mann, Beamten sambt Bürgermeister undt Kath zu Schmal-
ralden großgünstig befehlen, daß ich bei meinem habenden
Sürger- und Guldenrecht gelassen undt mitt neuliche ohn⸗
erhörte besteuerung nicht belegt werden möchte.“
Die Kasseler Kegierung hat auf dies Gesuch hin Bericht
vom Amtmann, Kentmeister, Bürgermeister und Kat zu
Schmalkalden eingefordert und dieser zunächst die ehrsame
Schneiderzunft daselbst zu einer Außerung in der Sache
heranlaßt. Diese Außerung gießt doch viel Wasser in den
Vein des Schneiderromans. Es heißt darin:
Memblichen wie für ettlichen verlauffenen jahren Sastian
Straube allhier gefeiert undt zur meisterschafft sich vor eim
e. (ehrsamen) Handtwerk angegeben, ob ihm recht wol vor⸗
zutretten undt sein Meisterstück zu machen vergönt worden,
so hat er doch sein Meisterstück nicht machen bönnen, sondern
qdus vorbitt für der obrigkeit undt Handtwerk ist er zum
Meister uffgenommen worden, da er dann hatt angelobt —
wie zwar ein jeder newer Meister thun mus — das er sich
handwerbsordnunge gemas erhaltten wolle, so hatt er sich
doch jeder zeitt mit trotzigen worten verwarnen lassen undt
wenigs uff handwerbsordnunge gegeben. Ist ihm auch
damals von einer Edelfrawen, so eine Ruswurmin war, ein
dafften Kock zu machen übergeben worden, welchen er
gemacht, daß er nicht viel gedocht (getaugt), deswegen
Jann gedachte Kuswurmin den Koch vor eim e. Handtwerk
»att gelangen lassen, dafür Erstattung zu thun, da er dann
zurch die geschworenen Meister besichtiget undt ausgemoessen
vorden, undt dann etlich Elen dafft mangels erfunden, da
er aber darum zu reden gesetzt, hatt er hönisch geantwortet:
Er wisse nichts darumb, müsse ihm aus seiner stuben genommen
worden sein; umb solches Kocks wegen ist er gebührlicher
gestrafft worden. Andt noch mehr, als ihm von eim e.
Handkwerk gebotten, mit der besten wehr, von u. gu. F.
ind Herrn wegen auszuziehen, hat er das ungehorsamblich
eracht, darumb er dann von den Herrn und Handtwerks⸗
vegen gebürlichen gestrafft worden, ist auch andre handtwerkbs
gebür schuldig gewesen, aber deren straffen beine oder Handt-
vwerksgebür hatt er nicht erlegt, sondern ist — ohne alles
vorwisfsfen — eines e. Handtwerks stillschweigendt wie ein
ungehorjamer, unbendiger undt halsstarriger Meister aus⸗
gedreetten, sein weib und kindt sitzen lassen, undt nun ũber
die 12 Jahr außen gewesen; welchs ohne Sweifel jseins
veibs wille nicht gewesen, denn da er sie also über sieben
jahr hatt sitzen lassen, hatt sie das Handtwerb gantßz und
gar, auch für ihren sohn, so sie mit ihm erzeuget, uffgegeben,
also das seither ein e. Handtwerb nichts mehr bei ihr zu
fordern gehabt. So vermag auch unser handtwerlbsordnunge
blar ... daß auch ein lehrjung, so vom handtwerb 4 wochen
ohne ursach ist, das der seines lehrgelds undt lehrjahren
»eraubt ist. Viel weniger wird einem Meister dies nicht
Jestattet, das er jahr undt tage ohne einen ehrlichen
Abschied, auch ohne alle erhebliche ursachen wollt außen
ein, jein weib undt kindt also hindansetzen, daraus dann
ander unrecht erfolgt, wie mit dieses Bastians weib auch
gescheen — sie hat sich zum Ehebruch verleiten lassen und
ijt aus der Stadt verwiesen —. Darum soll ein jeder ehr⸗
icher Meister, so zu haus sitzet, stil sitzen, sich seiner ehrlichen
handtierungen trewlich neeren, sein wanderschaft nicht sparen,
is er weib undt kindt daheimen sitzen hatt, die dadurch in
pott oder wohl gar an bettelstab gerathen mũssen, darumb
in solch wanderschafft keinem ehrlichen Meister kann rümb⸗
ich nachgesagt werden. Gelangt darumb eines e. Handt⸗
herbers untterthänige bitt undt zuversicht an E. St. E. pp.
ieselben wollen ein e. Handtwerk ob erzelter ursachen willen
nit gedachtem Bastian Strauber, so ein e. handtwerk für beinen
Mitmeister mehr halt noch erkennt, nicht mehr belestigen.“
Mag auch das Sunftwesen um jene Seit, im Beginn
es 11. Jahrhunderts, schon ein wenig starr, engherzig und
leinlich gewesen sein, was später zu seinem völligen Verfall
uüͤhrte, hier muß man doch sagen, daß es in seinem guten
Zecht war, Ordnung und Ehrbarkeit auf seiner Seite hatte,
venu es einem Handwerkbsgenossen wie Bastian Straub ab—
ehnend gegenüberstand. Und wenn auch in jenen Tagen
huͤnderliche Erlebnisse zu Wasser und zu Lande, wie ihrer
er weitgereiste Schneider in seinem Voman sich berühmt,
üchts Seltenes waren, so kann man sich doch dem Eindruck
icht entziehen, daß in diesem Roman, wie in jedem recht⸗
haffenen Koman und nicht erst seit Goethes Seit, Wahr⸗
eit und Dichtung vermischt seien und daß die Dichtung
abeĩ nicht der unterliegende Teil sei. Wer in seiner Er—
ählung an soviel wirblich Geschehenes sich nicht erinnert,
er erinnert sich umso lieber an Dinge, die in Wirblichkeit
ücht geschehen sind.
Amtmann, Kentmeister, Bürgermeister und Kat von
-—chmalkalden stellen sich denn auch völlig auf die Seite
ines ehrsamen Handwerkbs und berichten in diesem Sinne
interm 20. Juli 1613 an die Regierung; sie ziehen nament-
ich das inkeressanteste Stück des Schneiderromans, den
5chiffbruch, der den Bastian Straub an die dänische Küste
jespült haben und bei dem ihm all sein Hab verloren
segangen jein soll, stark in Frage und nehmen nach den
Antezedenzien des seebefahrenen Mannes an, daß er ent⸗
veder nicht gearbeitet oder das Erarbeitete selbst wieder
ertan hat.
Es hilft dem Bastian auch nichts, daß er sich im folgen
»en Jahre nochmals bei der Kegierung beschwert, er habe
sch nun ein Jahr in Schmalkalden umhergetrieben, bönne
iber nicht wieder auf die Beine bommen, „da ich nicht
irbeiten durfte und die Schneider mir das Seug zweimal
bgenommen“; Feeizügigkeit und Gewerbefreiheit, diese
krrungenschaften der Neuzeit, gab's in jenem finsteren Jahr-
undert noch nicht. Es hilft ihm nicht einmal, daß die
Zegierung, durch seine Klagelieder gerührt — man stelle
ich eine gerührte Behörde vor — ein gutes Wort bei
Amtmann und Kentmeister für ihn einlegen. Diese und
»er Magistreat lehnen in einem neuen Bericht vom 11. Mai
1615 jedes Entgegenkommen ab.
Dielleicht hat ihn der bald beginnende 80 jährige Krieg
vpieder auf die Beine gebracht. Hat er auch seinerzeit sein
Meisterstück als Schneider nicht machen kLönnen, zum Kriegs-
ewinnler mangelte es ihm gewiß nicht an den nötigen
Fähigkeiten.
Aus alter Seit
eut.
Die von KRomrod zu Holzheim.
Von De. Hans Lerch, Schenblengofeld.
In meiner Kindheit war die Eisenbahn von Hersfeld ũber
den Knüll nach Treysa noch nicht gebaut. Die Leute aus den
Dorfern des Fuldatales oberhalb von Hersfeld gingen dann, wenn
sie mit der Ehhjenbahn nach Hunfeld, Fulda oder Frankfurt fahren
vollten. meistens nach Meubirchen im Haunatal. Der Weg fũhrte
teil auf- und dann abwärts über die Mengshäuser Kuppe, die
ius dem Höhenzug zwischen der Fulda und der Haune liegt, der
icht vor Hersfeld mit dem Johannisberg sein Ende erreicht. Im
Vinter — denn damals reisten die Landleute meistens nur in
iejer Seit, im Sommer erlaubte es die Arbeit nicht — war der
Veg, besonders bei schlechtem Wetter und bei Schneefall oft recht
eschwerlich. Und doch war es für mich immer ein Ereignis, wenn ich
en VDater zum Zuge nach Neubirchen begleiten oder abholen durfte.