rommission der besetzten Rheinlande beschlossen, seine sofortige
Ausweisung sowie innerhalb von 4 Tagen auch die NAusweisung
einer Familie anzuordnen.
Der Oberdelegierte: gez. de Lillers.
An den Herrn Spezialkommissar und Chef des Kreises
Wiesbaden zur Ausführung; an die Herren Delegierten in den
Abteilungen, an den Herrn Delegierten des Sollkomitees beim
Landesfinanzamt in Wiesbaden, an den Herrn General des
30. A. K. in Wiesbaden zur Kenntnis, an den Herrn Ober—
tommissar der französischen Kepublik in der Rheinland-Provinz
zu Coblenz.
Kheinarmee, Generalstab, Franzõsijche Republik.
Seheimpoliʒzei, Kreis Wiesbaden. Verhandelt
NMr. 436. am 9. Februar 1928. —
Protoboll ũber die Verhaftung und Ausweisung des Friedrlch
Wilhelm Heinz Seelig, Deutscher, 46 Jahre, Oberzollinspektor,
vohnhaft in Wiesbaden, Neuberg 2.
Wir, Leon Michel Piat, Spezialkommissar, Lommandiert zum
Sicherheitsdienst bei der französischen Rheinarmee, Chef im Kreijße
Wiesbaden, Polizeioffizier und Hilfsrichter beim Sivil- und Militär-
jericht, handeln nach der Anweisung des Herrn Oberdelegierten
im Dijstrikt Wiesbaden zufolge Befehls vom heutigen Tage unter
Seheimnummer 437 und beschreiben nachfolgend die sofortige Aus-
veisjung des Herrn Oberzoilinspebtors Seelig:
Gegen 7 Uhr früh haben
wie den DVorgenannten auf unser
—A
aftung durch die Geheimagenten
Lannro und Reimerdinger, ihm
unsere Machtbefugnisse erklärt,
owie Personalien festgestellt, ihm
genügend Seit zur ÜÄÜberlegung
gegeben und ihn darüber aufge-
lärt, daß er zwangsweise sofort
die besetzten Gebiete verlassen
mũßte, widrigenfalls er nach der
Derordnung 125, nach Artikel o,
8 2 des Rheinlandabkommens
(Anhang 3. Friedensvertrage)
der französischen Militärgerichts-
»arbeit ũberantwortet werden
vürde; gleichzeitig wurde ihm er⸗
zffnet, daß in Ausfũhrung derselben
Serordnung jeine Familie inner⸗
»alb vier Tagen zwangsweise die
ejetzten Gebiete verlassen mũßte.
Herr Oberzollinspeltor Seelig
zat hieraufhin erblärt, daß er
auf Befehl seiner Behörde die
Anordnungen der franz. Macht⸗
»ehdrde fũür ungesetzlich halte und
ie durch nichts im Rheinlandab⸗
lommen gesetzlich gestũtzt wũrden,
daß er infolgedessen sie auch nicht
anerbennen könnte. Er hat noch hinzugefügt, daß er auf das heftigste
jgegen die Ausweisungsmaßnahme Einspruch erhebe, daß er sich
aber dem Swange fügen mässe. Herr Seelig hat ferner erklärt,
daß seine Familie, bestehend aus seiner Gattin Anne geb.
Thomann und seinem Töchterchen Inge im Alter von 14 Monaten,
ich ebenfalls den Befehlen der Kheinlandoberbommission wider-
ehßen wũrde.
Aus vorstehenden Gründen haben wir gegenwärtige Ver—
handlung aufgenommen, die Herr Oberzollinspebtor Seelig unter-
zeichnet hat in meiner Gegenwart, worüber ihm eine Abischrift
—
Geschlossen am 9. Februar 1923 in Wiesbaden.
Der Spezialkommijssar:
gez. F. W. Heinz Seelig. gez. Piat.
(Siegel.)
VOerdrãngten⸗Ausweis:
Der Oberzollinspektor Heinz Seelig, bisher beschäftigt beim
Hauptzollamt in Wiesbaden als stellvertretender Hauptzollamts-
leiter, Besoldungsgruppe IX, Dienstalter 1. 6. 1909, ist von der
französijchen Besaßungsbehörde am 9. 2. 1924 gezwungen worden,
mit seinen Familienangehörigen, Ehefrau und ein Kind, das besetzte
Bebiet zu verlassen.
Alle Behörden werden ersucht, den Ausgewiesenen in jeder
Weise zu unterstützen.
Casjel, den 13. Februar 1928.
Der Präsident des Landesfinanzamts.
(Siegel.) Unterscheist.
Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. — Reichszentrale
ũr Heimatdienst Berlin, den 3. 8. 1928.
An das Reichsministerium des Innern.
In der Anlage werden Postkarten und Klebezettel „Edith-
ingeborg Seelig“, die im Ruhrgebiet verbreitet worden sind, ũber⸗
andt, und stellen ergebenst anheim, sie dem Vater, Oberzollinspebtor
zeelig, der aus Wiesbaden ausgewiesen ist, zuzustellen.“ —
Wohin nicht die Melsunger Bürgergarde führt!
Mit Kurhessen-Schurri!
Ihr ergebenster F. W. Heinz Seelig.
Frankenberger Geschichtsrückblick.
Oiereinhalb Jahrhunderte waren am 9. Maied. J. verflossen
eit jenem großen Brandunglück von 1476, das jählings über Fran-
enberg hereinbrach und die Stadt fast völlig in Asche legte. Der
Zrand begann des Mittags um] Uhr bei heißem, trockenem Wetter
ind Wassermangel in der Stadt. Schnell breitete sich das Feuer
n der Mittelgasse, dem Geismarer Viertel und der Schmiedegasse
us, und der Wind führte es weiter bis zum Rathaus, das seinen
Intergang in den Flammen jand, und bis zur Liebfrauenkirche,
ie arg mitgenommen wurde. Von der Alltstadt blieben nur noch
die Kapelle auf der Heide und
rinige Häuser erhalten, und dann
führte der Wind das Feuer über
die Mauer in die Neustadt. Da
herbrannten die Kapelle St.
Johannis, das Hospital Elijabeth,
zie Pfeffermühle und die Ober-
mnühle, und nur das Kloster St.
Heorgenberg blieb stehen. Die
Not der Einwohner war über—
groß, zumal ein strenger Winter
olgte und ein großes Sterben
unser Menschen und Vieh ein—
traf. Frankenberg war 3war
nicht die einzige Stadt, der so
großes Unheil widerfuhr; aber
she Wiederaufbau, ihr siegreicher
Kampf gegen andere schädliche
Einflüsse bezeugen auch die Tat—
raft ihrer Bewohner.
Am 20. November d. J.
varen 280 Jahre seit der Schlacht
uuf der Totenhöhe bei Franken⸗
erg vergangen. Machdem der
ejsische General Geyso Herb⸗
tein im Vogelsberg erobert hatte,
erschien zu seiner Verstärkung der
chwedijche General von Löwen-
haupt. Suerst wurde die von dem
Hesj. Darmstädtijchen General
on Eberstein belagerte Stadt Siedenbopf entsetzt, worauf sich
kberstein bis Frankenberg zurũckzog. Sein allzu sorglojses Der—
beilen bei Frankenberg sollte ihm zum VDerhãngnis werden. Die
5chweden und Hessen rũckten über Marburg bis Frankenberg vor.
Inweit der Stadt erreichten Geyso und Söwenhaupt im Dunbel
er Nacht ein tiefes Tal. Hier ordneten sie bei Anbruch des Tages
20. Nobember 1646) ihre Reiterscharen und sandten einzelne
Jeiterhaufen voraus, welche die feindlichen Wachen warfen und
is in die Tore der Stadt eindringen sollten. Löwenhaupt stellte
ich an die Spitze des rechten, Geyso an die des linken Flägels.
kberstein merkte, daß er es mit einem größeren Heerhaufen zu
un habe, und steilte sich deshalb mit seiner ganzen Macht auf der
dotenhoöhe zum Kampfe auf. Löwenhaupt fsolgte dem Feinde und
sing zuerst zum Angriff ũüber, wurde aber von Eberstein tapfer
ibgewiesen. Schon hielt Löwenhaupt alles für verloren, als Geyso
nit den hessijschen Keitern in vollem Trabe seinem Gegner in die
flanke fiel und die schon wanbenden feindlichen Scharen allenthalben
barf. Einen vollständigen Sieg hefteten beide an die schwedischen
ind hessischen Fahnen. 500 Tofe ließ der Feind auf dem Schlacht-
eide zurũck. Unter den 800 Gefangenen befand sich auch der
unge Graf Moritz Heinrich von Nassau-Hadamar, dessen Entlassung
ach Münster (wo jsein VDater als bevollmächtigter Gesandter des
caijers weilte) die Landgräfin. Amalie von Hessen-Kassel mit
Zücksicht auf die Susammendbunft der Friedensunterhändler bewirkte.
Außerdem wurden 1000 Pferde, neun Fahnen und der ganze Troß
»es Grafen von Eberstein erbeutet, der mit nur 100 Reitern ũber
zie Eder und bis in den Westerwald floh— 0
EtidhIngeborg Seelig (14 Monate alt) aus Wiesbaden ausgewiesen.
Grund: Gefährdung der Sicherheit der französischen Besatzungsarmoe.