Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

sfammen von Professor Teichmüller, der in der Stadt lebte. Für 
ie Fahne selbst waren folgende Kosten aufzubringen: 2 Rilr. 
26 Alb. 8 Hll. jüũr Fahnenũberzug, 2 Rtilr. 5 Alb. 11 51l. für 
Fahnenbandelier, 11 Rtlr. für Fahnenseidenstoff, 11 Rtle. für ver⸗ 
joldete Fahnenspitze, 1 Rtlre. für vergoldete Fahnennägel, 35 KRtle. 
1.Alb. 8 Hlle. für Goldbesetzung um die Fahne, J Rtlr. 5 Alb. 
J Hlle. für schwarzes Tuch,. J Rtl. 4 Alb. für Schneiderarbeiten 
Schneider Brand), 3 Rtlr. 16 Alb. für Fahnenstock, 833 Rtle. 
28 Alb. für das Gemälde und die Schrift. 
Ein solch bostbares Symbol mußte auch in der gehörligen 
Form sjeiner Sweckbestimmung ũbergeben werden. Mit der Fahnen⸗ 
veihe sollte ein rechtes Volbofest für die gesamte Einwohnerschaft 
gefeiert werden. Monatelang hatten die Vorbereitungen gedauert. 
Am 8. Juli 1832 fand die Weihe statt. Leider sind in den Abten nur 
pãrliche Bemerbungen ũber das Fest selbst enthalten. Doch bann 
nan an ihnen den Verlauf verfolgen. Der Tag begann mit dem 
Aufmarsch der Kompagnie vor dem Rathaus. Von hier aus ging 
es zur Kirche. In feierlichem Suge wurde nunmehr die noch 
erhũllte Fahne in den Rathaussaal gebracht. Der prächtig ge⸗ 
chmũckte Saal zeigte an der Ostseite einen Altar, zu dessen Seiten 
ich die städt. Behörden, Geistlichkeit, Kreisverwaltung aufgestellt 
»alten. Vor dem Altar stand die Kompagnie in voller Aus— 
ꝛüstung. Gemeinsamer Gesang leitete die Weihe ein. Der Metro— 
»olitan Sũlch weihte die Fahne, und Bürgermeister Baumann 
übergab sie dem Hauptmann. Die Musik setzie ein, und nun ent— 
üllte sich die Fahne. Die Kompagniemiiglieder gelobten der 
Fahne Treue. 
Nach Beendigung der Feier zog man zum Lindenberg, dessen 
Anlagen inzwischen erweitert worden waren. Mächtige Ehren— 
pforten begrüßten die Gäste. Für des Leibes Wohlfahrt war hin— 
reichend gesorgt. Alt und jung vergnũgte sich am Topfschlagen — 
wie aus der Kechnung hervorgeht. Musik jpielte zum Tanz. Und 
dazwischen donnerten die Schũsse der Wehr. 1300 Schuß wurden 
Abgegeben und 18 Pfund Pulbver verbraucht, gewiß eine anständige 
Leistung. Bedauerlich ist es. daß ũber das Schießergebnis seldst 
nichts berichtet wird. Das Fest hatte einschließlich der Kosten für 
die Fahne 457 Rtlr. 1 Alb. 6 Hlle. an Ausgaben verlangt, denen 
Fahne der Melsunger Bürgergarde, Schriftseite. 
Dhotoꝗqraph H. Jungermann. Melsungen. 
ur 242 Rtlre. 2 Alb. 9 Hllr. Einnahmen gegenüberstanden. Aber 
nan lebte in dieser Hinsicht damals wirblich in guter, alter Seit. 
ber den „Defelt“ machte man sich keine Sorgen. Das Festkomitee 
hickte die Abrechnung mit sämtlichen Belegen dem Stadtrat zu. 
14 Ktle. 30 Alb. ꝰ Hllre. sollte die Stadt zahlen. Nach langen 
)erhandlungen mußte schließlich der Stadtrat auch diese bitiere 
ille schlucken, die aber der weltgewandte Bürgermeister dadurch 
u versüßen wußte, daß er in seinem Schreiben hierzu bemerkte, 
daß es doch ein schönes und wohlverlaufenes Fest gewesen und 
oll des Opfers wert gewesen!“, ja, er hofft sogar, daß der Tag 
das Fest) zu einer stetigen Einrichtung und einem sietigen Er— 
anerungsfest werden möchte. Ein solch zarter Wink von solch wohl- 
eneigter und zahlbrãftiger Behörde gegeben, fiel natürlich bei 
er Kompagnie auf fruchtbaren Boden. Hätten allerdings Stadt- 
at und Bürgermeister die Folgen dieses Hinweises geahnt, 
e hätten sich vorsichtiger benommen oder es wenigstens mit der 
rsten anerlennenden Bemerkung bewenden lassen. Denn auch der 
dompagnie hatte das Fest, das in eine solch günstige Jahreszeit fiel, 
ervorragend gefallen, namentlich die stadtseits bewilligte „feine 
abung!“ Sie beschloß, alljährlich das Schießfest zu fesern. Und 
amit hatten unsere lieben Melsunger ihr Volbsfest. Jedes Jahr 
urde es in der ursprünglichen Weise gefeiert, und dem Herkommen 
emäß übernahm der Stadtrat den „Defebt“, der mifunter eine 
anz ansehnliche Hõhe erreichte. Leider machte das böse Jahr 1850 
uch unserm Fest ein Ende. In diesem Jahre wurde es zum leßten 
Nal gefeiert, da die innerpolitischen Wirren der folgenden Jähre 
as Fest auf behördliche Anordnung unmöglich machten und später 
in politisch verärgertes Bürgertum diesen wunderschönen Tag 
licht wieder aufleben ließ. Das war bedauerlich, denn sonst hätte 
njer schoönes und liebes Melsungen sein Volbsfest wie die Eschweger 
»e Johannisfest, die Hersfelder ihr Lullusfest usw. Historisch ist 
er Tag begründet. Noch ist die alte Fahne da, ein Ausdruck 
olzen Bürgersinns aus einer Seit innerpolitijchen Ringens und 
ztrebens des Bürgers, und neben dieser Fahne stehen noch die 
zunftfahnen, auch Seichen eines großen Geschehens! Könnte da 
er Tag nicht wieder aufleben, das Fest nicht wieder entstehen, 
zin Fest, das von der Liebe zur Heimat redet, das alle die sammelt, 
zie den Erdgeruch der Heimatscholle draußen nicht vergessen Lönnen, 
ein Fest, das alle die jammelt, die noch den Duft des Heimat- 
»odens atmen, die Brücken zu Herzen schlagen wollen über die 
errissenen, hadererfüllten politischen Klüfte der Gegenwart! Auf, 
Meljunger, schafft euch euer Heimalfest! 
Ob allerdings der Stadtrat dann auch, alter Tradition folgend, 
»en Defekt auf den Stadtjäckel übernehmen würde, das muß die 
Zukunft lehren. 
Doch aus der verheißenden Subunft schnell wieder hinein in 
die mitteiljame Vergangenheit. 
Die Wehr trat in eine Seit ruhiger Entwickelung. Besondern 
Wert legt man auf die regelmäßigen Schießübungen. Pulber und 
Blei muß der Magistrat zur DVerfügung stellen. Einmal fordert 
zin weitblichender Hauptmann sogar 2/2 Sentner Pulver an. Diese 
Menge hätte Jahre genügt. Der ahnungsloje Stadtrat kauft 
den DVorrat. Das Pulver wird geliefert und eingestellt. Da erbennt 
man die Gefahr. Kommt das Seug mit Feuer in Berũührung, so 
gibts einen bedeutenden Knall und nebenbei wird ein Staͤdtteil in 
der Luft herumfliegen. Da hält man den Eulenturm für eine 
ichere Lagerstätte. Kaum hat man die recht erhebliche Sackzahl 
dort eingelagert, so stürmen die Anwohner das Rathaus. Duch 
ĩe versprechen sich nicht viel von einer unfreiwilligen Luftreije. 
Nun wird das Pulver in einem Gartenhäuschen in der Nähe des 
friedhofes gelagert. Nach wenigen Wochen steigen auch dem 
Hartenbesitzer Bedenken auf. Auch er möchte seinen Garten nicht 
rines Tages in der Nachbarschaft zusammenlesen. Man entschließt 
ich zum Verkauf, doch erst nach langen Verhandlungen wied man 
lSentner los. 
Natũrlich wurden die Gewehre bei dieser Massenschießerei 
ehr in Mitleidenschaft gezogen. Manche Mitglieder ließen auch 
hrem Gewehr beine sorgfältige Pflege angedeihen. Ein vorliegendes 
Kevisionsprotoboll (12. 1. 1849) blagt sehr ũber den schlechten 
SZustand der Gewehre. Es fehlen einzelne Teile, ja 18 Stück 
aben sogar den Hahn verloren. Eine gründliche Reparatur 
rachte dann Abhilfe. 
Sesonderes Interesse beanspruchten die alljährlichen Wahlen. 
hauptmann. Offiʒiere, Unteroffiziere u. a. m. mußten jedes Jahr 
ieu gewãhlt werden. Die Wahlen mußten gesondert durch Stimm- 
ettel erfolgen. 82 Wahlen waren vorzunehmen und erforderten 
inen ungeheuren Papieraufwand. Der lange Seit die Kompagnie 
efehlende Hauptmann Klepper fordert 35. B. am 23. 8. 18544 , 3u 
der bevorstehenden Wahl 53472 Stimmzettel“ beim Stadtrat für 
171 Mitglieder an. Natũrlich ging diese stundenlange Wahl nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.