Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Da ganz tief drin, wo die geheimnisvollen Grundwasser 
rauschen, und brausen und wo Räume gebaut sind, zu denen 
vir noch nicht dürfen, weil sie zu groß und zu schön sind, 
da brennen der bleinen Leute Feuer, die geheimnisvollen. 
Und sie brennen die Kohlen und führten einst den begnadeten 
Menschon dahin, sie zu sehen. And er brauchte einen langen 
Veg, auch die Kräfte zu finden, die die bleinen Leute im 
Berge brauen. Nun aber endlich in unseren Tagen fand 
ꝛr den Weg zum Licht — Gott sei es gedankt! — das 
vir elebtrisch nennen, und so bonnten wir die Kraft und das 
Licht fangen, und es leuchtet auch uns heute hier beim 
Erzählen .... 
Da ging ein Mensch durch unsre Dörfer, der sah die 
wenigen Brunnen und das Mühen um das Wasser für 
Mensch und Haus und für das Dieh. Da erleuchtete ihm 
Hott das Herz und er schärfte seinen Derstand ganz spitz, 
daß er mit der Haselrute das Wasser im heiligen Berg 
uchte und fand. And es floß am Berg unter einem Hause, 
und es brauste und schwoll, und der Mann sprach: „Keißt 
das Haus abl“ Da lachten die Leute ihn aus. — 
Aber die Rute hatte das Wasser geweckt und gelockt. 
Es brauste mehr als je unter dem Hause, und es stieg und 
tieß das Haus um und brauste über Büsche und um Baum— 
tämme zu Tal und wüstete übel. Bis der adlige Mann 
zam, dem das Wasser gehorchte, und er bannte es in große 
Zöhren und spaltete es in tausend Leitungen, und es floß, 
vohin er wollte, und es bühlte und nährte und erquichte 
Mensch und Dieh, daß dankbares Goeschrei rings erblang. 
Da wollten die anderen ihm ein Denkmal setzen. Aber er 
erbot, seinen Namen zu nennen, und schrieb auf einen Stein: 
Frau Holles Feuer, 
Frau Holles Licht, 
Frau Holles Wasser. 
AUnd die Menschen waren voll Glückes über die Gaben 
»er Herrin des Berges. Da standen sie zusammen und 
nachten einen Bund, daß sie in jedem Jahr einmal, an 
inem Sonntag, wenn die Ernte geschehen sei, alle Jugend 
inaufschichen wollten in den hellen Kleidern des Spiels. 
Und die Kinder sollten auf den grünen Bergwiesen stehen 
ind springen und furnen und die Arme recken und sich 
eugen. Frau Holle, die Herrin des Berges, soll es sehen, 
vie die Menschen die helle Jugend ihr in die Hand geben, 
n Vertrauen und Liebe und als Danb für Wärme, Licht 
ind Fruchtwasser!“ — 
O, meine alte gute Mutter — meine Augen sind feucht, 
da ich Deine Worte höre.... Da Du wegräumtest, was 
alt war, da Du auseinanderlegtest das süße helldunkle 
sennere Deines warmen Weösens, da Du uns lehrtest, das 
anbbare Lied an Gott zu singen für seine herrlichen Gaben: 
— 
Weihnachten õ Von M. Lorenʒz. 
Kein Obdach ... Dem treuesten Mann wird bange. Denn der Dorn, drin Marias Mantel sich fängt, 
Zie stapfsen mühselig durch wehenden Schnee. 5teht in herzblutroter, duftseliger Blũte. 
Ach, Josef, wie ist mir im Herzen so weh.“ Im nächtlichen Schneesturm hat himmlische Güte 
Ihr Aiem streift heiß jeine bärtige Wange. Der Reinsten die blũhende Tröstung geschenkt. 
Schwer lehnt sie in seiner stüßenden Hand, Und sie lächelt mit weher, mit seliger Süße: 
Und des Schnees immer dichter streuende Flocken Hott weiß ihrem Jesulein Obdach und Streu! 
Hängen in ihren windwirren Locken Ihre trauernden Augen beleben sich neu, 
Vie ein Sternennetz aus lauter Demant. Und vertrauend hebt sie die zarten Füße. 
Ihre Blässe greift dem Getreuen ans Herz. Danb singt ihr Herz. Und die Hilfe ist nah. 
Wie biegt sich ihr Mund so qualvoll ermattet! Schon hinter der Schneehügel nächster Welle 
Die quellblaren Augen sind bange verschaͤttet Tröstet durchs Nachtblau die freundlichste Helle: 
Oom ersten nahenden Mutterschmerz. Ein Licht winkt, Kauch wirbelt, ein Dach ist da. 
„Gott, hilf!“ — Die Not schnürt dem Manne die Kehle. O Du Remste, Du Reinste, Gebenedeite: 
Doch wie unter Wimpern, vom Froste bereift, Hott weiß Deinem Jejsulein Obdach und Streu, 
Sein Blick verzweifelt die Nacht durchstreift, Wo des redlichen Mannes treueste Treu 
Kommt jubelndes Lallen ihm tief aus der Seele. Dich zur schwersten, zur jeligsten Stunde geleife ... 
Der Blũtendorn duftet im knisternden Schnee, 
Und im Stall lacht die Ros', ʒarter Wurzel entsprungen ... 
Liebe und Licht hat das Dunkbel bezwungen, 
Und weltenweit dröhnt nun von Engelzungen 
Wie Donner stark und doch süße gesungen 
Das heilige: Ehre sei Gott in der Höh'! 
v4 4 n 
Sücher als Miterzieher 
Es ist etwas Seltsames um den Einfluß, den Bücher 
auf die Entwicklung des Menschen ausüben. Da ist zuerst 
das Schullesebuch. 
Jahrzehntelang denkt man nicht an das alte Buch, bis 
uns blitzartig die Susammenhänge mit seinem Inhalt und 
irgend welchen Handlungen oder Entschließungen, die wir 
»ornahmen, klar wird. Unser Schullesebuch war von dem 
Hermanisten Philipp Wackernagel zusammengestellt. Es 
hestand aus drei Stufen, die, dem bindlichen Wesen an— 
gepaßt, mit seinem Alter Schritt hielten. Dies Buch teug 
mit Kecht den Titel „Deutsches“ Lesebuch. 
Nicht im großsprecherischen Sinne etwa brachte es 
deutijches Wesen zum Ausdruck, sondern als eine stille 
Selbstverständlichkeit war von deutschem Erleben in Glück 
und Not seiner Geschichte darin die Kede. Kommt zu 
5 Von Lotte Gubalke. 
inem solchen Lesebuch ein Lehrer, der Verständnis für die 
zeele des Kindes besitzt und deshalb zum erfolgreichen 
hermittler des Lesestoffes wird, so bann ein Kind glücklich 
epriesen werden, daß unter diejen Umständen seinen Schul- 
2benslauf beginnt. Es wird dann immer ein festes, wenn 
uch unsichtbares Band zwischen denen boestehen, die das 
leiche Schullesebuch im Gebrauch hatten. Wie es nicht 
ur nichts schadet, sondern im Gegenteil heilsam ist, wenn 
er Pfarrer ein wenig über die Köpfe seiner Suhörer hin— 
veg predigt, so zu sagen einen höheren Ton anschlägt, 
att sich herabzulassen zu seinen Hörern und dabei Gefahr 
ãiuft, allzuflach zu werden, ist es auch bei einem Schul— 
esuch bein Schade, sondern ein Vorteil, wenn sein Su— 
immensteller seine kleinen Leser nicht zu gering einschätzt, 
ondern lieber höher greift. Das menschliche Gedächtnis ist
	        
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