Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

dĩe Voraussetzung, was durch das biblische Wort Köm. 8, V. 28: 
So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des 
Besetzes Werbe, allein durch den , Glauben“ begründet werden Lonnte. 
von des Gesetzes Werben seĩ beine Hilfe zu erwarten, doch bewirbe 
der Glaube, daß man das Wort Goties willig und von selbst halte. 
Oon den sieben Sabramenten der batholischen Kirche ließ man nur 
wei gelten, die auf biblischer Grundlage beruhen: Taufe und 
Abendmahl. Die Taufe betrachtete Lambert als das Seichen, 
wodurch der Mensch in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen 
verde, wobei Gott den Glauben verleiht. Das Abendmahl, das 
unter beiderlei Gestalt zu genießen sei, habe nicht die Bedeutung 
ꝛines Opfers, sondern sei nur als ein Gedächtnis des durch Christus 
dargebrachten Opfers aufzufassen. 
Mit der Annahme des allgemeinen Priestertums, dessen alle 
Bläubigen teilhaftig seien, und welches jeder einzeinen Seeie das 
Kecht bestätigte, durch Christus als alleinigen Mitller persönlich mit 
Bott in Gemeinschaft zu treten, wurde das stellvertretende Priestertum 
als Oermittlung zwischen Gott und den Menschen, sowie die Anrufung 
durch Maria und die Heiligen verworfen, womit der Geistlichkeit 
die höhere Stellung genommen, die Priesterweihe als Salrament 
abgelehnt und den Priestern die Ehe gestattet werden mũsje. 
Ferner wurde gefordert, daß die fortan im Mittelpunkt stehende 
Predigt in deutscher Sprache zu halten und die Wesse als eine 
Wiederholung des Opfers Christi zuͤ beseitigen sei. Da die Kirche 
allein als Reinigungsanstalt der Herzen zu betrachten sei, verlor 
die Lehre vom Fegsfeuer die Berechtigung, ebenso die VOerehrung 
der Heiligen und Keliquien, wie auch das Mönchswejsen als in der 
Bibel nicht begrũndet abzuschaffen sei usw. 
Der Aufforderung an die Gegner, ihren Widerjpruch gegen 
die Satze vorzubringen, entsprach nur der Guardian Vorsteher) 
des Franzisbaner-Klosters in Marburg, Nibolaus Ferber aus Herborn. 
Indem er den Landgrafen bat. nicht von dem Glauben jeiner 
Dorfahren abzufallen, behauptete er, daß es ihm nicht zukomme 
als einer weltlichen Obrigkeit, Kirchenversammlungen abzuhalten, 
n kirchlichen Angelegenheiten Anderungen zu treffen und Kloster 
zu reformieren, nach dessen Gütern er Geläste trage. 
Lamberts Sätze, die unwiderlegt blieben, bezeichnete er als 
unkirchlich und unchristlich und stellte jihnen andere Thesen gegenũber, 
ohne jedoch ihre Richtigkeit aus der BSibel nachweisen zu können. 
In ruhiger Weise und im Bewußtsein seines guten Gewissens 
vies der angegriffene Landgraf die gegen ihn erhobenen An 
ichuldigungen und Verdächtigungen zuruͤck und forderte Ferber auf, 
zu beweisen, daß Lamberts Satze den heiligen, göltlichen, prophetischen 
und apostolischen Schriften zuwider seien. Der in die Enge getriebene 
Buardian, der hierzu nicht imstande war, hũtete sich wohl, durch 
Offenbarung seiner Schwäche den Triumph der zuversichtlichen 
Hegner noch zu steigern, weshalb er die Antwort schuldig blieb. 
Als dann eine nochmalige Aufforderung an Ferber und seine An⸗ 
änger, mit biblisch begründetein Widerspruch vorzutreten, beinen 
Erfolg hatte, endete die denkwürdige Tagung mit einem glãnzenden 
Sieg der evangelischen Sache, was Lambert danbbewegten Herzens 
in seinem Schlußgebet zum Ausdruck brachte. 
Es wurde dann noch eine Kommission gewählt, welcher die 
Aufgabe zufiel, nach Maßgabe der Lambertschen Sätze und der 
Jestellten Forderungen fũr das hessische Kirchenwesen eine neue 
Kirchenordnung aufzusteilen. 
Im Januar des folgenden Jahres berief Landgraf Philipp die Vor⸗ 
nehmsten der Ordensgeistlichen nochmals nach Marburg, wo man zu dem 
Beschluß bam, aus Lehre und Kultus alle menschlichen Satzungen aus⸗ 
zuscheiden und allein Gottes heiliges Wort zur Kichtschnur zu machen. 
War auch Landgraf Philipp fest entschlossen. die birchlichen 
Mißstãnde abzustellen. so hielt er es doch jür ratsam, vor Einfũührung 
der von der Kommission vorgelegten und 84 Kapitel umfassenden 
Homberger Kirchenordnung erst Luthers Gutachten einzuholen. 
Da, dem Entwurf die Anlehnung an das Besiehende und ge⸗ 
chichtlich Gewordene fehlte, so befuͤrchtete Luther, daß durch solch 
einen Haufen von Gesetzen“* und so viele neue Bestimmunen in 
»er Umstellung des von Grund auf zu reformierenden Gemeinde— 
2bens große Verwirrung eintreten öonnte. Sudem hatte er zur 
henũge erfahren, daß sich durch Einzel. und Kleinarbeit tũchtiger 
Rediger das Verlangen nach neuen Formen im birchlichen Leben 
on jelbst geltend machen wũrde, weshalb er von Einführung der 
dirchenordnung abriet und ein allmähliches Vorgehen empfahl. 
Venn daher auch Landgraf pPhilipp, durch Luthers Bedenben 
eranlaßt, von der Einsũhrung der Homberger Kirchenordnung 
bsah, so bamen doch die in ihr enthaltenen reformatorischen Ge⸗ 
anken bald zur Geitung. 
Das Kegiment der Bischöfe hörte auf, und der Landgraf, der 
eibst zum Schutz der Kirche das Kecht des obersten Bischofs ũber⸗ 
ommen hatte, sorgte zunächst für Anstellung tũchtiger ebangelischer 
Aediger. In der Pfarrkirche zu Marburg wurde wohl zuerst mit 
Seseitigung der katholischen Braäuche, bejsonders der Messe und des 
deiligenbultus, begonnen, uͤnd unter den ersten evangelijchen Geistlichen 
Justus Winter und Antonius Corpinus eine neue Goltesdienstordnung 
ingefũhrt, die bald auch in anderen Gemeinden Eingang fand. 
Der Gottesdienst wurde so geordnet, wie er im großen und 
lanzen heute noch verläuft. An Stelle der lateinischen Messe 
rat die deutsche Predigt ais Hauptbestandteil in den Mittelpunkt, 
ie lateinischen Meßgesange der Priester wurden durch deutsche, aus 
em Glauben erwachjene Kirchenlieder ersetzt und damit ein 
vichtiges, unschätzbares Mittel gewonnen, um' dem Wort Gottes 
och wirbksamer Eingang in die Herzen der Gläubigen zu ver— 
chaffen und ihm eine bleibende Stälte in der Gemeinde zu bereiten. 
Vurde so der Gemeinde eine selbsttätige Anteilnahme am Gottesdienst 
ur Förderung wahrer Erbauung eingeräumt, so erhielten die Laien 
iuch Anteil an der Kegierung und VDerwaltung der Kirche, wodurch 
damals schon die presbhteriale Verfassung angebahnt wurde. 
Sur Aberwachung des gesamten Kirchenwesens wurden 
disitatoren ernannt, an deren Sielle im Jahr 1530 nach Teilung 
es Landes in sechs Superintendenturen (Cassel, Marburg, KRoten. 
»urg, Alsfeld, Darmstaͤt und St. Goar) als Träger der Kirchen⸗ 
ewalt die mit bijchoflicher Vollmacht ausgestatteten Superintendenten 
raten. Jährlich einmal wurde nach MWarburg, später nach Cassel, 
ine Generalsynode einberufen, welche sich aus den sechs Super⸗ 
ntendenten, Professoren der Marburger theologischen Fabuität, 
Abgeordneten der Geistlichkeit und vom Landgrafen bestellten 
heltlichen Rãten zujammensetzte und die allgemeinen bkirchlichen 
Angelegenheiten zů regeln halte. Ein Ausschuß von 13 Depultierken 
atte die Synode vorzubereiten und ihre Beschlũsse auszufũhren. 
in den einzelnen Dzesen gingen Didzesansynoden voraus, in 
enen unter Leitung des Superintendeüten eine Vorbereitung 
fattfand und die Abgeordneten zu der Generalsynode gewählt 
vpurden. Den Pfarrern traten in ihren Gemeinden die Presbyter 
ls Gehilfen, namentlich bei Ausũbung der Kirchenzucht, zur Seite, 
erner zur Anterstützung in der Armenpflege die Dicbonen. sowie 
n der Rechnungsfũhrung die Kassenmeijter. 
Eine weitere Folge der Homberger Syhnode war die Auf- 
ebung der Kloöster, die in Hessen nach einem einheitlichen Plan 
ind den vom Landtag aufgesteilten Kichtlinien durchgeführt wurde. 
Großer Segen wurde dadurch gestiftet, daß die freiwerdenden 
finbũnfte der Klostergüter zur Anterhaltung der schon im folgenden 
Jahre (1527) von Philipp dem Großmütigen gegründeten 
vangelischen Landesuniversitaͤt Marburg, jũr Kirchen und Schulen, 
ↄwie für wohltãtige Stiftungen Oerwendung fanden. 
So ist durch die Shnode in Homberg vor 400 Jahren die 
vangelische Kirche in Hefsen ins Leben gerufen worden. Dankbar 
—LLC Landgrafen Philipp, 
er seine Seit verstand und als ein ũberzeugter Vorkämpfer der 
Feformation bis zum letzten Atemzug fũr ihre Sicherstellung gewirkt 
nd alle jeine Kräfte fsür den Ausbau der hejsischen evangelijchen 
dirche eingesetzt hat, als ein Fürst, von dem Swingli gepriesen hat, 
aß man „im Himmel und auf Erden bebennen 'und loben wird, 
aß er der einzige und erste aus allen Fürsten gewesen ist, der ohne 
dintersichsehen den Pflug gehoben hat⸗e. w. 9. 
Auf Heimatw 
eimatwegen. 
Herbstjonne. VDon der Glocken Seele. 
Ich lieb' es, wenn in sanfter. stiller Pracht Ein Erinnern an der Glocken Abschied einst, 
Das Dorf, der Wald, der Wiesengruͤnd, der Kain ein Willkommen den neuen Gloöͤcken. 
Und alle Welt ringsum noch einmal lacht Von Hilde Daeubßpneer. 
Im goldnen Herbstesjonnenschein. 
Ich lieb es, daß die Welt noch einmal lacht 
Seim Trunk von des Vergehens herbem Wein 
Und mir mein Herz noch einmal fröhlich macht 
Im goldnen Herbstessonnenschein. Heinrich Horst. 
Es ist jo still jetzt in unserm Städtchen. And leer. Ist immer 
Verktag, auch sonntags. Ijt immer Tag der Arbeit, auch wenn 
ch mein Festbleid trage und feiernd durch den Sonnenschein geh. 
Und allsjonntags, zur Stunde des Glockenläutens, sitz ich und lausche, 
ob nicht doch einmal der alte. liebe Klang wiederklingi. Wie man
	        
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