Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

nach einem Abschied warket, ob man nicht doch einmal den lieben 
Menschen wiedertrifft, und man weiß doch, wie weitweit er von 
dannen zog. Und man meint, es fehlt einem immer etwas, und 
das Beste, dũnkt einem, fehlt. Ach ja, die Glocken waren im Krieg! 
AUnd bei diesem Warten auf die Glocken mußt' ich immer an 
das kleine, stille Dörfchen denken droben im Erzgebirge, das so 
märchenhaft lag mitten im Frieden mit seinen bleinen, blanken Blumen- 
häuschen im Wiesengrün am Rand der großen Wunderwälder, und 
dem doch das Beste fsehlte: die tönenden, schwingenden Glocken. 
Eine Kirche hatte es wohl und eine Glocke auch, aber nicht 
im Herzen, ganz oben am Kopfe der langen, langen Dorfftraße, 
und wenn man ganz am anderen Ende wohnte, wie wir, am 
schönsten, dann schaute man wohl gerade in den großen Märchen- 
wald hinein, hörte ihn im Mondschein silbern rauschen, sah die 
Kehe äsen und vernahm im Herbst seiner Hirsche Brüllen. Aber 
Leine Glocken blangen bis dahin, nur manchmal ganz leise, wenn 
der Wind die Landstraße her gerade aufs Haus zuflog und auf 
einen äußersten Flügelspitzen noch die letzten, bleinsten Töne tfrug. 
Aber das war so selten und so zart, wie der blauen Glockenblumen 
Läuten; schon ein lautes Wort der Straße ließ die Stimmchen ver⸗ 
chweigen. Ein Dorf ohne Kirche ist wie ein Mensch ohne Seele, 
und die Glocke ist das Sied der Seele. Und auf dies Lied wartete 
ich dort immer, daß die Glocken meiner Seele ihnen Antwort 
gäben. Wie oft bin ich im letzten Abendrot der Woche den 
schönen Höhenwaldweg gegangen, über dem Dorfe hin, den 
klingenden Türmen enftgegen, das Lied des Sonntags zu hören. 
Wie hab' ich die Glocken immer geliebt! Schon als Kind, wenn 
ich mein Herz aufhielt dem wunderschönen, orgelvollen, tiefwarmen 
Hlockenblingen von St. Nicolai in Anblam! In meine Herzkirche 
rug ich die Töne hinein. Dort läuten sie weiter, lãäuten noch jetzt, wenn 
die Erinnerung zum Glöckner wird. O ihr schönen Glocken von Nicolai! 
Und wenn ich an eine neue Stätte komme, da ich wohnen 
loll, jo lausche ich immer erst: Wie blingen ihre Glocken? Als 
hätte ich so ihre Seele erforscht und wüßte nun über ihr Gut und 
Böje und ob für mich nun gut sein wäre an diesem Ort. Und 
venn mir das Susammenjsein mit einem Menschen zum Sonntag ward, 
zann fühle ich: Ich habe deine Glocken gehört, o Mensch, nun benne ich 
dich. Du hast die Turmstuben deiner Seele mir geöffnet, daß ich deine 
Blocken dein auf- und niederschwingen sah, und ihres Schwebens 
lingende Wellen rannen in den blauen Himmel und herab zu mie. 
Das Land sind jeine Glocken. Die tiefe, voll könende 
Blocke ist die deutsche Seele. 
AUnser Bestes gaben wir in den Krieg, da wir die Glocken 
rus unsern Tũürmen nahmen, der Türme könende blingende Seele 
nahmen wir. Tot sind die leeren Tũrme. 
So gingen meine Sinne um die Glocken, da beine Glocken mehr 
Ulangen, wie wir alles Liebe stark umfassen, wenn's von uns schied. 
Wir waren in den Sonntagswald gefahren, damals, als die 
kdürme so stumm traurig standen. Swischen hohen Kiefern blühte 
as liebe, kbleine Heidekraut. Und ich beugte mich zu den roten Blũten, 
rach sie zum Strauß und sah zwischen den sonnenbraunschimmernden 
ziefernstämmen in den schönen blauen Herbsthimmel hinein. 
Da auf einmal, ganz fernher, ganz weich und mild, aus dem 
ohen Himmel heraus, ein feiner milder Glockenton. Und noch 
iner. Ward ein zartes, heimlich jüßes Läuten. Hatte wohl ein 
eẽnglein da oben ein Blaufensterchen aufgemacht, daß das himmlijche 
zlockenlãuten zu uns bönnte und vielleicht auch das Amen aus 
es Herrgotts Sonntagspredigt. Und ich faltete die Hände zum 
Seten, an die Domsäule einer Kiefer gelehnt, und sah zur unsicht- 
aren Gottesbanzel empor. Und meine Seele hörte Gottes tiefe Stimme 
eden zu der heiligen Heerschar der Engel, die weit ihn umbniete, 
ind ihre weißen Flügel standen spitz und steil und still empor. 
Dann kbam das Läuten wieder, auf und nieder glitt der sonnen- 
joldne Glockenstrang, und dann und wann glänzte der goldne Glocken- 
»and auf. Und dann lehnte das Englein sacht das Himmelsfenster 
vieder an. Wie ein weißes Wolkchen nur hatt' ich jein Flũglein gesehn. 
Ich aber stand immer noch und lauschte noch lange in den 
großen Gottesdom und jseine Stille hinein. 
Odoer ist's nur ein altes gutes Dorflirchlein gewesen, das 
einen Turm gehabt, nur einen bleinen Glockenstuhl, das es aber 
doch nicht übers Herz gebracht, seine Glockenseele herzugeben? 
Ich weiß es nicht und will's nicht wissen. Wenn ich nur 
neinen blingenden Sonntag wieder hab'! 
Nun blingt er allen wieder, der Sonntag. Den Türmen behren 
hre Glocken wieder. — Bleibt treu den Türmen, ihr Glocken, 
enn sie sterben ohne eure Seele, sie leben nur mit eurem Hauch. 
Bleibt treu den Glocken, ihr Menschen, und beingt eure Seelen 
hnen zu, wenn sie euch rufen zum Sonntag empor. 
Auf der Heimatwarte. 
„Philipp der Großmütiĩge“ von Franz Treller. ollkommenen Inneneinrichtung noch manche Ausgabe erfordern. 
Evangelische Kreise Cassels wollen ihren Mitbürgern die Be- doch ist zu hoffen, daß erneuter und erhöhter Opfermut der Mit⸗ 
deutung der Homberger Souode, zu deren Feier man schon an lieder das Wert vollenden helfen wird. Mit, der Eosung der 
elen Orlen des Hesenlandes, vor allen aber in Homberg jelbst, wierigen Trinkwaßerfrage wurde ein Dusschuß betraut, der aus 
ustet, durch die Kußahrung des Volbobühnenspieiß, Phinpp der Freisbaumeister Koch, Kreisarzt Dr., Ebert und Bürgermeister 
stoßmũtige“ von Franz Teeller besonders eindringüch vor Rugen .2. Berteam in Siegenhein besteht und alle Moͤglichkeiten 
hren. VDas Spiel des unbergeplichen Heimaidichters, das den rüfen und, Dorschläge machen soll. In Anbetracht der erheb⸗ 
ampf Phuipps fur die ebangelische Sache darftelit, wurde 1800 chen öffentlichen Mittel, die zur Oerfügung gestellt worden sind, 
eesticlig und mit gröptem Besail in Eaßel aujgejührt. um nach t, dem Kreis Siegenhain, der durch Landrat von Stelnrück ver- 
id Jahren eine Mederholung zu erfahren und nun, in den Tagen reten war, ein Hnkbaufsrecht für den Fall zweckwidriger Ver⸗ 
m. Nobember, im großen Saale des Stadtparks erneut vendung des Hauses zugestanden und gesichert worden. Die für 
as große Geschehen der Seit vor od Jahren lebendig in die en Setrieb erforderlichen Konzessionen wurden beantragt. Die 
Segenwart zu steilen. derhandlungen jchlossen mit einem Rundgang durch die schönen 
Forstschule Spangenberg Rãume und zeigten, daß in den letzten Wochen in der Anschaffung 
Am 1. Obtobed is dier I d Schloß Spangenberg, »on Betten, Tischen, Stũhlen und GEfen viel geleistet worden ist. 
die jeit 1921 geschlofsfen war, wieder eröffnet worden. Die Innen- Spuren der VDergangenheit. 
raume der Burg haben einen neuen Anstrich bekommen, die Dach- Anterhalb der weithin sichtbaren Burgruinen Detzberg und 
suben und Türen praugen wieder in den alten hejsischen Farben sᷣleiberg unweit der Stadt Gießen wurde eine alte Romer; 
got Weiß. Mit 68 Forsijchũlern, für die 2 Klassenzimmer, 8 große traße jestgestellt, die dle Kingwälle des Dünsberges durchschneidet 
Arbeisraume, 3 Schlassale und ein Speisesaal schön hergerichtet ind, über die Kehmühle nach Naunheim a. d, Lahn führt. Nicht 
vpurden, wied der Untereichtsbetrieb unter der Leitung von Eber- oeit von Fellingshausen stieß man inmitten des Waldes auf ein 
drster Wallmann wieder aufgenommen. Die Wiedereröffnung rusgedehntes Graäberfeld. — 
er Schule, die jür Spangenberg von großer Bedeutung ist, hat In einer Sandgrube des Mellnauer Burgberges wurde eine 
ewiße Einschrankungen bei der Besichtigung der Burg zur Folge. ilte Zanzenspitze gesunden, die trotz starken Bostansatzes noch 
Ddie Befichtigungozenen sind käglich von 6 Alhr nachmuͤtags, jut erhalten ist. Der abgebrochene Lanzenschaft ist verbieselt und 
Sonntag und Mitiwoch jedoch von 8 Ahr vormitiags bis 6 Uhr9 fest wie Eisen. Nach dem, Arteil von Sachverständigen stammt 
nachmittags. Erwachsene entrichten einen Eintrittspreis von o,80. e Lanzenspitze aus dem 14. Jahrhundert und erinnert an die 
Sqhůler 0.10 KRn. EGhne Fuhrung darj das Schiod nicht mehr Zãmpfe der Malinzischen Besaßung mit den vor der Burg „Sum 
elreten werden. — waenen Hessen. Der Fund wurde der Schule zu 
Die Jugend- und Wanderherberge Knüll. einau geschenet. 
Am 8. 588 bonnte der Knüllgebirgsverein zum erstenmal ziecnet oneee SsStitt⸗s nin gnderpo den 5 
im eignen Heim in der Jugendherberge am Wildsberg tagen. — — ʒii 3 9 8* g 
Die ανιιοσ XXe ee. ahmen ausgefsibrt. Die Gewolbereste der Hrypta werden Liner 
— ern, untzroggen ebenso Art dae » der Stũtz⸗ 
gropßen Aussall an Einnahmen bei der verregneten Einweihungs⸗ feller an der Nordwand eine notwendige Ausbesserung. 
seier blieben mindestens 4000 Marb Verbindlichkeiten ungedeckt, 
wozu weitere Aufgaben kommen, die namentlich in der noch un— 
Nachd ruch nur nach Abereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. 
herausgeber: Konead Beernecker. Druck und Verlag: A. Bernecher, Melsjungen. 
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