Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

„Warum hast Du mir das getan, Bettina?“ so fragte 
die erschütterte Freundin voll tiefen Kummers. 
„Für zweĩ bleine Särge“, antwortete Bettina und sah die 
Altere voll an. „Des Läufers Kinder sind heute nacht 
gestorben — ich hab ihm die Lustigkeit abgenommen.“ — 
Und in Karolinens Armen schluchzte sich das tolle Kind 
—4 
Auf Heimatwegen. 
3 estlich hergerichtet. Wer durch das hohe Turmportal die Vorhalle 
Das hessijche Keformationsjejt elei, wird i ernfer Erae fenhen berpetentpe 
in Homberg. ahle Kaum ijt durch künstlerisch wertvolle Wandmalereien zu einer 
J5 vedãchtnisstãtte fũr die 138 gefallenen Söhne der Stadt und zugleich 
Von Heinrich Ruppel. u einem Gedenkzeichen an die Synode geworden. Die Entwürfe 
ammen von dem Casseler Kunstmaler Ley hausen, der auch die 
Ausführung unter Mithilse des Malermeisters Diederich aus 
Neljungen ũbernahm. Auf hohem Sockel ruht ein gefallener 
»eld, mit dem schlichten Mantel bedeckt. Swei Frauengestalten 
mbolisieren die Trauer; die zu Häupten aufgelöst und ihrem 
chmerz ganz hingegeben. die zu Fuͤßen gefaßt und heroisch. 
lber nachtumdämmerien Bergen, deren elner mit drei Kreuzen 
in Golgatha erinnert, liegt am Horizont brennende Glut gleich 
em Widerschein einer ferne tosenden Feuerschlacht. Darũber 
chwebt in der Region des Aberiedischen Christus, der in dem 
inen Gefallenen alle segnet, deren Namen hier verzeichnet sind, 
leichviel welcher der drei Konfessionen sie angehörten. Das Wande 
emãlde gegenũber zeigt das mauerumgũrtete und mit ragendem 
Schloß gebrönte Homberg der Seit Luthers. Links 
im Vordergrund steht die schlanke Gestalt des jugend 
lichen Landgrafen Philipp, rechts die des Wittenberger 
Keformators. Kreuz, Kelch und Brot stellen die 
Symbole der Reformation dar. Eine Inschrift weist 
auf die Bedeutung der Homberger Synode hin. Den 
Abschluß nach oben bildet das landgräfliche Wappen 
neben dem Luthers. In ihrer fein abgetönten Farben- 
gebung tragen die Wandgemälde deborativen Charabter 
on besonderer Eindringlichbeit. 
Der Verlauf des Festes als Ganzes sowie auch 
in den einzelnen Deransialtungen wurde durch vor⸗— 
zũglich aufgestellte Programme geordnet und alle Kräfte 
jür ihre Durchführung gewonnen, was der außer— 
gewõhnlichen Arbeitsbraff und den organisatorischen 
Fähigkeiten des Pfarrers Meyensche in zu danken ist. 
Außer in den Festhortrãägen wird die Bedeutung 
der Geschehnisse vor 400 Jahren auch in der Festschrift 
Die Synode zu Homberg und ihre Vorgeschichte“ von 
Studienrat Dre. Wilheim Schmitt in Blankenese, 
zinem forschungsbeflissenen Sohne Hombergs, dargelegt 
und festgehalten. Es ist eine sorgfältige, auf gründ- 
ichen Quellenstudien beruhende wissenschaftliche Arbeit, 
die, wie der Festvortrag von Peof. D. Or. Hermelinb 
bewies, auch bei Kirchenhistorilern hohe Anerbennung 
ãndet. Dlie Schrift umfaßt 128 S. mit 25 Abbildungen 
eltener, meist noch unveröffentlichter Darstellungen. 
Der Verfasser stellte sich die Aufgabe, Hessens Nuteil 
und Verdienst an der großen deutschen Keforma- 
ionstat auf Grund alles nur irgendwie erreichbaren Abten- und 
Irkundenmaterials und nach dem heutigen Stand der Forschung 
usammenfassend darzustellen. Diese Aufgabe hat er glänzend 
elõst. — Dem geschichtlichen Stoff hat Pfarrer Wilhelmn Stol— 
enbach in dem Festspiel „Dem Evangelium Bahnl“ starkes 
eben in leichter dichterischer Verblãärung und in zeitechten Farben 
u geben verstanden. In drei Bildern tritt uns der um Klarheit 
nd Wahrheit des Glaubens und der Lehre ringende jugendliche 
andgraf, der tapfere Schirmherr der Keformation und der alternde, 
ꝛidgebeugte Gefangene in Mecheln entgegen. Noch vom Geschehen 
ziner Seit umbrandet tröltet den fürstlichen Kreuzträger ein pro— 
hetischer Blick in die Subunft. die für uns schon Gegenwart und 
dergangenheit geworden ist. In zweĩ Swischenspielen wird Luther 
ebst Freunden und Hausgenossen zu den reformatorischen Gescheh⸗ 
issen in Hessen in Beziehung gebracht. Die Volbsszenen des 2. 
Zildes sind in kräftigen Strichen gehalten und entbehren auch des 
umors nicht. Reichtum an tiefen Gedanken und einprägsamen 
Zildern heben im Verein mit bedeutender Sprachbraft das Weihe⸗ 
piel auf eine beachtenswerte Höhe und lassen es für festliche Ver⸗ 
nstaltungen evangelischer Vereine als wohl geeignet erscheinen. 
Am Nachmittag des 20. Obtobers erwartete das geschmückte 
ʒtãdtchen jeine Festgãste, die zu Hunderten mit der Bahn und den 
NRostkraftwagen eintrafen. Prachtvolle Ehrenpforten an allen vier 
ius. — Am Nachmittag aber kanzte sie unersättlich mit 
Hilsa und mit den Burschen der Stadt. 
Und wenn Herr von Sabigny heute noch lebte, 
vürde er erst aus dieser Erzählung erfahren, wer der 
„Läufer“ war auf der Kirmes im Jahre 1800 im 
Städtchen 3 
Anzũünden des Feuers bei der Lullusfeier in Heesfeld. Copyright 
Tal sandten die Glockenschwestern auf dem Turm den neuen frohe 
Grüße entgegen. Die kleinere der beiden neuen Glocken wurde 
aus Spenden der Homberger Gemeindeglieder als Ersatz für die 
geopferte Kriegsglocke beschafft und trägt folgende Inschrijt: Gott 
zu Ehren, den Helden zum Dank gewidmet von Buergern der arm 
gewordenen Stadt. — Meine Shwester im Krieg blieb ohne Sieg, 
nun läut ich vom ewigen fFrieden.“ Am Kranz ist zu lesen: „Idi 
bin in der Hofglochengieberei Franz Schilling Soehne vormals Carl 
fried. Ulrich in Apolda anno Domini MDCCCCXXVI gegossen worden.“ 
—.Die großere, 86 Sentner schwere Glocke ist eine Jubiläums- 
stiftung aller evangelischen burhessischen Kirchengemeinden als 
danbbares Erinnerungszeichen an die von der Homberger Synode 
ausgegangene Glaubenserneuerung Hessens. Sie trägk am Helm 
die Inschrift „Reformationsglocke's, darunter „Stiftung der Evan- 
gelishhen Gemeinden Hessens 1520- 1926* und am Kranz das 
Losungswort des evangelischen Glaubens „Allein aus Gnaden“. 
Am 10. Obktober wurden die neuen Glocken geweiht, und nun 
wird in Subunft die hessische Reformationsglocke von Homberg 
aus mit ihrer gewaltigen Stimme an das große Werk der Ge— 
wissensbefreiung von Menschensatzung, an den Beginn der hessischen 
Keformation mahnen. 
Die gotische Stadtkirche, der Tagungsort der Synode am 
21. und 22. Oltober 1526, wurde innen und außen erneuert und
	        
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