Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Schlosser. Schmiede, Schreiner, Stellmacher, Schuhmacher. Den 
Schluß dieses Suges bildete ein Teil der Frankfurter Vereinigung 
hon Hersfeldern. Anter schmetternden Warschklängen der Kur. 
apelle bewegte sich vom Klaustor her das Tuchmachergewerbe, 
oertreten durch die Firmen Kechberg, Braun und Kehn. In einem 
Wagen wurden die vier ältesten Tuchmacher der Staädt Hersfeld 
gefahren. Ihnen folgten in blauen Arbeitsbitteln Weber, Färber, 
Spinner, die mit berechtigtem Stolz Arbeitsgeräte sowie Woll— 
roben trugen. Vom Frauentor rũckten unter flottem Marsch der 
Feuerwehrbapelle die Feuerwehr und die Schũßengilden ein. Die 
oberen Klassen des altberühmten Hersfelder Gymnasiums, des 
Lyzeums, der Mordschule und der Sũdschule Lamen vom Johannestor 
unter Vorantritt der Gymnasialbapelle an. 
In der Swischenzeit wurde am Rathausplatß in Gegenwart 
der städtijchen Beamten und der Stadtvberordneten ein weihevoller 
Abt vollzogen. Der Bürgermeister trat unker Trommelwirbel der 
beiden, mit historijschen Uniformen bekleideten Stadkgardisten dus 
dem Rathaus, hinter ihm schritt in rotem Wams und Kadmantel 
der Feuermeister. Herr Baumgardt jun. überreichte als Vertreker 
der Schreinerinnung nach einem Fanfarensignal dem Feuermeister, 
Herrn Hans Post, den von der Innung gestifteten Fackelträger. 
Hierauf wurde die Fachel angezündet und unter Trommel- 
viebel bewegte sich der Sug durch das Kirchtor zu der Feuergrube 
auf dem Marktplatß. Die von den vier Toren der Stadt ein— 
narschierten Sũge hatten inzwischen hier Aufstellung genommen. 
Nachdem durch Fansarenstöße Ruhe geboten und eingetreten war, 
ꝛielt Herr Bürgermelster Wagner eine Ansprache, die mit folgendem 
3wiespruch ausklang: 
Bũrgermeister: Wier zünden an uralten Brand, — 
Was soll er bünden dem deutschen Land? 
Feuermeister: Am guten Alten 
Voll'n fest wir halten! 
Bürgermeister: Und warum hegen in treuer Hut 
Vir Tag und Nacht die Feuersglut? 
Feuermeister: VNie die Väter in Ehren 
Voll'n wir uns bewähren! 
Büũrgermeister: Das Feuer leuchtet mit hellem Schein — 
Was joll der Bürger Losung sein? 
Feuermeister: dersfeld, die Staͤdt, sie führt im Schild 
Fin Kreuz und einen Löwen wild — 
In Kreuz und Leid hab Löwenmut 
Und trau auf Gott, es wird schon gut! 
Der erste Glockenschlag der Mittagsstunde könte in die lehten 
Worte und der Feuermeister ũübergaß dem Bäürgermeister die 
rennende Fackel, der sie in das aufgeschichtete Holz der Feuer⸗ 
grube stieß. Brausend lohte die Flämme empor. und aus viel 
Die Herofelder Hexenzelle. foto Zinn 
Die Hexenzelle im Glockenturm der Stiftsruine in Hersfeld. „Das Hexenlied“ von 
Erenst hvon Wildenbeuch: „Su Hersfeld im Kloster der Prior sprach *Enthalten 
in der Sammlung: „Lieder und Balladen“, Berlin. Grote, J. Auflage 19060. 
Die Stiftsruine zu Herosfeld. 
foto Zinn. 
ausend Kehlen erhob es sich wie ein Jubelsturm: Bruder Lolls! 
die Begeisterung der Menge schwoll an wie ein rauschender Strom 
er Freude und der flutenden, sich bewußtwerdenden Heimatliebe. 
Alles ordnete sich zum Sug, und mit vier Musibbapellen, die 
ãdtischen Behoörden an der Spitze, marschierte er unler dröhnenden 
Zruder Lolls ⸗Kufen um den Marbtplatß herum nach dem alten 
ßlockenturm der Stiftsruine. Die altehrwürdige Lullusglocke 
rklang. Am Glochkenturm hielt der Schriftsteller Wilhelm Neu— 
aus eine Ansprache, in der er die Bedeutung des Lullusfestes 
ind dessen Wandlung, sowie die drei Grundelemente des Lullus- 
estes, die selbst den Jahrhunderten standhielten: das Geläut der 
tiftsglocke, das Feuer auf dem Marktplatz und den Lullusruf, 
n treffenden Worten hervorhob. Seine Ansprache klang in ein 
reimaliges „Bruder Lolls“ auf die Lullusstadt aus. 
Nun bewegte sich der Festzug nach dem mit Kranz und Blumen 
eschmũckten, neuhergerichteten Lullusdenkmal. Am Eingange des 
Fathauses flatterken die Fahnen und Wimpel der Innungen und 
zünfte. Die festliche Menge stellte sich in großem Bogen um 
as Denbkmal auf. 
Der Feuermeister sprach: 
VPir haben das Feuer am Markt zu hellem Brand entzündet, 
Vir haben gehört, was die alte Glocke im Stift uns verkündet, 
Wir haben wieder gelobt, starb und in Treuen 
zu stehen zu unserer Stadt mit dem Kreuz und dem Leuen, 
Aber an ihn, der hier so stattlich thront in neuer Pracht, 
An unsern Dater Lullus haben wir heut noch nicht gedacht. 
S„chaut, wie er so freundlich sieht auf uns und seine Stadt, 
Ddie er vor zwölfhundert Jahren durch jein Kloster gegründet hat! 
Unter, den Klängen des Preäjentiermarsches wurden die 
fahnen wieder in das Kathaus gebracht, und die schöne Feier 
var zu Ende. Das Lullusfeuer auf dem Marbktplatz brannte bis 
‚um Donnerstag abend 6 Uhr, um dann wieder äuf ein Jahr 
egraben zu werden. 
Eine große Menschenmenge war zugegen, als das Feuer 
eierlich geloscht wurde. Auch die städtischen Behörden fehlten 
nicht. WDilhelm Heil hielt in Hersfelder Mundart eine launige 
Ansprache, in der er den Finger auf manche Sũnden der Stadt— 
erwaltung legte. Auch die Mitglieder der Kommission zur Aus- 
estaltung des Lullusfestes wurden nicht verschont, sodaß es den 
»uhdrern an Aersache zum Lachen nicht jehlte. Als es sechs schlug. 
vurde das Feuer mit lautem „Bruder Lolls“* gelöscht. Hierauf 
rdneten sich die Kinder zum Lampionzug, der um die Kirche 
erum durch die Weinstraße und ũber den Linggplatz zum Lingg- 
enbmal führte. Eine Ansprache von Wilhelm Neuhaus an die 
jugend und ein letzter brausender Kuf „Sruder Lolls* war das 
tinale der Feier.
	        
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