Wirtschaft am Warkt (Getzt Warenhaus Levbvy) gern bezogen, da
sie ausreichende Räumlichkeiten besaß.
Kaum waren die letzten preußischen Truppen aus dem Weich;
bild der Stadt verschwunden, so zogen die Bayern hier ein. Da
in der Hauptsache solche Städte und Ortschaften belegt wurden, die
sich durch Verhalten ihrer Bewohner in dem Verfajssungskonflikf
das Wohlwollen des Landesvaters verscherzt hatten, so müssen, nach
der Belegung zu urteilen, die Melsunger bei ihrem Gebieter sich
mächtig in die Nesseln gesetzt haben. Denn am 15. Dezember 1850
zogen 500 Bayern hier ein. Das waren die gefürchtetsten Aus—
länder, die neben ihrer Derbheit einen gejunden Hunger und einen
noch viel gesunderen Durst mitbrachten. Das erbennend, sandte
Buũrgermeister Schreiber seinen Einwohnern am frühen Morgen
des Tages folgendes Schreiben zu:
„Laut soeben erhaltener Ordre werden heute gegen Mittag
ungefähr 500 Mann Königl. Bayerische Truppen zum Quartier auj
unbestimmte Seit dahier eintreffen. Denselben ist zu verabreichen
des Morgens: Suppe;
„Mittags: Suppe, / Pfund Kindfleisch, Gemüse und !“
Maas Bier;
lãglich: 1*/2 Pfund Brot;
Abends: Suppe, ! / Pfund Kindfleisch oder in dessen
Ermangelunge! / Maas Bier oder!/16 Maas
Branntwein.
Das Bett bann im Kalten stehen. Strohlager muß im geheizten
Zimmer aufgeschlagen werden.
Melsungen, den 15. Dezember 1850.
Der Bürgermeister:
Schreiber.
Ein guter Empfang der Truppen empfohlen!“
—A0
ohne Bangen den neuen Quarktiergästen entgegenkam.
Für Bequartierung hatte die Stadt für die bayrischen Truppen
2334 Tlr. 28 Sgr. 1 Hil. verauslagt. Unter den hohen Potentaten
quartierten sich u. a. hier ein der Fürst von Thurn und Taxis mit
24 Bedienten und 16 Pferden bei Gastwirt Viehmeyer und Prin;
Max von Bayern bei S. Kothe.
Su Beginn des Jahres 1851 traten noch österreichische Truppen
hinzu, die sich auf dem Wege nach SchleswigHolstein befanden,
o am 4. Januar das Hauptquartier der Armeekorps, am 5. Januar
ein Bataillon, am J. Januar ein VDiertel Chevauleger Division mit
420 Pferden u. s. f. Für diese Truppen wurden 4182 Tle. veraus⸗
gabt. Sum größten Teil wurden die Kosten, die sich auf
ũber 10000 Tlr. beliefen, der Stadt zurũckerstattet, doch hatte
die Stadtverwaltung eine Riesenarbeit zu bewältigen. namentlich
der Stadtbämmerer Barthell.
In dieser bewegten Seit, in der die Bürger nicht aus der
Aufregung herauskamen, war das Ediklt betreffend Auflösung der
Bürgergarde fast unbemerbt geblieben. Die Bürgerschaft hatte
das Interesse an den politischen Geschehnissen verloren, auch an
der Bürgergarde. Sie war in dieser lebensprũühenden Seit ein
absolut totes Instrument geblieben. So vollzog sich die Auflöjung
langfam, still und schmerzlos. Nach erfolgter Quflösung forderte
Landrat Faber am 3. Juni 1852 Bürgermeister Baumann auf, die
Entwaffnung der Bürgergarde durchzuführen. 101 Gewehre, 100
Patronentaschen, 10 Säbel, 4 Trommeln wurden vom Hauptmann
Jäger auf dem Kathaus abgeliefert. Besonders schmerzlich war
es, daß auch die prächtige Fahne und der Tambourstock mit ab-
gegeben werden mußten. Am 1. Februar 1853 forderte die Re⸗
rierung den Bäürgermeister auf, sämtliche Inventarstücke in das
Zeughaus nach Cassel zu bringen. Nachdem die noch fehlenden
Bewehre endlich aus das Kathaus gebracht worden waren,. wurde
der ganze Bestand: 131 Gewehre, 126 Patronentoschen, 19 Ssöbel
mit Koppel und die Fahne nach Cassel, gebracht. 8 Jahre später,
am 25. Juni 1855, erhielt die Stadt die Erlaubnis, die Bestände
zu verbaufen, nur die Fahne sollte im Seughaus verbleiben. Das
Inventar wurde zurũckgeholt. Sahlreiche Angebote gingen ein
Doch erst 1861 entschloß man sich zum Verbauf. Die 131 Gewehre
erhielt ein D. Fleischl aus Hamburg, der (30. 12. 61) den Bestand für
259 Tlre. 1 Slgr. 6 Hll. übernahm. Die Patronentaschen wurden
unter den hiesigen Schuhmachern öffentlich versteigert. Das An-
gebot genũgte dem Staͤdtrat nicht, vielmehr erhielt der Sattler⸗
meister H. Mausehund in RKotenburg den Vorrat von 120 Stück für
212/2 Tlx. Helmbũsche und Säbel blieben im Besiß der Eigentũmer,
und vielleicht ist heute noch manche Familie in der Stadt, die diese
Erinnerungszeichen aufbetbahrt. Bäürgermeister Baumann setzte
nun alles daran, auch die Fahne zurückzubekommen. Seine wieder—
holten Eingaben wurden zurückgewiesen. Als endlich die Gescheh—
nihe des Jahres 1800 über Kurhessen ihre Schattenschleier warfen.,
erhielt die Stadt am JT. September 1806 die Nachricht, die Fahne
m Seughaus in Empfang zu nehmen. Polizeiwachtmeister Sachse
olte sie dort am 18. September 18060 ab. Verhüllt, wie in tiefer
Trauer um das Schicksal des Landes, zog sie am Nachmittage diejses
Tages wieder in das Melsunger Rathaus ein. Seit 60 Jahren
uht dieses Seichen dort oben, gepflegt von treuen Händen, ein
perunaozelchen. ein Symbol. das uns heute noch zuruft, was uns
nottut:
Aufrechthaltung der Verfassung
und öffentlichen Ordnung, Gehorsam den Geseßzen.
Mõge der althessische Löwe uns Lünden: „Hessen, vergeßt Eure
große Geschichte nichtl!“ Hessenland und Hessenvolk: „Dir sei wegen
Deiner Treue ein froh Geschick beschieden.“
Salbe, dir Fahne!
4
Als Widerhall auf den voestehenden Seitrag „Geschichte der
Melsunger Bürgergarde“ ging uns der unten folgende Brief mit der
Bitte um Veröffentlichung zu. Wir entsprechen diesem Wunsch umso
lieber, als der Brief erkennen läßt, daß die Heimat-Schollen daheim
und draußen viele Freunde haben. Die Schrijtleitung.
Wiesbaden, Forststr. 34, 19. September 1026.
An den Herrn Verleger der „Heimat-⸗Schollen“, Meljungen.
Sehr geehrter Herr Landsmann in Kurhessen!
Die Suschrift Ihrer „Heimat ˖ Schollen“ ist mir stets ein heimat⸗
icher Festtagl Heuer am Sonntag erhielt ich Ne. 11 6. Jahrgang.
Die „Geschichte der Meljunger Bürgergarde“ läßt mich in Familien-
apieren nachsuchen. Im „Kapitalienbuche“ meines Großvaters
häterlicherjeits finde ich auch einen Schuldposten des Kasseler
5chũtzen⸗Sataillons aus dem Jahre 1817; das fragliche Slatt fũge
ich in Abschrift bei; ich nehme an, daß in heutiger, zahlenhungriger
Zeit jenes Schuldkonto aus den Jahren 1811/1841 bei den Lejern
der „Heimat ⸗Schollen“ Interesse erwecken bann.
Zugleich ersieht man, daß es der Kasseler Bürgergarde an—
cheinend besser erging, als der Melsunger Bürgergarde, indem
zjebefreudige Bürger über die Geldschwierigkeiten hinweghalfen.
Wie ich dem Nebrolog auf meinen Vater, abgedruckt im Band
12 des Vereins für Naturkunde Kassel, 1801, entnehmen Lbann,
jt mein Großvater Seelig Ende März 1851 als Kunst- und Schön⸗
ärber, langjähriges Mitglied des Bürgerausschusses der Residenz
ind Kirchenältester der Brüdergemeinde zu Kassel verstorben; mein
Sroßvater bebleidete im Kasseler „Schũtzen-Korps“ einen Offiziers-
posten; scheinbar halfen die Offiziere sich Lameradschaftlich, wie der
nächste Schuldpostenauszug beweist.
Das Städtische Schũtzen-Bataillon im Jahre Bit u
oll.
Laut Handschein des sämmtlichen Officier Corps d. d. Iten
July 18117 à 5 0.......... . . Wo( O. -
835: May 20. an Sinsen von 110 xth....... 5.12
836: May 29. an Sinsen... ...... 3.12
831: May 29. an Sinsen.... ....... 537.109
838: May 20. an Sinsen... .. 31]
839: May 29. an Sinjen . .7
840: May 20. an Sinsen
1841: May 20. an Sinsen ........ 371
Thle. 238.12
Haben.
1833: May 20. an Capital zurückgezahlt......... 90.-
835: July 20. bezahlt.. 68712
836: July 20. bezahlt .... ...... 35.12
837: Juny 21. an Sinsen...... ..... 3712
838: Junh 27. an Sinsen.. ....... 353.12
841: May 8. den Rest des Capitals nebst rũckständigen
Sinsen bezahlt erhalften miit... .....4125. 18
Ausgleich zuviel berechnete Sinsen 8. -29. May 1841.. —.18
Thle. 238.12
Herrn Major v. Schlemmer, Dahier. Soll
oll.
Laut Handschein d. d. 14 ten Novbr. 1817 mit 50/0 jãheliche
Sinsen . . . . ..... .. Wo0. -
Die Sinsen sind bis 1836 noch rückständig.
Haben.
Das Kapital nebst Sinsen zurückgezahlt erhalten. —
Die althessische Familie Seelig stammt aus Hersfeld, wo sie
»is in das 15. Jahrhundert ununterbreochen als Färber und Acker-
»ũrger nachweisbar ist, und wo der Name (von saelde (2) oder
aal abzuleiten!) 3. T. auch Selig geschrieben, noch heute vor⸗
wommt: war doch 3. B. jener Hersfelder, der am 24. 12. 1806 einen