dem Flugbild und dem ganzen Gebaren heraus den Vogel richtig
anzusprechen. Die Großenverhältnisse sind nur so weit zu Rate
gezogen, als es ohne Metermaß möͤglich ist, und die Färbung wird
nur dann als Anterscheidungsbennzeichen verwendet, wenn sie mit
bloßem Auge erbennbar ist. Übrigens spielt gerade bei den Kaub—
põgeln die Farbe eine recht untergeordnete Rolle als wesentliches
Merkmal. Dagegen wird hie und da von dem Klangbilde der
Stimme als Artzeichen Gebrauch gemacht.
Der häufigste Vertreter des hiesigen Kaubvogelbestandes ist
immer noch der Mäusebussard, Buteo buteo L. obwohl auch für
ihn anscheinend eine geringe Abnahme zu verzeichnen ist. Er
ändert in der Farbe derart stark ab, daß man selten zwei gleich⸗
gefärbte Stücke sieht, vom gleichmäßigen Schwarzbraun bis fas!
zum reinen Weiß und dazwischen auf braungrauem bis gelblich—
weißem Grunde dunkel gefleckt, gebandert oder längsgestreift. Dic
Bussarde sind ferner dadurch vor den meisten anderen Raub—
põgeln ausgezeichnet, daß sie kein Jugendgefieder haben: aus dem
Dunenbleide entwickelt sich gleich das ausgefärbte Kleid. Infolge
der eigentümlich großen, breiten Flügel und des burzen, gleichfalls
breiten Steuers, das im Fluge gefächert wird, ist das Flugbild
(Abb. 1) sofort auf den ersten Blick unverkennbar. Der Flug iss
zwar langsam und scheinbar unbeholfen und plump, aber leicht und
beinahe geräuschlos. Der Bussard gewährt einen wundervollen
Anblick, mag er sich nun in weiten Kreisen in das tiefdunble Blau
des Himmels hoch emporschrauben, oder mag er auf lange Strecken
in ruhigem Schwebefluge dahin gleiten, oder aber mag er sich
rũttelnd über dem Boden halten, was oft längere Seit andauert.
Seine Stimme hat einige Ahnlichbeit mit dem Miauen einer Katze,
was zu seinem Namen Veranlassung gegeben haben soll, wie
manche behaupten; Bussard soll nämlich soviel wie „Katzendar“
ↄꝛ edeuten.
Den Rauhfußbussard, Archibuteo lagopus Gm, und den
Wesjpenbussard, Pernis apivorus L, konnte ich als Brutvögel
hier noch nicht beobachten, sondern nur als Durchzügler.
Der erstgenannte hat sein eigentliches Brutgebiet in der
nordischen Tundra. Seine lateinische Artbezeichnung lagopus, was
auf deutsch „Hasenfuß“ heißt, hat er nicht etwa wegen besonderer
Furchtsamkbeit erhalten, sondern sie rührt daher, daß seine Läufe
bzw. Fänge bis über die Sehen hinab dicht befiedert sind, was
das Wort „Kauhfuß“ ausdrückt. Im Flugbilde tritt diese Eigen-
schaft natürlich nicht zutage, zumal die Fänge, genau wie bei jedem
anderen Kaubvogel, im Fluge rückwärts gestreckt und der Unterseite
des Schwanzes angepreßt werden; nur in „Bereitschaftsstellung“
wverden sie nach vorn genommen. In der Färbung ändert der
Kauhfußbussard ebenso ungemein ab, wie der Mauser, von dem
er sich auch im Flugbilde baum unterscheiden dürfte; nur ist er
etwas größer, denn er blaftert (d. h. mißt bei ausgespreizten
Flũügeln von Spißze zu Spitze) etwa 150 cm, während der Maäuse
busjard ungefähr 125 cm spannt. Ein sicheres Erbennungszeichen
ist sein eslwas beilförmiger Stoß. In Deutschland überwinter!
dieser stattliche Raubvogel stellenweise in großer Menge und belebt
so bisweilen unsere einsamen, schneebedeckten Fluren auf die ange⸗
nehmste Weise. Und weil er sich dann obendrein hierzulande fasl
ausschließlich von Mäusen und anderem Getier, welches an den
Feldfrüchten großes Unheil anrichtet, ernährt, so sollte man ihn
schonen, wo immer er sich blicken läßt, denn unsere Kaubvogel-
faung ist wahrlich schon arm genug. Da er bergige Waldgegenden
meidet, sieht man ihn in der Umgebung von Witzenhaufen selten
Auch der Wespenbussard variiert in der Farbe des Gefieders
nicht wenig und steht dem Mäusebussard darum um nichts nach.
Deshalb bann beine noch so ausführliche Beschreibung auf jeden
Wespenbussjard passen. Die Farben sind vielmehr (ob nach Alter
und Gegend. ist unsicher) so verschieden, daß wir neben gan;
dunklen auch sehr hellen Exemplaren begegnen. In der Größe
zeigt er Ahnlichbeit mit dem gemeinen Mäusebussard. Wenn auch
der Körper kleiner ist, so sind doch Flügel und Schwanz länger
Infolgedessen hebt sich sein Flugbild von dem des Mäusebussards
durch sein schlankes Aussehen wesentlich ab; es ähnelt mehr dem
des Huhnerhabichts, das später beschrieben wird. Wie der Segler
(fälschlich Turmschwalbe) unter den Rabenvögeln der letzte ilt
welcher im Frũhjahr bommt, und als erster wieder abzieht. so tut
der Wespenbussard unter den Raubvsgein ein gleiches. Wenn sein
Oetter Mänsebussard schon längst dem Brutgeschäft obliegt, trifff
er erst auf der Fahrt von dem Sũden bei uns ein, denn vorher
hat die Natur noch beine Seit gehabt, ihm den Tisch zu decken
Silden doch Bienen, Hummeln, Weospen u. dal. stechende Haut⸗
flügler einen Hauptteil seiner Mahlzeiten, so daß er seinen deutschen
wie wissenschaftlichen Namen (apivorus — Immenfresser) mit Recht
trägt. Seine Balz bietet derartiag anziehende Absonderlichbeiten
wie man sie bei keinem anderen Kaubvogel, die Woihen vielleicht
ausgenommen, bewundern bann; es liegt eben System in der
Technik seines Flugspieles. Uber dem Horstplatze schraubt sich das
Paar ohne Flũgelschlag in weiten Windungen zunächst immer höher
n die Lũfte hinauf; dann erhebt sich das Männchen allmählich
och über das Weibchen, um sich nunmehr mit fast senkrecht nach
ben gestellten Flũgeln und einer eigentũmlichen, schnell schũttelnden
Sewegung aus hoöͤchster Höhe wieder zu ihm hinabzusenben, steigt
edoch sofort wieder zu der vorigen Höhe herauf, läßt sich abermals
»inab und wiederholt so dies anmutige Spiel viertelstundenlang.
UÜberaus jelten ist hier der Kotmilan, Milvus milvus L., auch
—AV
inziges Mal begegnet, während in meiner Jugendzeit in meiner
deimat, dem burhessischen Oberhessen, stets zwei bis drei Paare
sorsteten. Schade, daß dieser herrliche Kaubvogel so stark ab—
simmt! Er ist etwa rabengroß und in seinem Flugbilde (Abb. 2)
nit keinem anderen zu verwechseln, da sein Stoß eine tiefe,
hbwalbenschwanzaͤhnliche Gabelung aufweist (daher der Name).
Rie großen, breiten Schwingen sind an den Enden zugespitzt.
Obwohl er ein ziemlich schwerfälliger Vogel ist, so ist sein Flug
och ungemein schön. Er scheint nur so ruhig dahin zu schwimmen,
enn bisweilen bemerbt man viertelstundenlang bemen Flügelschlag,
ind manchmal schwingt er sich zu einer Höhe empor. wo ihn das
inbewaffnete menschliche Auge nur mit größter Anstrengung zu
rreichen vermag. Sein langgedehntes „Hiä — hi hi hi hiä hiä,
vobei das izßte ä in etwas fallendem Tone besonders lang ge—
alten wird, blingt mir noch heute aus den Tagen meiner Kindheif
deutlich im Ohr.
Wir bommen zu den Habichten. Sie sind alle gut zu er⸗
ennen an den verhältnismäßig kurzen, abgerundeten Flügeln, die
en Stoß nicht zur Hälfte bedecken. Sie haben hier zwei Ver—
reter, deren Bestand in Niederhessen merklich zurückgegangen zu
ein scheint. nämlich den Sperber, Accipiter nisus L, und den
hühnerhabicht, Astur gentilis L. Am haäußfigsten ist noch der
rstgenannte. Beide sind ebenso bühne wie furchtbare Käuber,
zie ihr Gewerbe gewöhnlich recht heimlich ausũüben, denn sie fliegen
neist niedrig, selten hoch in freier Luft wie die Bussarde, Gabel-
veihen ujw, deren schöne Flugkünste das Auge des Beschauers
efreuen. Stolzes, freies Kreisen in hoher Luft ist nicht ihre
zache; lauernd und mehr versteckt ist ihre Jagdweise. Durch
Zäume, Waldränder, Hecken, Häuser u. dgl. gedeckht, streichen sie
vie ein Dieb daher und schlagen in stürmischer Eile ihr Opfer.
ascher, als dieses die Gefahr erbennt. Beider Flugbild (Abb. 8
ind 4) ist charabterisiert durch die stark gewölbten, nicht fein zu—
jespitzten Schwungfedern und das lange, gerade abgeschnittene
der schwach gerundete Steuer. Beide unterscheiden sich durch
ie Größe, indem der Sperber das verbleinerte Ebenb'ild, die
zwergform des Hühnerhabichts ist. Allerdings muß zugegeben
verden, daß das Sperberweibchen oft nicht sehr viel kleiner als
»as Männchen des Hühnerhabichts ist.
Nirgends in Deutschland häufig sind wohl die Weihen. Sie
ind Verwandte der Habichte und stehen dem Gabelweih systematisch
ern. Ihre Farbe ist durchweg bräunlich oder hell silbergrau bis
ijchblau. Meist sind die Weihen so vorsichtig, daß man nur selten
in sie in Gesichtsnähe herankommen kann. Wenn man auch ihren
Hesichtsschleier, d. h. den das Auge strahlenförmig umgebenden
Aranz von steifen, etwas nach unken gekrümmten Federchen, nicht
ehen kann, so sind sie doch im Fluge von iedem anderen Raub—
ogel gewiß unterscheidbar.
Von den Europa bewohnenden Arten habe ich hier an der
Verra nur einmal den Rohrweihen, Circus aeruginosus L,
esehen. Unsere Landichaft paßt ihm nicht; es fehlt eben an
Noor und Bruch. Wie schon sein Name besagt, bevölbert er
vasserreiches, sumpfiges Gelände. Sein Horst steht wohl immer
nuf dem Erdboden. meist im Schilf und Kohr, ganz ausnahmsweise
inmal weit abseits vom WMasser auf trockenem Boden. Man
ekommt den Rohrweih so selten zu Gesicht, weil er sich außer
er Paarnungszeit stets an unzugänglichen Sumpfstellen im Köhricht
ind Weidicht aufhält; nur in der Balzzeit wagt sich das Paar
u entzückenden Flugspielen in die höchsten Luftschichten hinauf.
)er gewöhnliche Jagoflug der Weihen, ein niedriges. schaukelndes
5chwankben, ist so eigenartig, daß man ihn selbst auf die größten
kntfernungen hin zweifellos erkennen bann. Welche Weihenart
s ist, das läßt sich selbstverständlich erst beim Näherbommen fest-
tellen. Es ist den Weihen eigentümlich, im Fluge die Hand-
hwingen stark zu spreizen (Abb. 5) und in sehr ruhigem, gleich-
nãßigem Fluge geradezu dahinzuschweben. Die weichen Federn
er Handschwingen werden dabei ziemlich stark nach oben gedrückt,
o daß sie immer etwas ũber der Horizontallinie des Rũckens und
er Flũgel emporragen (Abb. 6), was namentlich in die Augen
ãllt, wenn man den Vogel von vorne oder hinten heran- bzw.
bstreichen sieht. Dabeĩ sind plötzliche Schwankungen, schnelles
S5feigen und Wiederfallenlassen, Hin- und Herwerfen von der