Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Konnte man doch da die Eisenbahn sehen, mit der ich allerdings erst in 
meinem 14. SEebensjahr zum ersteninal fahren durfte. Am jenseitigen 
Abhange des Hohenzuges nach dem Haungtal zu liegt der Or⸗ 
Hols hem, ein verschwiegen stilles Dörfchen, das für mich noch heut. 
sunmer einen eigenen Sauber hat. Mag sein, daß die Jugend-⸗ 
erinnerungen die Ursache sind, denn es sesselte mich schon immer 
als Kind der hohe Turm, der noch jetzt ũüber die Häuser des 
Dorfes hinwegragt und weit in den Haungrund hineinschaut. Auf 
meine immer wiederkehrende Frage an meinen Dater, warum 
eigentlich der Turm da sei, erhielt ich zur Antwort, daß dort vor 
Zeiten ein adliges Rittergeschlecht gewohnt habe. Noch mehr 
fesselte mich die Erzählung von dem in den Turm eingemauerten 
Kinde, damit letzterer besser halten sollte, die in der Gegend über⸗ 
ali bekannt war Nicht hälte ich mir als einfacher Dorfjunge damals 
fräumen lassen, daß ich später einmal über die Geschicke und Ge— 
jchichte des Dorfes, seines alten Schloses und seiner Bewohner bel 
der geschichtlichen Erforschung meiner Heimat mehr erfahren wũrde. 
Wenn der Vater damals auch nicht meine Wißbegierde ganz 
zu befriedigen vermochte, so hatte er doch darin recht, daß Holz 
heim einstmals der Sitz der von Romrod, eines alten hossischen 
Adelsgejchlechtes war, von dem es allerdings mehrere Linien gab. 
Die von Komrod waren neben denen von Buchenau die reichsten 
und angesehensten Ritter in der ganzen Gegend. 
Sie bejaßen das Holzheimer Schloß mit allen Gütern und 
Kechten als Mannlehen, von denen sie, wie es im Hersfeldischen 
und Fuldischen Sitte war, Kitterdienste leisten mußten. Auf der 
hnen verliehenen Hofstatt“ in Holzheim hatten sie sich mit Ein 
willigung ihres Lehnsherrn eine‚ Kemnate“ (festes Haus) gebaut. 
Nach den von mir aufgefundenen Lehnsbriefen (1056. 1411, 1401 
1501, 1506) sollte die Sehausung mit aller Subehör ihr und 
ihrer Erben Haus sein, bleiben und ihnen allein gehören“, Der 
Sandgraf behielt sich nur das Kecht vor, gegebenenfalls bei einem 
Aufsenthalt in jener Gegend, Wohnung im Schlosse zu nehmen, 
aber ohne dadurch den von Romrod und ihren Erben irgend einen 
Schaden zuzufũgen. Er war deshalb auch verpflichet, während der 
Seit seines dorsigen Aufenthaltes Gesinde und Knechte, Pförtner 
Torhüter und Wächter zu belohnen und zu verköstigen. 
Im 13. und 14. Jahrhundert war der Keichtum des Kom— 
rodichen Geschlechtes so groß, daß man sich heutzutage nur an⸗ 
nãhernd eine Vorstellung davon machen bann. Er bestand weniger 
in Geid als der Sitte der Seit entsprechend in ungeheurem Grund-⸗ 
besihe. Saämtliche Güter in Holzheim und Stärbklos waren ihr eigen. 
In dem nahe gelegenen Dorfe Kruspis hatten sie allerdings nur 
das Patronatorecht. das aber schon im 16. Jahrhundert von Hoesen 
ausgeũbt wurde. Der letztere Ort nimmt überhaupt eine Sonder⸗ 
stellung unter den Dörfern der Umgebung ein. Die Bewohner 
waren im 18. Jahrhundert frei von allen Frondiensten (eine 
Seltenheit), und fämtiiche Güter waren Pfarrlehen. Die dortige 
Pfarrbirche war der hl. Maria geweiht. Frũher müssen jedoch die 
bon Komrod auch in Kruspis Besitzungen gehabt haben; denn im 
Lehnobrief vom 15. April 1580 werden auch das Kirchlehen, ein 
Frühmeßgut und eine VDibarei des hl. Sebastianaltars als ihnen 
zugehörig aufgeführt. In allen Dörfern des Haunatals: Neubirchen, 
Koͤthenkirchen, Odensachsen, Ober- und „Niederhauna“, Maberzell, 
Nãst, Großdenbach, Hünfeld bis tief ins Fuldische Land hinein sind 
aberall Komrodsche Besißungen, Sinse und Gefälle anzutreffen. 
In dem Hersfelder Gebiet zaählten sie vor allem zahlreiche Güter 
in fast allen Ortschaften des Landecker Amtes zu ihrem Eigentum. 
ja jogar ganze Vörier, wie Wüstfeld und Wehrshausen sind von 
jeher Konrodsche Dörfer gewesen und sind es bis zuletzt geblieben 
Der Hof Kiemerode bei Schenklengsseld am Abhang des Soisberges 
ist eine Gründung dieses Geschlechtes. Er war nach seinen erstmaligen 
Sesitzern Romrod genannti, aus dem dann über Rumrod. Rũme⸗- 
rode“ das heutige Kiemerode entstanden ist. Im 14. Jahrhunder! 
sißen mehrere Angehörige des Geschlechtes als tapfere Burg- 
mannen des Stisftes zu Hersfeld auf der Burg Landeck und 
werden in dieser Seit ausdrũcklich als die von Romrod zu Landeck 
bezeichnet. Sie sind als solche mit reichen Burglehen ausgestattet 
die sich in den um den Landecker liegenden Orischaften finden, 
und die später die Natur des Eigentums annahmen. Durch ge— 
schickte Vermögensverwaltung und vorteilhafte Kaufe wuchs der 
Keichtum des Geschlechtes von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Die Ge— 
bruder Hermann und Berthold von Mansbach sehen sich 1858 
gezwungen. ihr Burglehen zu Lengisfeld (Schenblengsfeld) an 
einen bon Romrod zů versetzen. Mit Einwilligung des Lehnsherren 
(Abt Keinhard zu Herosfeld) verkauft Ritter Eberhard von 
Milnrode (bei Motzfeld) seine Güter und Vorwerke in Dorf und 
Feld zu Mußtzfeld (Woßfeld), wie aguch sein Gehölz zwischen 
Wisinborn (Weijenborner Hof) und Motzeld, das Birbicht ge⸗ 
nannt, an Curt von Romrod für 8310 Goldgulden. Ja, sogar die 
Sandesfürsten waren Schuldner der von Romrod. denn als HSermann 
»on Romrod 18316 mit den Landgrafen Heinrich und Hermann 
vpegen der Amter Friedewald und Rodinberg abgerechnet hat, sind 
hmn letztere noch 100 Pid. schuldig. Als es im Jahre 1321 galt, 
hieder einmal einen Streit zwischen der Stadt Hersfeld und ihrem 
Abte zu schlichten, wãhlten beide Parteien den Würzburger Dom- 
errn Albrecht von Komrod und Friedrich von Komrod, genannt 
on Landeck, zu Schiedsrichtern, ein Beweis dafür, daß die von 
Komrod eine geachtete Stellung einnahmen. 
Doch schoñ im 15. Jahrhundert ist das Bild ein ganz anderes 
eworden. Der Adel führt ein verschwenderisches Leben, und 
elbjt die ungeheuren Embünfte aus dem Grundvermögen reichen 
icht aus. Die von Romrod machen beine Ausnahme, sie sind 
ʒeshalb schon im 16. Jahrhundert arg verschuldet und mũssen von 
hrem Eigentum immèer mehr verkaufen und verpfänden. Die 
kandesherren nehmen die Gelegenheit wahr, um die von ihnen 
in den Adel im frühen Mittelalter ausgeliehenen Gũter wieder 
urũckzuerwerben. Abt Ludwig von Hersjeld bLauft im Jahre 1581 
on den von Komrod für 1850 Gulden (à 26 Nlbus) „in harten 
Talern eine BSehausung zu Hersfeld hinter dem Weiher am 
ẽbenheit, den Kammerhof genannt, bis auf die Burggassen, dazu 
o Acder Land und Wiesenwachs jenseits der Fulda, 20 Mcker 
im Wein- und Frauenberg und 5 Acker Wiese, alles vor Hersfeld. 
Zodann 2 Diertel 10 Metzen Korn, 2 Viertel 1 Metzen Haser, 
s5Mehen Weizen, 12 Hähne und ꝰ Albus (1 Albus — 9Pig.) 
Ahrlichen Sins vom Manzß und letztlich 8 Gulden jährliche Geld⸗ 
inse in der Stadt Hersfeld aus verschiedenen Lehen und Ge— 
aͤllen“ Die Komrodschen Gũter zu Niederbieber bei Fulda nebst 
em dortigen Armenhof erwirbt 1702 das Hochstift Fulda für 
5ooo Gulden. nachdem bereits 1600 und 1610 Fürstabt Friedrich 
em Geschlechte gehörige Güter in Afhausen ebenfalls durch Kauf 
in sich gebracht hatte. Durch die andauernden Gũterverbãufe ging 
nehr und mehr von dem Hab und Gut der ehemals jo reichen 
Komrods verloren, es ging unaufhaltsam bergab. 
Dagu Lam noch, daß sie verschiedentlich unter der Ungnade 
des Landgrafen zu leiden hatten. Dem Landesfürsten stand in 
hessen als oberstem Lehnsherrn bis ins 11. Jahrhundert die 
leinige Ausũbung der hohen Jagd, also der Jaad auf Raub⸗, 
Hhoch· und Schwarzwild, zu. 
In diesem Punkte waren die Landgrafen jehr empfindlich, und 
arte Strafe traf den jagdlustigen Adel. wenn er sich unterstand, 
n die Rechte des Herrn einzugreifen. Ein Junker von Komrod zu 
dolzheim hatte es im Jahre 1660 gewagt, einige Wildschweine 
a erlegen. Der Landgraf, der davon erfuhr, legte ihm wegen 
Jagdvergehen eine harte Geldstrafe auf, die er natũrlich nicht 
ezaͤhlen bonnte. Kurzerhand beschiagnahmte man die Gefälle der 
on Komrod in Kothenkirchen. Nach dem Tode des Abeltäters 
m Jahre 16018 bitten seine Witwe und der Bruder Lukas Wilhelm 
on Komrod jammervoll und flehentlich um Aufhebung der BSeschlag 
ahmung, da die Strafe durch die seit 18 Jahren erhobenen Ge⸗ 
alie von 27 Vierteln Korn, AVierteln Hafer, 1ĩ Hähnen, 11 Gänsen, 
HSũhnern, 8 Schock Eiern und 11 Gulden Geld langst bezahlt sei. 
zyhre Armufi sei groß und sie steckten in „schrecklicher Schuldenlast, 
ie sie von ihren Vorfahren übernommen, und durch die bosen 
ʒeiten seien sie so zurũckgelommen und ganz ausgemergelt, welcher 
zustand sowohl den Nachbarn als auch den fürstlichen SBeamten 
nehr als zu viel bebannt sei.“ Um des Gottes Barmherzigbeit 
billen möge der Fürst doch die Ungnade fallen lassen und 
‚eranlassen, daß die Abgaben wieder an sie geliefert würden. Der 
Landgraf hatte ein Einsehen und willfahrte der Sitte. 
Sie Wiswe von Komrod und der Junber hatten in ihrer 
kingabe an den Landesfürsten ihre Lage nicht zu schwarz geschildert, 
ie Pon Komrod waren wirklich bettelarm geworden. Sieben 
Jahre später bönnen sie selbst nicht mehr den Stammbesitz, das 
doizheimer und Starbloser Lehen. halten. Die drei —A 
Vihelmn, Wolf Adam und Johannes Heinrich von, Komrod 
benden sich an die Oberrentlammer in Kahssel und bitten die 
ũestliche Regierung, ihnen das Mannlehen abzukaufen, und was 
ben nach Abzug der Schulden übrig sei, an sie auszuzahlen, denn 
as Gut sei von ihren Vorfahren so mit Lasten beschwert, daß sie 
s unmoglich weiter „bonservieren Lönnten“. Nach dem ein· 
esandten BSericht des die Angelegenheit untersuchenden Seamten 
nuß sich das Romrodsche Besitztum in einem geradezu verwahr⸗ 
osten Sustande befunden haben. Der „Acker- und Wiesenbau 
bdar noch einigermaßen imstande“,; die Gebaude aber „in Grund 
niniert und verfallen, absonderlich das adlige Wohnhaus zu Holz 
eim im geringsten nicht mehr zu brauchen seis, daher die von 
Zomrod ihre Wohnung keils im Nebengebäude, teils in einem 
Zauernhaus hätten und sich ũmmerlich darin behelfen müßten. 
der Wald sei vollständig verwũstet. Die Gefälle an Fruchtzinsen, 
don denen die Neukirchener und Rothenbkirchener die besten seien, 
en fast reftlos verpfändet. da sie dazu nicht die Erlaubnis ihres
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.