Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

mann, Beamten sambt Bürgermeister undt Kath zu Schmal- 
ralden großgünstig befehlen, daß ich bei meinem habenden 
Sürger- und Guldenrecht gelassen undt mitt neuliche ohn⸗ 
erhörte besteuerung nicht belegt werden möchte.“ 
Die Kasseler Kegierung hat auf dies Gesuch hin Bericht 
vom Amtmann, Kentmeister, Bürgermeister und Kat zu 
Schmalkalden eingefordert und dieser zunächst die ehrsame 
Schneiderzunft daselbst zu einer Außerung in der Sache 
heranlaßt. Diese Außerung gießt doch viel Wasser in den 
Vein des Schneiderromans. Es heißt darin: 
Memblichen wie für ettlichen verlauffenen jahren Sastian 
Straube allhier gefeiert undt zur meisterschafft sich vor eim 
e. (ehrsamen) Handtwerk angegeben, ob ihm recht wol vor⸗ 
zutretten undt sein Meisterstück zu machen vergönt worden, 
so hat er doch sein Meisterstück nicht machen bönnen, sondern 
qdus vorbitt für der obrigkeit undt Handtwerk ist er zum 
Meister uffgenommen worden, da er dann hatt angelobt — 
wie zwar ein jeder newer Meister thun mus — das er sich 
handwerbsordnunge gemas erhaltten wolle, so hatt er sich 
doch jeder zeitt mit trotzigen worten verwarnen lassen undt 
wenigs uff handwerbsordnunge gegeben. Ist ihm auch 
damals von einer Edelfrawen, so eine Ruswurmin war, ein 
dafften Kock zu machen übergeben worden, welchen er 
gemacht, daß er nicht viel gedocht (getaugt), deswegen 
Jann gedachte Kuswurmin den Koch vor eim e. Handtwerk 
»att gelangen lassen, dafür Erstattung zu thun, da er dann 
zurch die geschworenen Meister besichtiget undt ausgemoessen 
vorden, undt dann etlich Elen dafft mangels erfunden, da 
er aber darum zu reden gesetzt, hatt er hönisch geantwortet: 
Er wisse nichts darumb, müsse ihm aus seiner stuben genommen 
worden sein; umb solches Kocks wegen ist er gebührlicher 
gestrafft worden. Andt noch mehr, als ihm von eim e. 
Handkwerk gebotten, mit der besten wehr, von u. gu. F. 
ind Herrn wegen auszuziehen, hat er das ungehorsamblich 
eracht, darumb er dann von den Herrn und Handtwerks⸗ 
vegen gebürlichen gestrafft worden, ist auch andre handtwerkbs 
gebür schuldig gewesen, aber deren straffen beine oder Handt- 
vwerksgebür hatt er nicht erlegt, sondern ist — ohne alles 
vorwisfsfen — eines e. Handtwerks stillschweigendt wie ein 
ungehorjamer, unbendiger undt halsstarriger Meister aus⸗ 
gedreetten, sein weib und kindt sitzen lassen, undt nun ũber 
die 12 Jahr außen gewesen; welchs ohne Sweifel jseins 
veibs wille nicht gewesen, denn da er sie also über sieben 
jahr hatt sitzen lassen, hatt sie das Handtwerb gantßz und 
gar, auch für ihren sohn, so sie mit ihm erzeuget, uffgegeben, 
also das seither ein e. Handtwerb nichts mehr bei ihr zu 
fordern gehabt. So vermag auch unser handtwerlbsordnunge 
blar ... daß auch ein lehrjung, so vom handtwerb 4 wochen 
ohne ursach ist, das der seines lehrgelds undt lehrjahren 
»eraubt ist. Viel weniger wird einem Meister dies nicht 
Jestattet, das er jahr undt tage ohne einen ehrlichen 
Abschied, auch ohne alle erhebliche ursachen wollt außen 
ein, jein weib undt kindt also hindansetzen, daraus dann 
ander unrecht erfolgt, wie mit dieses Bastians weib auch 
gescheen — sie hat sich zum Ehebruch verleiten lassen und 
ijt aus der Stadt verwiesen —. Darum soll ein jeder ehr⸗ 
icher Meister, so zu haus sitzet, stil sitzen, sich seiner ehrlichen 
handtierungen trewlich neeren, sein wanderschaft nicht sparen, 
is er weib undt kindt daheimen sitzen hatt, die dadurch in 
pott oder wohl gar an bettelstab gerathen mũssen, darumb 
in solch wanderschafft keinem ehrlichen Meister kann rümb⸗ 
ich nachgesagt werden. Gelangt darumb eines e. Handt⸗ 
herbers untterthänige bitt undt zuversicht an E. St. E. pp. 
ieselben wollen ein e. Handtwerk ob erzelter ursachen willen 
nit gedachtem Bastian Strauber, so ein e. handtwerk für beinen 
Mitmeister mehr halt noch erkennt, nicht mehr belestigen.“ 
Mag auch das Sunftwesen um jene Seit, im Beginn 
es 11. Jahrhunderts, schon ein wenig starr, engherzig und 
leinlich gewesen sein, was später zu seinem völligen Verfall 
uüͤhrte, hier muß man doch sagen, daß es in seinem guten 
Zecht war, Ordnung und Ehrbarkeit auf seiner Seite hatte, 
venu es einem Handwerkbsgenossen wie Bastian Straub ab— 
ehnend gegenüberstand. Und wenn auch in jenen Tagen 
huͤnderliche Erlebnisse zu Wasser und zu Lande, wie ihrer 
er weitgereiste Schneider in seinem Voman sich berühmt, 
üchts Seltenes waren, so kann man sich doch dem Eindruck 
icht entziehen, daß in diesem Roman, wie in jedem recht⸗ 
haffenen Koman und nicht erst seit Goethes Seit, Wahr⸗ 
eit und Dichtung vermischt seien und daß die Dichtung 
abeĩ nicht der unterliegende Teil sei. Wer in seiner Er— 
ählung an soviel wirblich Geschehenes sich nicht erinnert, 
er erinnert sich umso lieber an Dinge, die in Wirblichkeit 
ücht geschehen sind. 
Amtmann, Kentmeister, Bürgermeister und Kat von 
-—chmalkalden stellen sich denn auch völlig auf die Seite 
ines ehrsamen Handwerkbs und berichten in diesem Sinne 
interm 20. Juli 1613 an die Regierung; sie ziehen nament- 
ich das inkeressanteste Stück des Schneiderromans, den 
5chiffbruch, der den Bastian Straub an die dänische Küste 
jespült haben und bei dem ihm all sein Hab verloren 
segangen jein soll, stark in Frage und nehmen nach den 
Antezedenzien des seebefahrenen Mannes an, daß er ent⸗ 
veder nicht gearbeitet oder das Erarbeitete selbst wieder 
ertan hat. 
Es hilft dem Bastian auch nichts, daß er sich im folgen 
»en Jahre nochmals bei der Kegierung beschwert, er habe 
sch nun ein Jahr in Schmalkalden umhergetrieben, bönne 
iber nicht wieder auf die Beine bommen, „da ich nicht 
irbeiten durfte und die Schneider mir das Seug zweimal 
bgenommen“; Feeizügigkeit und Gewerbefreiheit, diese 
krrungenschaften der Neuzeit, gab's in jenem finsteren Jahr- 
undert noch nicht. Es hilft ihm nicht einmal, daß die 
Zegierung, durch seine Klagelieder gerührt — man stelle 
ich eine gerührte Behörde vor — ein gutes Wort bei 
Amtmann und Kentmeister für ihn einlegen. Diese und 
»er Magistreat lehnen in einem neuen Bericht vom 11. Mai 
1615 jedes Entgegenkommen ab. 
Dielleicht hat ihn der bald beginnende 80 jährige Krieg 
vpieder auf die Beine gebracht. Hat er auch seinerzeit sein 
Meisterstück als Schneider nicht machen kLönnen, zum Kriegs- 
ewinnler mangelte es ihm gewiß nicht an den nötigen 
Fähigkeiten. 
Aus alter Seit 
eut. 
Die von KRomrod zu Holzheim. 
Von De. Hans Lerch, Schenblengofeld. 
In meiner Kindheit war die Eisenbahn von Hersfeld ũber 
den Knüll nach Treysa noch nicht gebaut. Die Leute aus den 
Dorfern des Fuldatales oberhalb von Hersfeld gingen dann, wenn 
sie mit der Ehhjenbahn nach Hunfeld, Fulda oder Frankfurt fahren 
vollten. meistens nach Meubirchen im Haunatal. Der Weg fũhrte 
teil auf- und dann abwärts über die Mengshäuser Kuppe, die 
ius dem Höhenzug zwischen der Fulda und der Haune liegt, der 
icht vor Hersfeld mit dem Johannisberg sein Ende erreicht. Im 
Vinter — denn damals reisten die Landleute meistens nur in 
iejer Seit, im Sommer erlaubte es die Arbeit nicht — war der 
Veg, besonders bei schlechtem Wetter und bei Schneefall oft recht 
eschwerlich. Und doch war es für mich immer ein Ereignis, wenn ich 
en VDater zum Zuge nach Neubirchen begleiten oder abholen durfte.
	        
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