Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

hindung der Heege im Herrschaftl. Walde 120 Alb.“, wobei wir 
s wohl mit einem Verbot des Viehhütens zu tun haben. Nr. 16 
erzeichnet „von den Gmos-Brunnen zu reinigen 1 Guld.“ Die 
rei Posten unter Ne. 117 weisen folgende Ausgaben nach: „für 
rey“ Quittungsbũcher 14 Albus; fũr Happels Unterricht jür Vor⸗ 
nũnder 1 Gulden 4 Albus; bey Verpflichtung der Dorfbedienten 
st verzehrt worden 12 Albus.“ Die drei Quittungsbũcher dũrften 
ür den Gemeinderechner bestimmt gewesen sein. Nach dem anderen 
Punkt scheint der GemeindeWaisenrat in jeinen Pflichten unter⸗ 
viejen worden zu sein. Und die Wahl der „Dorfbedienten“ war schon 
amals eine feierliche Handlung, bei der die Kehlen nicht trocken 
oleiben durften. Richt ohne Kopfschũtteln aber wird mancher 
„laut Bescheinigung Ne. 18* lesen: „Dem Schulmeister vor drey 
Weege nach Wolfshausen und Marburg bey der Kaiserl. 
Einquartierung 22 Albus 4 Hllr.“ ausgezahlt. Konnte der auch 
nicht die Wege umsonst machen, und war der ausgeworfene Be— 
rag nicht viei zu hoch? Nun, wir wissen, daß die Besoldung der 
Lehrer in damaliger Seit geradezu erbärmlich war. Aber zu 
diesem Punbt äußert sich auch der Kechnungsprüfer nicht, wohl 
wber fũgt er, nach damaliger Anschauung vielsagend diesem Aus- 
Jabeposten zu: „paßirt vor dasmal, künftig aber nicht, weilen der 
Schulmeister zum Ankterricht der Kinder im Christenthum und nicht 
zum Herumlaufen angenommen ist.“ -e. 
Der Koloradobäfer. 
Otto Rehfuß, im alten Hessenstädtchen als schnurriger Kauz 
ebannt, fuhr mal mit einem guten Freund „in die Lande“, wie 
»x die Heckennester zu nennen beliebte. Auf der Heimfahrt sah 
r auf den Feldern an der Straße so schöne Krautböppe, daß er 
om Wagen sprang, sich die schönsten absjäbelte und auf den Wagen 
varf. Bas sah die Eigentümerin des Ackers von weitem, und 
ntrũstet rief sie ihm zu: „Was machete denn da? Das dörfete 
och net dunn!“ Darauf ging er seeleneuhig hin zu der Frau, 
zellte sich als Profesjor Sowieso aus Berlin vor und hielt ihr eine 
roße Rede über den Koloradobäfer, der gerade hier jehr starb 
iuftrete, und wie gefährlich er sei, und daß man ihn als KRegierungs- 
ommlijsar zur Bekämpfung des bösen Käfers hierher geschickt 
abe. Und als Re—gle —rungs —om —mij—jsar müsse er jelbstver⸗ 
tändlich jeine Pflicht iun. Die Frau, die vor dem närrschen Wort 
hon fast auf den Räcken fiel, entschuldigte sich bei dem Herrn 
Drofesjor, der weiterhin Krautböppe absäbelte, auj den Wagen warf 
ind vergnügt von dannen fuhr. K, 
—An— 
Lotte Gubalkbe. 
Die Dichterin Lotte Gubalbe, unseren Lesern durch ihre Mit- 
arbeit an den Heimat-Schollen bebannt, beging am 31. Oktober 
hren T0. Geburistag. Sie ist als Kind des Medizinalrats Kot- 
Jamel in Witzenhausen geboren, wo sie eine sonnige Jugend verlebte. 
Ihrer Neigung solgend, vermählte sie sich mit dem bedeutend älteren, 
hochgebildeten Pfarrer Gubaibe in Thüringen, den seine Welt- 
inschauung später aus seinem Amte scheiden ließ. In der nun 
olgenden jchweren Seit reifte Lotte Gubalbe zur Dichterin. Sie 
hat sich einen ehrenvollen Platz in der modernen Frauenliteratur 
erkämpft. Wer den Weg zu ihren feinen Süchern finden will, 
eginne mit ihren Erzählungen in Reclams Aniverjsal-Sibliothek 
(NAr. 4800 und 4815) und in Hesses Volksbũcherei (Ne. AS / A0, 
—571, 572, 617/18). 
Von der Jugendherberge in Hausen. 
Grauer Herbsttag am Hohen Meißner. Schwere Wolllen- 
geschwader wälzen sich in endloser Folge über jeinen tannenzacki- 
jen First. Fahler Schnee flockt da und dort im braunnassen Vor⸗ 
ande, darüber immer wieder eisige Schauer hinfegen. Dann 
uckt sich das Hochlanddörfchen Hausen noch tiefer in die Tal- 
chlucht, die jäh von der Höhe herniederstürzt. 
„Wer im Sturme lujstreijet, ist unklug“, jo Lommt mir im An— 
teigen ein langvergessener Vers aus dem „Siebzigsten Geburts- 
ag?. Das moͤgen heute wohl viele gedacht haben — ohne den 
illen Voß — und der Einweihung der Jugendherberge fern ge⸗ 
olieben sein. Ein spärliches Trüpplein „Unentwegter“ ist es, das 
»eim Morgengeläut in Hausen einzieht. 
AUmso freudiger wird das schmucke Häuschen am brodelnden 
zteinbach begrũßt, das sich heute mit Tannengrũn festlich gewandet 
zat. Der Herbergsvater hat den Tagesraum wohi geheizt. Heller 
Vandbewurf, lichte Scheibengardinen lassen das Stübchen so trau—⸗ 
ich erscheinen. Gut stimmen dazu die schlichten Bauernstühle 
ind Bänke. Hier fühlt man sich heimisch. Der Herbergsleiter, 
dehrer Franke, Haujsen, begrüßt herzlich die Gäste und erzählt in 
auniger Weise von den mancherlei Schwierigkeiten, die den Aus- 
au dieses Hauses erschwerten. Früher war es ein Gemeinde- 
»aus, völlig verfallen und — wohl dem Wert entsprechend — für 
zanze 50 Pfg. verpachtet! Der Ausbau hat 5000 RM. erfordert. 
dasũr steht das Häuschen aber auch vom Keller bis zum Boden 
bohnlich da. Von den laufenden Einnahmen glaubt der Herbergs- 
eiter die Wände noch mit lustigen Fresben von Künstlerhand 
chmũcken lassen zu bönnen. 
VDom Sweigausschuß für Jugendherbergen bringt Turnrat 
Zuchenau⸗ Cassel Gruße und Glũckwũnsche. Der grauboöpfige, aber 
och herzensjunge Turner und Wanderer findet treffliche Worte 
ũr den Wert der Jugendherbergen. Er schließt mit dem Wunsch, 
aß sie recht vielen jungen Menschen frohe Stunden der Kast 
eben möge. Der Vorsißende des Werratalvereins Witßzenhausen 
etrachtet die Jugendherberge als das Patenkind jeines Sweig- 
ereins, dem diejer 30 RM. zum weiteren Ausbau als Paten- 
eschenk gestiftet hat. Anschließend wurde die Herberge besichtigt. 
zie enthält neben dem Tagesraum eine Küche, ein Lesezimmer, 
rei Schlafstuben mit insgesamt 16 Betten und im Bodenraum 
och 20 Schlafplätze. Alle Räume sind heizbar, sodaß auch den 
Vintergãsten, die des prächtigen Schneeschuhgeländes wegen zahl⸗ 
eich zum Meißner bommen, ein behagliches Unterkommen ermög- 
icht wird. Adolf Häger. 
Vom Eisenberg. 
Der Eisenberg, der jetzt durch die Errichtung einer Segel⸗ 
ugschule in den Mittelpunbt der Beachtung rückt, trägt noch Reste 
iltgermanischer Kultstätten aus der frühen HügelgräberBSronzezeit 
16000 - 1500 v. Chre.). Nach Walter Sremer soll sich um 2500 vp. 
chr. ein Hietenvolk aus dem Gebiet des Niederrheins hier seßhaft 
jemacht häben. Später ging es zum Achkerbau über, der es in 
ie Täler niedersteigen ieß. Eine zweite Besiedlung muß der 
fisenberg im Mittelalter erlebt haben. Da lief die Straße von 
er Wetierau nach Thüringen ũber den Eisenberg. An den hier 
efriebenen Eisenbergbau erinnert noch der Name „Ertzebach“. 
Marie Martin . 
In Cahsel verschied an den Folgen eines Schlaganfalles die 
essijche Schriftstellerin Marie Martin, die sich um eine vertiefte 
Biidung der deutschen Frauenwelt verdient gemacht hat. Sie 
war die Tochter des Superintendenten Wilhelm Martin in Nieder- 
meiser und wirkte als Lehrerin an den staatlichen Seminaren zu 
Trier und Berlin. Durch Aufsätze pädagogischen, religiösen und 
ozialen Inhalts wirbte sie auf einen weiten Kreis. Ihr schönes 
Such „Deuͤtsches Heimatglück“ trug ihren Namen durch ganz 
Deutschland. Ihren Lebensabend verbrachte die nunmehr Ver— 
torbene in Cassel. 
Vollbs kundliches. 
Am 28. Obtober sprach in der Volbshochschule zu Hersfeld der 
Schulrat Dithmiar aus Eschwege ũber den „Hessischen Volbswitße, 
er sich besonders in den ‚„Annamen“ der Städte und Döefer be⸗ 
zundet. Der Vortragende beschäftigte sich besonders mit den Spott- 
ramen der Städte und Dörfer seines Wirkungskreises und den 
Schnurren, die jedem dieser Orte anhaften. Von 10 Orten haben 
50 Spottnamen, als deren Hauptquelle der Vortragende die Armut 
des Landes und die starke Diehwirtschaft der Bewohner ansieht. 
Geographijche Namen. 
Im VBerein für Erdkunde zu Cassel hielt Kebtor Karl 
heßler, der bebannte Herausgeber des dreibändigen Werkes 
Hessische Landes· und Volkskunde“ einen Vortrag ũber unrichtige 
fluüußnamen und Ortsbezeichnungen in Hessen. Der auf 
dem Meßtischblatt der preußischen Landesaufnahme als Quellberg 
hezeichnete Serg unterhalb Wolfsanger ist noch auf den kurhessischen 
Seneralstabskarien Quelberg genannt. „Quel“ oder „Quern“ ist 
ach Heßler eine altdeutsche Sezeichnung für Mähle, sodaß also 
Quelberg — Mühlenberg und Queigraben — Mählengraben bedeuten 
würde. Aus dem Dorjnamen Spickershausen an der Grauen Kaße 
hat das amtliche Meßtischblatt ein Spiebershausen gemacht. Der 
ichtige Name geht auf Spicke, eine Art Sommerbrücke über die 
Fulda, zurũck. Die geologische Karte, Blatt Gudensberg, nennt 
die Steinjäule bei Maden Wotansäule. Nach Heßlers Ausführungen 
par sie dem Gott Siu geweiht und stellte eine Irminsäule dar. 
Die vielumstrittene Frage „Eder oder Edder?“ entscheidet Heßler 
zugunsten der zweiten Ramensform als die „Eilende“. Die Wilde 
zei Bad Wildungen hat nach dem Vortragenden noch im vorigen 
Jahrhundert den lanoͤläufigen Namen „Wülfte“, Wässerlein vom 
Volfsberg, getragen. 
Nachdruch nue nach Abereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. 
Herausgeber? Konead Bernecher. Deuck und Verlag: A. Bernecker, Meljungen.
	        
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