Linden überbauten Försterhause im schattigen
Rebental.
Nach langer Kast für Menschen und
Pferde stiegen die Keisenden gegen 4 Ahr
wieder in den Sattel, denn sie wollten
früh am Abend am Siel sein, um den
Anfang des Festes, einen Umzug durch
die Straßen der Stadt, zu sehen. Je näher
sie der Stadt kamen, desto lebhafter wurde
die Straße. Fußgänger, die zum Fest
wollten, kamen verstaubt und müde von
allen Seiten. Schwere Kaleschen des
Landadels, der in der Stadt seine Winter—
häuser hatte, rollten polternd dahin, und
so gab es ein rechtes Gewimmel an dem
Tor für Söllner und fluchende Wach—
soldaten. Aber es half des freundlichen
Führers bekannter Name, und nach burzer
Zeit saßen die Vier, erfrischt von der
Abendkühle und angeregt von dem herr—
lichen Verlauf des Tages, zujammen im
freundlichen Eßraum des Gasthofes bei
Forellen und Wein. And so schön und
gemütlich war es, daß eine große Freude
über dem Tische lag, so daß es ein jeder
der Dier tief im Herzen fühlte. Bettinag besonders war
bon einer strahlenden Fröhlichkeit, und Karolinens Gesicht
war lieblich gerötet. Denn ihre Seele entzündete sich an
der Lebendigbeit der Bettina, von der sie sagte, daß sie wie
Erdbeeren nach schönem Wetter, nach Sonnen- und Mond-
strahlen schmecke.
Als es dunbel wurde, traten sie einen Augenblick auf
die Straße, denn es bLam Musit von weitem heran: vorau)
sechs Fackelträger und zwischen ihnen ein bunt angezogener
schmächtiger Mensch, der „Tänzer“ oder „Läufer“ genannt.
Er hatte einen geschmückten Stab in der Hand, und seine
Pflicht war es, mit allerhand börperverrenkenden Sprüngen
und Sätzen die Suschauer erstaunen zu lassen. Aber er
war ein schlechter Schauspieler: matt war sein Gesicht, und
müde ging er daher, so daß die Suschauer ihn bedauernd
oder böse ansahen.
Hinter der Musik schritten die sogenannten „Platzburschen“,
große und stämmige-Kerls. Sie hatten für den morgigen
Die große Reformationsglocke zu Homberg.
Dhotograph Carl Eigenbrod, Homberg.
Hessijche Pfarrer auf dem Weg zur Homberger Kirche.
Hofphotograph Eberth, Cassel.
Tag auf dem Tanzplatz für Ordnung zu sorgen; breite
Schleifen und bunte Sträuße in den Stadtfarben waren
die Seichen ihrer Würde.
Da verschwand der Sug um die Ecke. Bettina war,
inbemerbt von den drei Genossen, zu dem vom Fenster aus
zusehenden Wirt getreten und hatte bald erfahren, wie es
nit dem „Läufer“ stand. Es sei ein armer Bursch aus der
Stadt, der für Geld hier beim Fest seine Arbeit leiste.
Nun seien ihm seine Kinder plötzlich schwerkrank geworden,
ind er habe keinen rechten Sug zum Tanzen. Da war
»s bei Bettina beschlossen, andern Tags den Mann von
einem traurigen Amt zu lösen; und als Savigny und die
Hünderode noch einen kurzen Gang durch die mit Maien
estlich gesjchmückte Stadt machten, überredete sie leicht den
erliebten Gilja, ihr Männerkleidung zu verschaffen und des
däufers Stock und Schmuckstücke dazu. Und da am anderen
Morgen die Vier sich rüsteten, den großen Sug zur Kirche
inzusehen, schützte sie Müdigkeit vor, schlüpfte dann unbe—
nerkt aus dem Hause und zog sich im Stadthaus der
Familie Gilja um.
Als nun der Sug sich ordnete, fehlte zuerst der „Läufer“,
bis im letzten Augenblick ein neuer sich einfand, der in der
flinksten und alles Volk erstaunenden Art und Weise seine
Sprünge machte, so daß die Sonne heller zu scheinen schien
und die Klänge der Musik frischer erblangen als jemals.
Hinter dem Läufer aber ging in der Keihe der adligen
Landjugend — es war ein altes Kecht des benachbarten
Adels — Freeund Gilsa als unerkannter Schützer des lieb—
lichen „Läufers“.
Wenn nun auch Karoline voll Entsetzen Bettinen in
ihrer Derkleidung erkannte und vor Sorn und Scham fast
umbam, so überzeugte sie ein schneller Blick, daß Savignh,
der Gelehrte, weniger scharfsichtig war als sie. Denn trotz
dem auch er die Sprünge des Läufers bewunderte, kam
hm keinen Augenblick der Gedanke an seinen Schützling
Bettina.
Karoline ließ den Professor bald allein, und als sie ihr
Zimmer betrat, war die überaus schnelle Bettina schon
wieder da.