das Ohr an den Körper und achtete nicht 
des scharfen Geruches vom Schafmist, der ihm in der Nase 
prichelte, daß er niesen mußte. Ja, das Herz blopfte noch, 
wenn auch gedämpft und träge. Und ein gequälter, quarrender 
Laut kam wie aus einer fernen, fremden Welt. „Laß mich 
sterben“, deutete ihn Fritzchen gerührten Gemüts. „Bäh“ 
tönte dicht neben ihm lang und hell eine Schafstimme. Und 
„bäh, bäh“ echote es schlaftrunken, wie zum Hohne, von 
enseits der Bretterwand in die rabenschwarze Dunkelheit. 
Fritzchen verjagte ärgerlich den aufdringlichen Störenfried, an 
den er in seinem Eifer und in seiner Sorge gar nicht gedacht 
hatte, und schob die beiden Gefäße hart vor den Schnabel 
der Schwerbranken. Aus vielfacher Erfahrung bannte er die 
wunderbare Witterung mancher Tiere für Speis und Trankb 
jelbst in stichdunkler Nacht. And bekümmert broch er in 
die Federn. 
Am WMocrgen fand er die Krankbe in der alten Lage. 
Die Augen waren geschlossen und der Schnabel stand jsperr⸗ 
angelweit offen. Als er liebkosend mit der Hand über 
den Leib glitt, vernahm er entzückt die gleichen Quarelaute 
wie gestern. Sie lebte. Und der Futternapf war loeer. 
Das ließ tief blichken. Manche fremdländischen Geschöpfe 
haben so seltsame Lebensgewohnheiten ... Ein zärklicher 
Pusjf gab seinen Betrachtungen eine andere Kichtung. Das 
Mutterschaf beschnüffelte seine Hände, untersuchte schnopernd 
den Futternapf und hob bittend die sanften Augen zu ihm 
auf. „Ach, ich Kiesenschaf“, dachte Fritzchen in plötzlicher 
Frleuchtung, „na warte. dir will ich den Brotkorb höher 
»ängen“. And ohne viel Federlesens schob er die Näscherin 
amt ihrem Lämmlein zu ihren Genossen ab. 
Nach der Schule, als die Familie um den Mittagstisch 
aß und die Luft rein war, füllte er die beiden Näpfe von 
ieuem auf. Der weoitoffene Schnabel ließ auf großen Durst 
chließen. Und der Hunger bonnte baum geringer sein. Also 
ielt er abwechselnd die Gefäße der Kranben dicht vor den 
Zchnabel. Vergebens. „Da muß man eben nachhelfen“, 
eummelte verdrießlich Fritzchen, der des öfteren beim 
Hänsenudeln geholfen hatte. Er sog ein hohles Strohhalm- 
zlied voll Wasser, pumpte auch den Mund halbvoll und 
ustete den ganzen Segen dem Tiere in den hochgehobenen 
Schnabel. Es gluckste und gurgelte und strampelte ein wenig, 
chluckte aber tapfer. Nun schnell Weizenkörner nach. Auch 
je wurden angenommen. „So, nun wird's gehen“, dachte 
fritzchen und hielt wiederum den Wassernapf der Kranken 
inter den Schnabel. Kichtigl Sie trank und trankb uner— 
ättlich nach Hühnerweise, als hätte sie eine lange Wüsten- 
eije hinter sich. Und darauf reichte er den Freßnapf dar, 
ind sie pickte und pickte gierig, daß kein Brosamen übrig 
»lieb. Ihr Glucksen und Quarren klang wie heißer Danb. 
Sie zog halb die Nickhaut hoch und schien ihren Wohltäter 
nnig anzublicken. Nur schade, daß sie beine Hände hatte, 
im die seinen gerührt drücken zu können. Darauf sank sie 
in die alte Lage zurück. Der Patient war gerettet. 
Die Genesende entwickelte in der Folge, wie es auch 
»ei Menschen vorbommt, einen überirdischen Appetit. Fritz- 
hen befriedigte ihn restlos. Derwunderlich blieb nur, daß 
ie trotz des offenbaren Kräftewachstums ihr Nest nicht ver- 
assen wollte. Doch auch das bommt bei MWenschen vor. 
Mur nicht zu früh aufstehen“, hörte er den Doktor sagen, 
ils er wegen Masern das Bett hüten mußte und das Schule— 
chwänzen ihm noch Spaß machte. „Aber das wollen wir 
ichon briegen“, fügte er entschlossen hinzu. 
Eines Mitktags guckte die helle Februarsonne zum erstenmal 
nach langen grauen Wochen strahlend durch die offene Tür 
des Schafstalls hinein und überflutete ihn mit goldigen 
Flecken und funkelnden Lichtern bis in den Verschlag. 
Fritzchen stellte den gefüllten Futternapf einige Schritte 
bor dem Huhn auf eine hellbeleuchtete Stelle und zog sich 
etwas zurück. Fremdlinge sind oft scheu und schüchtern. 
Puttputt“, lockte er schmeichlerisch, wie man's mit gemeinen 
hũhneen zu tun pflegt. „Quurrquarr“, antwortete die Fremde 
n ihrer seltjamen Sprache, streckte den Hals lang, zog ihn 
aber wieder ein, als sie nichts zu schnabulieren fand. 
Fritzchen bestreute die Strecke zwischen Napf und Nest 
nit Körnern, zog sich auf seinen Boobachtungsposten zurück 
uind lockte noch schmeichlerischer als zuvor. Das Huhn 
ꝛepickte alle Körner, die es im Sitzen erreichen bonnte, 
lickte mit begehrlich blitzenden Augen den Körnerweg ent— 
ang und quurrete ärgerlich und aufgeregt. Plötzlich fuchtelte 
es mit den halbnackten Flügeln in der Luft herum, wackelte 
nit dem Körper hin und her und wälzte sich aus der Tiefe 
es Nestes heraus. Bald hockend, bald stehend, bald un— 
ʒehilflich torkelnd, immer pickend, folgte es der Körnerspur 
»is an den vollen Futternapf und machte sich gierig an 
eine Entleerung. Fritzchen hatte ihn blüglich als Krönung 
iuf ein Düngerhäufchen gestellt. Darum mußte die Schmau—⸗ 
erin stehen und konnte, vom Sonnenlicht bestrahlt, in Lebens- 
größe betrachtet und bewundert werden. 
Fritzchen tat das ausgiebig nach der Gliederung, die er 
vie das Abe aus der NMaturgeschichtsstunde auswendig 
vußte. Kopf dick, Schnabel gleichfalls und etwas ver— 
»ogen. Augen braun, groß, so klug blichend wie Men— 
chenaugen. Kamm bklein, schief, wie zerhackt und schlecht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.