Konnte man doch da die Eisenbahn sehen, mit der ich allerdings erst in
meinem 14. SEebensjahr zum ersteninal fahren durfte. Am jenseitigen
Abhange des Hohenzuges nach dem Haungtal zu liegt der Or⸗
Hols hem, ein verschwiegen stilles Dörfchen, das für mich noch heut.
sunmer einen eigenen Sauber hat. Mag sein, daß die Jugend-⸗
erinnerungen die Ursache sind, denn es sesselte mich schon immer
als Kind der hohe Turm, der noch jetzt ũüber die Häuser des
Dorfes hinwegragt und weit in den Haungrund hineinschaut. Auf
meine immer wiederkehrende Frage an meinen Dater, warum
eigentlich der Turm da sei, erhielt ich zur Antwort, daß dort vor
Zeiten ein adliges Rittergeschlecht gewohnt habe. Noch mehr
fesselte mich die Erzählung von dem in den Turm eingemauerten
Kinde, damit letzterer besser halten sollte, die in der Gegend über⸗
ali bekannt war Nicht hälte ich mir als einfacher Dorfjunge damals
fräumen lassen, daß ich später einmal über die Geschicke und Ge—
jchichte des Dorfes, seines alten Schloses und seiner Bewohner bel
der geschichtlichen Erforschung meiner Heimat mehr erfahren wũrde.
Wenn der Vater damals auch nicht meine Wißbegierde ganz
zu befriedigen vermochte, so hatte er doch darin recht, daß Holz
heim einstmals der Sitz der von Romrod, eines alten hossischen
Adelsgejchlechtes war, von dem es allerdings mehrere Linien gab.
Die von Komrod waren neben denen von Buchenau die reichsten
und angesehensten Ritter in der ganzen Gegend.
Sie bejaßen das Holzheimer Schloß mit allen Gütern und
Kechten als Mannlehen, von denen sie, wie es im Hersfeldischen
und Fuldischen Sitte war, Kitterdienste leisten mußten. Auf der
hnen verliehenen Hofstatt“ in Holzheim hatten sie sich mit Ein
willigung ihres Lehnsherrn eine‚ Kemnate“ (festes Haus) gebaut.
Nach den von mir aufgefundenen Lehnsbriefen (1056. 1411, 1401
1501, 1506) sollte die Sehausung mit aller Subehör ihr und
ihrer Erben Haus sein, bleiben und ihnen allein gehören“, Der
Sandgraf behielt sich nur das Kecht vor, gegebenenfalls bei einem
Aufsenthalt in jener Gegend, Wohnung im Schlosse zu nehmen,
aber ohne dadurch den von Romrod und ihren Erben irgend einen
Schaden zuzufũgen. Er war deshalb auch verpflichet, während der
Seit seines dorsigen Aufenthaltes Gesinde und Knechte, Pförtner
Torhüter und Wächter zu belohnen und zu verköstigen.
Im 13. und 14. Jahrhundert war der Keichtum des Kom—
rodichen Geschlechtes so groß, daß man sich heutzutage nur an⸗
nãhernd eine Vorstellung davon machen bann. Er bestand weniger
in Geid als der Sitte der Seit entsprechend in ungeheurem Grund-⸗
besihe. Saämtliche Güter in Holzheim und Stärbklos waren ihr eigen.
In dem nahe gelegenen Dorfe Kruspis hatten sie allerdings nur
das Patronatorecht. das aber schon im 16. Jahrhundert von Hoesen
ausgeũbt wurde. Der letztere Ort nimmt überhaupt eine Sonder⸗
stellung unter den Dörfern der Umgebung ein. Die Bewohner
waren im 18. Jahrhundert frei von allen Frondiensten (eine
Seltenheit), und fämtiiche Güter waren Pfarrlehen. Die dortige
Pfarrbirche war der hl. Maria geweiht. Frũher müssen jedoch die
bon Komrod auch in Kruspis Besitzungen gehabt haben; denn im
Lehnobrief vom 15. April 1580 werden auch das Kirchlehen, ein
Frühmeßgut und eine VDibarei des hl. Sebastianaltars als ihnen
zugehörig aufgeführt. In allen Dörfern des Haunatals: Neubirchen,
Koͤthenkirchen, Odensachsen, Ober- und „Niederhauna“, Maberzell,
Nãst, Großdenbach, Hünfeld bis tief ins Fuldische Land hinein sind
aberall Komrodsche Besißungen, Sinse und Gefälle anzutreffen.
In dem Hersfelder Gebiet zaählten sie vor allem zahlreiche Güter
in fast allen Ortschaften des Landecker Amtes zu ihrem Eigentum.
ja jogar ganze Vörier, wie Wüstfeld und Wehrshausen sind von
jeher Konrodsche Dörfer gewesen und sind es bis zuletzt geblieben
Der Hof Kiemerode bei Schenklengsseld am Abhang des Soisberges
ist eine Gründung dieses Geschlechtes. Er war nach seinen erstmaligen
Sesitzern Romrod genannti, aus dem dann über Rumrod. Rũme⸗-
rode“ das heutige Kiemerode entstanden ist. Im 14. Jahrhunder!
sißen mehrere Angehörige des Geschlechtes als tapfere Burg-
mannen des Stisftes zu Hersfeld auf der Burg Landeck und
werden in dieser Seit ausdrũcklich als die von Romrod zu Landeck
bezeichnet. Sie sind als solche mit reichen Burglehen ausgestattet
die sich in den um den Landecker liegenden Orischaften finden,
und die später die Natur des Eigentums annahmen. Durch ge—
schickte Vermögensverwaltung und vorteilhafte Kaufe wuchs der
Keichtum des Geschlechtes von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Die Ge—
bruder Hermann und Berthold von Mansbach sehen sich 1858
gezwungen. ihr Burglehen zu Lengisfeld (Schenblengsfeld) an
einen bon Romrod zů versetzen. Mit Einwilligung des Lehnsherren
(Abt Keinhard zu Herosfeld) verkauft Ritter Eberhard von
Milnrode (bei Motzfeld) seine Güter und Vorwerke in Dorf und
Feld zu Mußtzfeld (Woßfeld), wie aguch sein Gehölz zwischen
Wisinborn (Weijenborner Hof) und Motzeld, das Birbicht ge⸗
nannt, an Curt von Romrod für 8310 Goldgulden. Ja, sogar die
Sandesfürsten waren Schuldner der von Romrod. denn als HSermann
»on Romrod 18316 mit den Landgrafen Heinrich und Hermann
vpegen der Amter Friedewald und Rodinberg abgerechnet hat, sind
hmn letztere noch 100 Pid. schuldig. Als es im Jahre 1321 galt,
hieder einmal einen Streit zwischen der Stadt Hersfeld und ihrem
Abte zu schlichten, wãhlten beide Parteien den Würzburger Dom-
errn Albrecht von Komrod und Friedrich von Komrod, genannt
on Landeck, zu Schiedsrichtern, ein Beweis dafür, daß die von
Komrod eine geachtete Stellung einnahmen.
Doch schoñ im 15. Jahrhundert ist das Bild ein ganz anderes
eworden. Der Adel führt ein verschwenderisches Leben, und
elbjt die ungeheuren Embünfte aus dem Grundvermögen reichen
icht aus. Die von Romrod machen beine Ausnahme, sie sind
ʒeshalb schon im 16. Jahrhundert arg verschuldet und mũssen von
hrem Eigentum immèer mehr verkaufen und verpfänden. Die
kandesherren nehmen die Gelegenheit wahr, um die von ihnen
in den Adel im frühen Mittelalter ausgeliehenen Gũter wieder
urũckzuerwerben. Abt Ludwig von Hersjeld bLauft im Jahre 1581
on den von Komrod für 1850 Gulden (à 26 Nlbus) „in harten
Talern eine BSehausung zu Hersfeld hinter dem Weiher am
ẽbenheit, den Kammerhof genannt, bis auf die Burggassen, dazu
o Acder Land und Wiesenwachs jenseits der Fulda, 20 Mcker
im Wein- und Frauenberg und 5 Acker Wiese, alles vor Hersfeld.
Zodann 2 Diertel 10 Metzen Korn, 2 Viertel 1 Metzen Haser,
s5Mehen Weizen, 12 Hähne und ꝰ Albus (1 Albus — 9Pig.)
Ahrlichen Sins vom Manzß und letztlich 8 Gulden jährliche Geld⸗
inse in der Stadt Hersfeld aus verschiedenen Lehen und Ge—
aͤllen“ Die Komrodschen Gũter zu Niederbieber bei Fulda nebst
em dortigen Armenhof erwirbt 1702 das Hochstift Fulda für
5ooo Gulden. nachdem bereits 1600 und 1610 Fürstabt Friedrich
em Geschlechte gehörige Güter in Afhausen ebenfalls durch Kauf
in sich gebracht hatte. Durch die andauernden Gũterverbãufe ging
nehr und mehr von dem Hab und Gut der ehemals jo reichen
Komrods verloren, es ging unaufhaltsam bergab.
Dagu Lam noch, daß sie verschiedentlich unter der Ungnade
des Landgrafen zu leiden hatten. Dem Landesfürsten stand in
hessen als oberstem Lehnsherrn bis ins 11. Jahrhundert die
leinige Ausũbung der hohen Jagd, also der Jaad auf Raub⸗,
Hhoch· und Schwarzwild, zu.
In diesem Punkte waren die Landgrafen jehr empfindlich, und
arte Strafe traf den jagdlustigen Adel. wenn er sich unterstand,
n die Rechte des Herrn einzugreifen. Ein Junker von Komrod zu
dolzheim hatte es im Jahre 1660 gewagt, einige Wildschweine
a erlegen. Der Landgraf, der davon erfuhr, legte ihm wegen
Jagdvergehen eine harte Geldstrafe auf, die er natũrlich nicht
ezaͤhlen bonnte. Kurzerhand beschiagnahmte man die Gefälle der
on Komrod in Kothenkirchen. Nach dem Tode des Abeltäters
m Jahre 16018 bitten seine Witwe und der Bruder Lukas Wilhelm
on Komrod jammervoll und flehentlich um Aufhebung der BSeschlag
ahmung, da die Strafe durch die seit 18 Jahren erhobenen Ge⸗
alie von 27 Vierteln Korn, AVierteln Hafer, 1ĩ Hähnen, 11 Gänsen,
HSũhnern, 8 Schock Eiern und 11 Gulden Geld langst bezahlt sei.
zyhre Armufi sei groß und sie steckten in „schrecklicher Schuldenlast,
ie sie von ihren Vorfahren übernommen, und durch die bosen
ʒeiten seien sie so zurũckgelommen und ganz ausgemergelt, welcher
zustand sowohl den Nachbarn als auch den fürstlichen SBeamten
nehr als zu viel bebannt sei.“ Um des Gottes Barmherzigbeit
billen möge der Fürst doch die Ungnade fallen lassen und
‚eranlassen, daß die Abgaben wieder an sie geliefert würden. Der
Landgraf hatte ein Einsehen und willfahrte der Sitte.
Sie Wiswe von Komrod und der Junber hatten in ihrer
kingabe an den Landesfürsten ihre Lage nicht zu schwarz geschildert,
ie Pon Komrod waren wirklich bettelarm geworden. Sieben
Jahre später bönnen sie selbst nicht mehr den Stammbesitz, das
doizheimer und Starbloser Lehen. halten. Die drei —A
Vihelmn, Wolf Adam und Johannes Heinrich von, Komrod
benden sich an die Oberrentlammer in Kahssel und bitten die
ũestliche Regierung, ihnen das Mannlehen abzukaufen, und was
ben nach Abzug der Schulden übrig sei, an sie auszuzahlen, denn
as Gut sei von ihren Vorfahren so mit Lasten beschwert, daß sie
s unmoglich weiter „bonservieren Lönnten“. Nach dem ein·
esandten BSericht des die Angelegenheit untersuchenden Seamten
nuß sich das Romrodsche Besitztum in einem geradezu verwahr⸗
osten Sustande befunden haben. Der „Acker- und Wiesenbau
bdar noch einigermaßen imstande“,; die Gebaude aber „in Grund
niniert und verfallen, absonderlich das adlige Wohnhaus zu Holz
eim im geringsten nicht mehr zu brauchen seis, daher die von
Zomrod ihre Wohnung keils im Nebengebäude, teils in einem
Zauernhaus hätten und sich ũmmerlich darin behelfen müßten.
der Wald sei vollständig verwũstet. Die Gefälle an Fruchtzinsen,
don denen die Neukirchener und Rothenbkirchener die besten seien,
en fast reftlos verpfändet. da sie dazu nicht die Erlaubnis ihres