Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

ihn der Haft nicht erlassen wolle, da ihm Schreiben zukämen, 
daß er sich bei anderen Pfarrherrn ungebührlich verhalten und 
da er ihm zukäme, daß an einem Mantelchen und, wie er itzo 
hefunden, zu erbennen sei“ (der Treysaer Schultheiß scheint bei 
dem letzten Satz etwas aus der Konstrubktion gefallen zu sein). 
Es muß ein ganz gefährlicher Bursche, mit allen Salben 
gerieben, gewesen sein, dieser falsche Amtsbruder, der die 
echten so übel begaunert hat. Nicht genug, daß er den 
anzupumpenden Pfarrherren eine gefälschte Empfehlung des 
hebannten Hofpredigers vorweist; um sie für diese Empfehlung 
rmpfänglicher zu machen, bindet er ihnen auch noch auf, der 
Hofprediger sei zum Visitator ernannt und werde in den 
nãchsten 14 Tagen hie und da visitieren (und sich natürlich 
erkLundigen, wie sie den armen Exsulanten aufgenommen). Als 
Exsulanten bezeichnet er sich in den beiden vorliegenden, fast 
gleichlautenden Bittschriften, deren eine er dem Magistrat zu 
Treysa überreicht hat, während die andere an einen Junker 
— vielleicht den Siegenhainer Hauptmann — adrossiert ist. 
Beide Sittschriften sind noch von einer zweiten Person, die 
ja auch der Bericht des Schultheißen nennt, die aber sonst 
— 
als Samuel Schonfeldt, das andere Mal als Samuel Leihaus. 
Sie geben an, daß die Bittsteller aus Ungarn Lommen und 
dort Feldprediger unter dem Wohlgebornen Herrn Melchior 
h. Rädern gewesen, aber „von genanntem Patrono, weil er 
zum lügenhaften Szepter der Papisten getreten, verlassen“, 
aun im Exilio leben und auf fremde Hilfe angewiesen sind. 
Die Sittschreiben sind mit frommen Worten und Wünschen 
eeichlich gespickt, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn 
auch verständige Leute darauf hineingefallen sind, da der- 
gleichen Angaben in jener telephonlosen und verkehrsarmen 
Zeit auf ihre Kichtigkeit kaum nachzuprüfen waren. Erst 
das Betragen des Schwindlers — denn um den einen 
MNeander) handelt sichs in erster Linie — und die von ihm 
oerübten Diebstähle haben die Betrogenen auf die Unwahr- 
scheinlichkeit ihrer Angaben aufmerbsam gemacht und die 
Anzeige und Verhaftung herbeigeführt. 
Auch die angebliche Empfehlung des Bittstellers durch den 
Hofprediger Schönfeld und dessen Anweisung an die Pfarrer 
ist in ganz geschickter amtlicher Form abgefaßt, vielleicht ist auch 
die Schrift des Hofpredigers nachgeahmt, sodaß der Betrug nicht 
leicht zu erkennen war. Sie lautet nach dem vorliegenden Original: 
„Auf Befehl unjres gnädigsten Herrn sollen die Pfarr- 
herrn des Landes gegenwärtigen Heren, so Feldprediger in 
Ungarn gewesen, aus der gemeinen Kirchenkasse, nach eines 
jederem Vermögen etwas mitteilen, damit sie sich desto baß, 
weil auch einer unter ihnen mit Leibesschaden beladen, er— 
halten und fürstlicher Gnade zugesagte promotion erwarten 
mögen. Actum Cassell in die conversionĩs Pauli ao. 99. 
gez. Greg. Schonfeldt D. Hofprediger mp.“ 
Auf der Rüchjeite steht in anderer Schrift: „D. Schönfeldts 
Vorbittjchrift im Namen unsres gn. F. und Herrn ausgegangen“, 
und weiter unten: „Ist falsch uff's Täters eigen Bebändtnus.“ 
Neben dieser gefälschten Empfehlung des Hofpredigers 
liegt dann eine Klageschrift an den Hauptmann von Siegen 
haĩn, datiert Borben, 117. Februar 1509, von 4 Pfarrern, 
Johann Streicher zu Borben, Sacharias Freund zu Naßen- 
erfurt, Johann Auwel zu Dillich und Gerlach Kreölin zu 
Zimmersrode, unterschrieben, worin der saubere Feldprediger 
„ein spitzbübijcher Schelm und Dieb“ genannt wird. „Er 
hat viel von D. Schönfeld wissen zu sagen, der sei sein 
Detter, sei Superintendens worden und werde bald zu ihnen 
zommen, und er seĩ Pfarrer zu Merdenhagen (Wartinhagen), 
hat auch einen geschriebenen Catechism gezeigt, welcher sollt 
Jeftruckt werden. den ihm der Doct. geschenkt haben solle. 
Er soll auch viel Geld bei sich, und darunter etliche Stück 
Hold und harte Taler gezeiget haben, welches er ohne 
zweifel nicht so redlich wird überkommen haben.“ Es folgt 
die Bitte, daß der Hauptmann von dem Besitz des gefäng- 
ich eingezogenen Spitzbuben die geplünderten Armenbasten 
vieder zu ihrem Gelde möge kommen lassen. 
Daran gehängt ist ein Postskriptum des Simmersroder 
Rarrers: „Dieser leichte Gesell hat auch seines Namens 
erleugnet, sich zu Neuenheim Emanuel, zu Simmersrode 
zoorgius Schönfeld genennet, item zu Neuenheim bei Hennen 
Albriten, da er 2 Nächte bei geherberget, mit 5 Gold- 
tücken und etlichen harken Talern gepranget, überm Gesäuff 
Hott und seinen heiligen Namen schändlich gelästert, von sich 
esagt, er sei kein geistlich, sondern ein weltlich Pfaff, item zu 
fefurt, Simmersrode und anderen Orten sich vor einen 
dediggesellen ausgeben, item zu Erfurt um des Pfarrers 
Tochter fragen lassen, ob er dieselbe nit konnte zur Ehe be— 
ommen, denn er sei Pfarrer zu Merdenhagen, damit ihn 
imser gn. F. u. Herr Landgraf Moritz zu Hessen begabet 
ätte. Was nun aus solchem vergessenen leichten Gemüt zu 
chließen, Lönnen Ew. Gostrengen leichtlich ermessen.“ 
Man scheint damals in Hessen prompte Justiz geübt zu 
»aben. Am 15. Februar 1599 hat der Simmersroder Pfarrer 
Zlage gegen den falschen Amtsbruder beim Schultheiß zu 
Treysa erhoben, am 160. hat der Schultheiß den Gauner schon 
ingezogen und verhört und mit einem Bericht trotz seines 
zträubens gefangen an den Hauptmann Eitel v. Berlepsch 
ach Siegenhain abführen lassen. Und bereits am 11. sendet 
Serlepsch ihn mit einem Begleitbericht, der die von dem 
zchultheißen vorgebrachten Tatsachen wiederholt und das 
fingeständnis des übeln Gesellen samt seinen faulen Ent— 
huldigungen enthält, an die Gestrengen, Edlen, Ehrenvesten, 
dochgelehrten Herren Cantzler und Käte, seine insonders 
juten Freunde in Cassel, und wartet auf Kosolution, „wie 
nan sich gegen ihn (den Spitzbuben) verhalten solle.“ 
Leider lasjen die vorliegenden Abten diese Kesolution 
ʒermissen und schweigen über den Erfolg der Klage. Den Kopf 
vird es dem Spitzbuben nicht gebostet haben, er wird ver— 
nutlich nach einer längeren Gefängnishaft über die Grenze 
bgeschoben sein, da man solche Gesellen immer lieber 
en Bewohnern des Nachbarterritoriums gönnte als den 
ignen Landesbindern. Um so sichtbarer tritt der Erfolg der 
fente uns entgegen, die der falsche Feldprediger im Hessen- 
ande gehalten, in Gestalt einer Sammelliste, die an ihrer 
5pitze die Anweisung „Was mitgeteilet wird, soll aufge- 
eichnet werden“ mit der angeblichen Anterschrift des Hof- 
redigers Schönfeld enthält. Danach haben gespendet der 
Zotteskasten zu Geismar 18 Alb., zu Lohne 18 Alb., 
Zirchberg 19 Alb., der Vogt zur Gershausen (7) 14 Alb., 
Hottesasten Niedenstein 20, Schitz (Obervorschütz) 18, 
Obermölleich 13, Niedermöllrich 16, Gensungen 18, Sennern 
16. Homberg 20, Großenenglis 16, Günstedt 16, Arns- 
ach 16, Kerstenhaujen 16, Borben 18, Kleinenenglis 80, 
dillich 18, Simmersrode 18, Allendorf a. Landsburg 14, 
»er Dogt zu Erfurtshausen 18, 2 Pfarrer ex propriis 
8 lb. Ein anderer Settel verzeichnet als weitere Gaben 
KReichstaler vom Gottesbasten Sischhausen, 13 Alb. vom 
Rfarrheren zu Simmersrode gesteuert, Gudensberg ex aerario 
O Alb., Gottesbasten zu Niedenstein 20 Alb. Homberg aus dem 
Hottesasten 1 Reichstaler, Gottesbasten zu Borben 20 Alb. 
Es muß doch ganz lohnend gewesen sein, damals in Hessen 
en ungarijchen Feldprediger a. D. und vertriebenen Exsulanten 
u spielen, eine Art Vorspiel für die Kriegsgewinnler unserer 
zeit. Wenn man doch für letztere auch einen Schultheiß von 
Treysa und einen Hauptmann von Siegenhain fändoe! 
9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.