Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Kede sein, und es war ihr nicht möglich, ihren Aufgaben gerecht 
zu werden. Wenn der Maire Volckmar am 17. November 1809 
Erlaubnisscheine für acht auswärtige Hausierer: Erlanger 8F Comp., 
Salomon Süß, Raphael, francisco Ferrari, Franc. franconi, Joh. 
Jost Mäller, Joh. Jost. Vehle und Sebastian Oppenius erteilt, 
dürfte es sich um solche Patente handeln. 
Im Mittelalter lag den Sünften unter Oberaufsicht der Stadt⸗ 
perwaltung die Versorgung des lolalen Marktes ob. Landgraf 
Karl erließ am 29. Juli 1693 die erste Sunftordnung in Hessen. 
In den letzten Jahren vor der Fremdherrschaft unterschied man 
hier jechs Klassen von Handwerbern. Durch Geseß vom 5. Aug. 
1808 wurde der Sunftzwang aufgehoben und eine allgemeine 
Gewerbefreiheit eingeführt). Alle Sünfte und Gewerbs-Korpo⸗ 
rationen wurden durch Dekret vom 22. Jan. 1800 aufgehoben 
und deren Vermögen und Schulden vom Staate übernommen. 
Welche Wirbungen das für Frankenberg hatte, dürfen wie ermessen 
an dem Beispiel Marburgs, wo am 
10. Sept. 1800 in der Wollweber⸗ 
zunftstube in Weĩdenhausen die Zunft- 
iaden, Kannen und Herbergsschilder 
perbauft wurden, nachdem man schon 
am 5. Sopt. die bupfernen Kannen, 
Tische, Bänke und andere Schuh— 
macherzunftgerãte verkauft hatte. An⸗ 
statt die Zünfte zeitgemäß zu ver— 
bessern, nahm man eine verfrũhte Auf⸗ 
lösung der Sünfte vor. Da ein Patent 
zur Ausũbung eines Gewerbes leicht 
ꝛrworben werden bonnte, war der 
Pfuscherei Tür und Tor geöffnet. 
Ein nicht zu rechtfertigender Eingriff 
in die Privatrechte aber war die 
Einziehung des Sunftvermögens. 
Trotz der Abneigung gegen die 
alte Gewerbeverfassung ließ sich Kur⸗ 
fürst Wilhelm L nach seiner Rückbehr 
fũr eine Wiedereinführung des alten 
Zunftzwanges bestimmen. Bereits am 
3. Wärz 1816 wurde die burhessische 
Zunftordnung bekanntgegeben. 8 12 
derselben bestimmt: „Alle Arten von 
Gejpinst, Weberei und Tuchbereitung 
sind jedermann ... gestattet“. Und 
der 8 16 sjagt u. a.: In den Städten, 
in denen vor 1801 beine Zünfte be— 
standen hatten, wie in Gemünden, 
Kosenthal, Schweinsberg, Bocken⸗ 
heim u. a. bönnen die sjonst zünftigen 
Geworbe von den Handwerbern un— 
ʒünftig fortbetrieben werden. 
Außer 464 bontribuablen Hãusern 
befanden sich (1188) in Franbenberg 
bier freie Häuser, der Tuchmacher. 
zunft und dem Färber Kuhn zustehend, 
„als das Färbe Bleich Haus und die 
Tuchmacher Walkemühle und die der 
Zeugmacherzunft gehörige Walke— 
müũhle“. In der Stadt wohnten: 475 
Männer, 5600 Weiber, 614 Söhne, 
143 Töchter, 41 Gesellen und Lehr— 
ungen, 31 Knechte, 124 Mägde, mithin 
in Summa 2594 Menschen“. Darunter 
waren fsolgende „Hantierungs- und gewerbetreibende Personen“: 
a) Sũnftige: 83 Tuchmacher, 15 Krämer und Handelsleute, 25 
Schuhmacher, 23 Weißgerber, 8 Sattler, 23 Lohgerber, 19 Metzger, 
JSchmiede, 8 Schlosser, ꝰ Schreiner, 1 Sinngießer, 2 Drechsler, 38 
Bäcker, 12 Schneider, WLeinweber, 15 Seugmacher, 4Hutmacher, ꝰ 
Strumpfweber, 10Maurer, 1Schiefer-oder Dachdecker,Eijenhändler. 
b) Unzünftige: 83 Knopfmacher, 2 Kupferschmiede, 5 Faß 
bender, 1 Töpfer, 1 Wagner, J Schornsteinfeger, 2 Apotheber, 
wovon einer zugleich Doctor medizinae ist, J Chirurgius, 2 Bader, 
1 Clanteur, J Musikant und Turmmann, 6 Seifensieder, 8 Fenster⸗ 
macher, 3 Simmerleute, 8 Tuchbereiter, 1 Schweinehändler,] 
Wollkämmer, 40 Ackerleute, welche neben ihrem Ackerbau um 
Lohn ackern und fahren, auch Keitpferde um Lohn halten, 1 Schön⸗ 
färber, 1J Waidfärber, 1 „ledern Hosen Schneider“, 1 Buntpapier— 
'abrikant, 3 Buchbinder, 1 Cernquier, „so eben angekommen und 
noch ein Freijahr hat“, 144 Tagelöhner und einzelne Weibs- 
oersonen, welche nähen, waschen und mit Stricken für andere Leute 
) Bovensiepen, Kurhess. Gewerbepolitik. 
ich nähren, 17 Lohn-Schäfer, 4 Schutz · und Handelsjuden, 6 Wirte, 
Braumeister, 6 Branntweinschãnber, so auch, die BäckerPro⸗ 
ession dabei treiben, J Weinwirt, 5 Branntweinbrenner, 5Mahl· 
nüller incl. der 2 Stadtmũller, 3 Gloder Schlagmüller, 2 Schneide⸗ 
nüller, 1 Papiermacher, 2 Walbkemüller, bei welchen aber der 
Ackerbau die Hauptjsache ist. 
Kolonialwaren, damals „Bremer Waren“ genannt, vertrieb 
der „passive“ Handel; und da die Kinder derjenigen Honoratioren, 
enen das Studium nicht gestattet war, sich der, Kaufmannschaft 
widmeten, gab es)) Kaffeehandler schon im Abermaße. Auch 
mit dem Vertrieb von Südfrũchten und Sucher beschäftigten sich 
»iele. Im Jahre 18171 waren in Frankenberg folgende Kaufleute: 
Jacob, Hch. Andr., David und Just. Hch. Trojt, Wilh. Finger, 
Bg. Vöhl, Andr. Schade, Gg. Sumbe, Konr. Schade, Dav. Renner, 
Joh. Hch. Hayn, Gabr. Schönfeld und Kasp. Loderhose. 
Oerhältnismãßig früh hören wir von den Tuchmachern in 
Franbenberg, und die Angehörigen 
des Klosters St. Georgenberg traten 
bald (1290) mit ihnen in Wettbe⸗ 
perb. Von den altherbömmlichen 
Handwerkern waren die Wollentuch⸗ 
macher die bedeutendsten und hatten 
den größten Verdienst. Su ihrer 
Zunft gehörten auch, wie in Mel⸗ 
jungen, eine Anzahl Meister, die 
einen Teil des Unisormtuches für die 
»ejsischen Truppen lieferten. Daß 
zie hiesigen Tuchmacher mit denen 
ainderer Städte im vorigen Jahr— 
hundert nicht gleichen Schritt hielten 
wenn auch ein „Industrie⸗Verein“ ins 
Leben trat und 18608 bis 1810 eine 
Spinnereĩ· Gesellichaft der Tuchmacher 
»estand) ist wohl eine Tatsache. 
Doch hatten noch 1817 nicht 
vweniger als 25 Meister Tuchrahmen 
auf dem Weidland: Jab. (Ww.), 
Joh., Andr., Johs., Christen, Konr. 
und Wern. Beyer, Just. und Hieron. 
(Ww.) Giebelhaus, Konr. Willers⸗ 
dorf, Hch. Johs. (sen. u. jun.), Hartm. 
und Gg. Reuschäfer, Kon. (sen. u. 
un.)) Dan. und Jab. Schade, Chstn. 
Dietrich und Johs. Keil, Hch. Adler, 
FIdch. Cramer, Dan. Võhl, Nib. Sirgaci. 
Einen matten Abglanz von dem 
rinstigen Ansehen, das die Tuchmacher 
in Frankenberg genossen, bietet folgen- 
der Vers, den die Armen bei Feiern 
der Tuchmacher noch im vorigen 
Jahrhundert aufsagten, um elne Gabe 
u erhalten: 
Die Tuchmacher, das sind Grafen, 
Zie arbeiten die Wolle von Schafen. 
Die Tuchmacher, das sind Fürsten, 
Sie teinken, wenn sie dürsten. 
Trinken sie nicht Bier und Wein, 
Treinken sie doch Branntewein. 
daßt uns nicht zu lange stehn, 
Denn wie müssen noch weiter geh'n 
Preußen und andere Nachbar— 
staaten legten hohe Sölle auf die 
Ausfuhr mancher Rohstoffe und die 
finfuhr fremder Waren, worunter besonders die Lohgerber, 
Topfer, Seinweber und Wolltuchfabribanten litten. Die Perũcken⸗ 
nacher, vor allem aber die Weißgerber, wurden durch den Wechjel 
er Mode geschädigt. In Marburg (Kämmer 28) und wohl auch 
n Franbenberg wurden die schaf- und wildledernen Hojen 1818 nur 
ioch selten bei Arbeitsleuten gesehen, wohl aber wurden sie etwas 
I auch in besseren Kreisen noch getragen, wie wir noch hören 
verden. 
Vordem war die Loh- und Weißgerberei in Frankenberg sehr 
erbreitet. Die uns aus dem Jahre 1817 zugänglichen Vamen 
der 23 Mitglieder der Lohgerberzunft sind: Joh., Hch. Andr., 
Jab. (en. u. jund), Kasp. und Hch. Finkeldey; Konr. Hch., Andr. 
ind Joh. Hch. Prinz; Dan., Jost Henr. Ehstn., Johs. Kirchen- 
erwälter und Kämmerer Loderhose; Wern. Chstn. und Gg. 
Menzler; Heinr. und Wern. Ortwein; Johs. Kindelaub; Davb. 
Fenner. Vier Glieder der Familie Loderhose hatten je 3wei 
Kalbbauten inne, alle ũbrigen Lohgerber je eine. 
7) in Melsungen, Seitsche. 25 6. 
Kinder-Grabmal auf dem Hersfelder Friedhof. 
Copyright: Foto Zinn. 
5pãtherbst mit seinen grauen Nebeltagen, seinen sturmdurchschauerten Nächten 
ind dem besinnlich stimmenden Totensonntag fingt vernehmlicher als jede 
indere Seit des Ieheg⸗ den dumpfen Choral von der VDergänglichbeit alles 
Irdischen. Das Leben überdaueende LSiebe schmückt und pflegt die Kuhe- 
tãtten der Verstorbenen. Ein ergreifend wirkendes Werk neuzeitlicher 
Friedhofskunst gaibt unser Bild in dem Kinder-Grabmal auf dem Hersfelder 
Friedhof wieder.
	        
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