Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

„eimat · Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatkunst 
—— 
Erscheinungsweise 2mal monatlich. Bezugspreis 1,20 Mop. im Vierteljahr. Frühere 
Jahrgänge können, soweit noch vorrätig, vom Heimatschollen-Berlag nachbezogen werden 6. Jahrgand 
Der falsche Feldpyredigern d Von Thoodor Apel. 
Daß es auch in der guten alten Seit zu Ende des 
16. Jahrhunderts an geriebenen Gaunern und Schwindlern 
aicht gefehlt hat, bezeugt ein Abtenstück aus der Orts- 
ꝛepositur Treysa des Marburger Staatsarchivs mit der 
Aufschrift: „Betrifft Einen, so sich Lucas Neander genennet 
auand für einen gewesenen Feldprediger in Ungarn ausge— 
geben, auch falsche Briefe gemacht, wie nicht weniger ein und 
andres entwendet, weswegen er eingezogen worden amo 1599.“ 
Das Stück beginnt mit einem Bericht des Treysaer 
Schultheißen Dauer an den Hauptmann der Burg Siegen- 
»ain, Eitel v. Berlepsch, worin er meldet, „das gestriges 
Tages der Pfarrherr von Simmersrode mir blagend vor— 
gebracht, nachdem einer, so sich Lucas Neander nennt und 
ein Feldprediger in Ungarn gewesen sein will, samt sonsten 
noch einem ihn um ein Viaticum (Sehrgeld) angesprochen 
uind sjich berufen auf eine Vorschrift, die ihm auf Befehl 
injres gn. Fürsten und Herrn von D. Gregorio Schönfelden, 
Hofprediger zu Cassel, mikgegeben worden, und dabei an— 
gezeigt, wie eben berührter D. Schönfeld Visitator worden, 
er auch innerhalb 14 Tagen hin und wieder zu visitieren 
entschlossen sei, daß er ihm für seine Persone!/ fl. und 2 
Mahlzeiten, aus dem Gottesbasten aber J1 Keichstaler habe 
zugeführet. Als er, Kläger, aber zu Waltersbrück eine 
Predigt zu tun gehabt und diesen Gast zu Hause gelassen, 
pabe er ihm einen Petschaftring beneben sonsten einem King 
und einen Sahnstiecher gestohlen und sich darmit aus dem 
Staube gemacht. Dieweil nun der Täter allhier zu Treysa 
angelangt sein jolle, so wolle er mich gebeten haben, Amts 
wegen mit allem Fleiß nach ihm zu forschen und ihn als 
ꝛine verdächtige Person einzuziehen, ob er des Seinen 
2) Aus dem in Vorbereitung befindlichen Buch „Der zerbrochene Galgen und 
indere Kulturkuriosja aus dem Hessenlande“. DVerlag A. Bernecker. Melsungen. 
iederum habhaft werden möchte. Darauf er ausgebkund- 
haftet und zu Derhör gezogen worden ist. Wann die ge— 
ohlenen Maaren dann, als der Petschaftsring, der andere 
ring und der Sahnstiecher sich bei ihm befunden und aus 
er Supplikation an Bürgermeister und Rat zu Treysa 
ornehmlich offenbar, daß er das Baefehlschriftlein fälschlich 
uf D. Schönfelden geschrieben und auf ihn damit gelogen, 
ie Pfarrheren hin und wieder betrogen und die Armen- 
asten der Auslagen beraubt, und in seinen Worten gar 
nbeständig sich verhält, so habe ich ihn erstlich allhier in 
haft genommen und, dieweil ich gleublich berichtet werde, 
aß er gleichergestalt um Cassel hero sich verhalten haben 
olle und sich vor einen rechten Stationierer und Landstreicher 
njehen läßt, überschick ich ihn Ew. Gestrengen samt den 
Sriefen, so bei ihm funden worden, ferners gegen ihn nach 
er Gebühr zu verfahren haben.“ 
„Hiermit Ew. Gestrengen dem Schirm des Höchsten und 
—chatten des Allmächtigen unterdienstlich empfehlend. 
Geben zu Treysa, den 16. Feb. ao. (15)99. 
Ew. Gestr. dienstwilliger Dauer.“ 
Hieran schließt sich ein Postskriptum aus derselben Feder 
es Inhalts: „Als diese verdächtige Person durch die Stadt- 
necht nach Siegenhain hat sollen geführt werden, hat er 
ch beinahe eine ganze Stunde aufgehalten und aus'm 
ßefängnis nicht aussteigen wollen und unter anderm 
ebundet, daß das Testimonium oder Vorbittschrift, so ihm 
). Greg. Schönfeld, Hofprediger, mitgeteilet, geschrieben 
ind unterschrieben und sich dessen auf unsers gn. F. u. 
heren Befehl berufen, falsch und er dasselbige ohne dessen 
)orwissen ihm im Rücken nachgeschrieben. Der Ehr. Pfarr- 
err von Simmersrode verbeut mir diesen Morgen, daß ich 
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