Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

dem Flugbild und dem ganzen Gebaren heraus den Vogel richtig 
anzusprechen. Die Großenverhältnisse sind nur so weit zu Rate 
gezogen, als es ohne Metermaß möͤglich ist, und die Färbung wird 
nur dann als Anterscheidungsbennzeichen verwendet, wenn sie mit 
bloßem Auge erbennbar ist. Übrigens spielt gerade bei den Kaub— 
põgeln die Farbe eine recht untergeordnete Rolle als wesentliches 
Merkmal. Dagegen wird hie und da von dem Klangbilde der 
Stimme als Artzeichen Gebrauch gemacht. 
Der häufigste Vertreter des hiesigen Kaubvogelbestandes ist 
immer noch der Mäusebussard, Buteo buteo L. obwohl auch für 
ihn anscheinend eine geringe Abnahme zu verzeichnen ist. Er 
ändert in der Farbe derart stark ab, daß man selten zwei gleich⸗ 
gefärbte Stücke sieht, vom gleichmäßigen Schwarzbraun bis fas! 
zum reinen Weiß und dazwischen auf braungrauem bis gelblich— 
weißem Grunde dunkel gefleckt, gebandert oder längsgestreift. Dic 
Bussarde sind ferner dadurch vor den meisten anderen Raub— 
põgeln ausgezeichnet, daß sie kein Jugendgefieder haben: aus dem 
Dunenbleide entwickelt sich gleich das ausgefärbte Kleid. Infolge 
der eigentümlich großen, breiten Flügel und des burzen, gleichfalls 
breiten Steuers, das im Fluge gefächert wird, ist das Flugbild 
(Abb. 1) sofort auf den ersten Blick unverkennbar. Der Flug iss 
zwar langsam und scheinbar unbeholfen und plump, aber leicht und 
beinahe geräuschlos. Der Bussard gewährt einen wundervollen 
Anblick, mag er sich nun in weiten Kreisen in das tiefdunble Blau 
des Himmels hoch emporschrauben, oder mag er auf lange Strecken 
in ruhigem Schwebefluge dahin gleiten, oder aber mag er sich 
rũttelnd über dem Boden halten, was oft längere Seit andauert. 
Seine Stimme hat einige Ahnlichbeit mit dem Miauen einer Katze, 
was zu seinem Namen Veranlassung gegeben haben soll, wie 
manche behaupten; Bussard soll nämlich soviel wie „Katzendar“ 
ↄꝛ edeuten. 
Den Rauhfußbussard, Archibuteo lagopus Gm, und den 
Wesjpenbussard, Pernis apivorus L, konnte ich als Brutvögel 
hier noch nicht beobachten, sondern nur als Durchzügler. 
Der erstgenannte hat sein eigentliches Brutgebiet in der 
nordischen Tundra. Seine lateinische Artbezeichnung lagopus, was 
auf deutsch „Hasenfuß“ heißt, hat er nicht etwa wegen besonderer 
Furchtsamkbeit erhalten, sondern sie rührt daher, daß seine Läufe 
bzw. Fänge bis über die Sehen hinab dicht befiedert sind, was 
das Wort „Kauhfuß“ ausdrückt. Im Flugbilde tritt diese Eigen- 
schaft natürlich nicht zutage, zumal die Fänge, genau wie bei jedem 
anderen Kaubvogel, im Fluge rückwärts gestreckt und der Unterseite 
des Schwanzes angepreßt werden; nur in „Bereitschaftsstellung“ 
wverden sie nach vorn genommen. In der Färbung ändert der 
Kauhfußbussard ebenso ungemein ab, wie der Mauser, von dem 
er sich auch im Flugbilde baum unterscheiden dürfte; nur ist er 
etwas größer, denn er blaftert (d. h. mißt bei ausgespreizten 
Flũügeln von Spißze zu Spitze) etwa 150 cm, während der Maäuse 
busjard ungefähr 125 cm spannt. Ein sicheres Erbennungszeichen 
ist sein eslwas beilförmiger Stoß. In Deutschland überwinter! 
dieser stattliche Raubvogel stellenweise in großer Menge und belebt 
so bisweilen unsere einsamen, schneebedeckten Fluren auf die ange⸗ 
nehmste Weise. Und weil er sich dann obendrein hierzulande fasl 
ausschließlich von Mäusen und anderem Getier, welches an den 
Feldfrüchten großes Unheil anrichtet, ernährt, so sollte man ihn 
schonen, wo immer er sich blicken läßt, denn unsere Kaubvogel- 
faung ist wahrlich schon arm genug. Da er bergige Waldgegenden 
meidet, sieht man ihn in der Umgebung von Witzenhaufen selten 
Auch der Wespenbussard variiert in der Farbe des Gefieders 
nicht wenig und steht dem Mäusebussard darum um nichts nach. 
Deshalb bann beine noch so ausführliche Beschreibung auf jeden 
Wespenbussjard passen. Die Farben sind vielmehr (ob nach Alter 
und Gegend. ist unsicher) so verschieden, daß wir neben gan; 
dunklen auch sehr hellen Exemplaren begegnen. In der Größe 
zeigt er Ahnlichbeit mit dem gemeinen Mäusebussard. Wenn auch 
der Körper kleiner ist, so sind doch Flügel und Schwanz länger 
Infolgedessen hebt sich sein Flugbild von dem des Mäusebussards 
durch sein schlankes Aussehen wesentlich ab; es ähnelt mehr dem 
des Huhnerhabichts, das später beschrieben wird. Wie der Segler 
(fälschlich Turmschwalbe) unter den Rabenvögeln der letzte ilt 
welcher im Frũhjahr bommt, und als erster wieder abzieht. so tut 
der Wespenbussard unter den Raubvsgein ein gleiches. Wenn sein 
Oetter Mänsebussard schon längst dem Brutgeschäft obliegt, trifff 
er erst auf der Fahrt von dem Sũden bei uns ein, denn vorher 
hat die Natur noch beine Seit gehabt, ihm den Tisch zu decken 
Silden doch Bienen, Hummeln, Weospen u. dal. stechende Haut⸗ 
flügler einen Hauptteil seiner Mahlzeiten, so daß er seinen deutschen 
wie wissenschaftlichen Namen (apivorus — Immenfresser) mit Recht 
trägt. Seine Balz bietet derartiag anziehende Absonderlichbeiten 
wie man sie bei keinem anderen Kaubvogel, die Woihen vielleicht 
ausgenommen, bewundern bann; es liegt eben System in der 
Technik seines Flugspieles. Uber dem Horstplatze schraubt sich das 
Paar ohne Flũgelschlag in weiten Windungen zunächst immer höher 
n die Lũfte hinauf; dann erhebt sich das Männchen allmählich 
och über das Weibchen, um sich nunmehr mit fast senkrecht nach 
ben gestellten Flũgeln und einer eigentũmlichen, schnell schũttelnden 
Sewegung aus hoöͤchster Höhe wieder zu ihm hinabzusenben, steigt 
edoch sofort wieder zu der vorigen Höhe herauf, läßt sich abermals 
»inab und wiederholt so dies anmutige Spiel viertelstundenlang. 
UÜberaus jelten ist hier der Kotmilan, Milvus milvus L., auch 
—AV 
inziges Mal begegnet, während in meiner Jugendzeit in meiner 
deimat, dem burhessischen Oberhessen, stets zwei bis drei Paare 
sorsteten. Schade, daß dieser herrliche Kaubvogel so stark ab— 
simmt! Er ist etwa rabengroß und in seinem Flugbilde (Abb. 2) 
nit keinem anderen zu verwechseln, da sein Stoß eine tiefe, 
hbwalbenschwanzaͤhnliche Gabelung aufweist (daher der Name). 
Rie großen, breiten Schwingen sind an den Enden zugespitzt. 
Obwohl er ein ziemlich schwerfälliger Vogel ist, so ist sein Flug 
och ungemein schön. Er scheint nur so ruhig dahin zu schwimmen, 
enn bisweilen bemerbt man viertelstundenlang bemen Flügelschlag, 
ind manchmal schwingt er sich zu einer Höhe empor. wo ihn das 
inbewaffnete menschliche Auge nur mit größter Anstrengung zu 
rreichen vermag. Sein langgedehntes „Hiä — hi hi hi hiä hiä, 
vobei das izßte ä in etwas fallendem Tone besonders lang ge— 
alten wird, blingt mir noch heute aus den Tagen meiner Kindheif 
deutlich im Ohr. 
Wir bommen zu den Habichten. Sie sind alle gut zu er⸗ 
ennen an den verhältnismäßig kurzen, abgerundeten Flügeln, die 
en Stoß nicht zur Hälfte bedecken. Sie haben hier zwei Ver— 
reter, deren Bestand in Niederhessen merklich zurückgegangen zu 
ein scheint. nämlich den Sperber, Accipiter nisus L, und den 
hühnerhabicht, Astur gentilis L. Am haäußfigsten ist noch der 
rstgenannte. Beide sind ebenso bühne wie furchtbare Käuber, 
zie ihr Gewerbe gewöhnlich recht heimlich ausũüben, denn sie fliegen 
neist niedrig, selten hoch in freier Luft wie die Bussarde, Gabel- 
veihen ujw, deren schöne Flugkünste das Auge des Beschauers 
efreuen. Stolzes, freies Kreisen in hoher Luft ist nicht ihre 
zache; lauernd und mehr versteckt ist ihre Jagdweise. Durch 
Zäume, Waldränder, Hecken, Häuser u. dgl. gedeckht, streichen sie 
vie ein Dieb daher und schlagen in stürmischer Eile ihr Opfer. 
ascher, als dieses die Gefahr erbennt. Beider Flugbild (Abb. 8 
ind 4) ist charabterisiert durch die stark gewölbten, nicht fein zu— 
jespitzten Schwungfedern und das lange, gerade abgeschnittene 
der schwach gerundete Steuer. Beide unterscheiden sich durch 
ie Größe, indem der Sperber das verbleinerte Ebenb'ild, die 
zwergform des Hühnerhabichts ist. Allerdings muß zugegeben 
verden, daß das Sperberweibchen oft nicht sehr viel kleiner als 
»as Männchen des Hühnerhabichts ist. 
Nirgends in Deutschland häufig sind wohl die Weihen. Sie 
ind Verwandte der Habichte und stehen dem Gabelweih systematisch 
ern. Ihre Farbe ist durchweg bräunlich oder hell silbergrau bis 
ijchblau. Meist sind die Weihen so vorsichtig, daß man nur selten 
in sie in Gesichtsnähe herankommen kann. Wenn man auch ihren 
Hesichtsschleier, d. h. den das Auge strahlenförmig umgebenden 
Aranz von steifen, etwas nach unken gekrümmten Federchen, nicht 
ehen kann, so sind sie doch im Fluge von iedem anderen Raub— 
ogel gewiß unterscheidbar. 
Von den Europa bewohnenden Arten habe ich hier an der 
Verra nur einmal den Rohrweihen, Circus aeruginosus L, 
esehen. Unsere Landichaft paßt ihm nicht; es fehlt eben an 
Noor und Bruch. Wie schon sein Name besagt, bevölbert er 
vasserreiches, sumpfiges Gelände. Sein Horst steht wohl immer 
nuf dem Erdboden. meist im Schilf und Kohr, ganz ausnahmsweise 
inmal weit abseits vom WMasser auf trockenem Boden. Man 
ekommt den Rohrweih so selten zu Gesicht, weil er sich außer 
er Paarnungszeit stets an unzugänglichen Sumpfstellen im Köhricht 
ind Weidicht aufhält; nur in der Balzzeit wagt sich das Paar 
u entzückenden Flugspielen in die höchsten Luftschichten hinauf. 
)er gewöhnliche Jagoflug der Weihen, ein niedriges. schaukelndes 
5chwankben, ist so eigenartig, daß man ihn selbst auf die größten 
kntfernungen hin zweifellos erkennen bann. Welche Weihenart 
s ist, das läßt sich selbstverständlich erst beim Näherbommen fest- 
tellen. Es ist den Weihen eigentümlich, im Fluge die Hand- 
hwingen stark zu spreizen (Abb. 5) und in sehr ruhigem, gleich- 
nãßigem Fluge geradezu dahinzuschweben. Die weichen Federn 
er Handschwingen werden dabei ziemlich stark nach oben gedrückt, 
o daß sie immer etwas ũber der Horizontallinie des Rũckens und 
er Flũgel emporragen (Abb. 6), was namentlich in die Augen 
ãllt, wenn man den Vogel von vorne oder hinten heran- bzw. 
bstreichen sieht. Dabeĩ sind plötzliche Schwankungen, schnelles 
S5feigen und Wiederfallenlassen, Hin- und Herwerfen von der
	        
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