eine glatte Holzdecke an. Das hohe gotische Dach, noch erbenn⸗
»ar an den in die Ostwand des Turmes eingemauerten Rand—
teinen, wurde durch ein flacheres ersetzßt. Umherliegende Stein⸗
iguren, Konsolsteine, die ehemals waͤhrscheinlich als Wandstũtzen
für die Gewölberippen gedient hatten, mauerte man an ortsfremden
Stellen ein; zwei solche an der Sũdwand außen; ein mit einer
Krone geschmückter Kopf, wahrscheinlich den König Dagobert dar⸗
tellend, wurde im Chor angebracht. Die gewaltige Sandstein-
olatte des Altars war erhalten geblieben. Bänke wurden neu
deschafft und die Emporen wieder aufgerichtet. Die ganze Dürftig-
eit und Armut jener Seit erbennt man aus den Balken, aus
denen man die Empore herstellte. Man sieht an ihnen, daß sie
»orher schon an anderer Stelle verwendet gewesen sind. Diel-
eicht hat man sie von den in Trümmern Uegenden Baustätten
erbeigeholt. — Die zerbrochenen Fenster wurden erseßt. Einige
Fenster mit bostbaren Glasmalereien waren anscheinend erhalten
zeblieben; denn es ist kaum denkbar, daß die verarmte Gemeinde
olche beschafft hätte. Konnte doch nicht einmal eine Glocke ge—
auft werden! Die älteste noch jetzt vorhandene Glocke stammt
aus dem Jahre 1755, wie die Inschrift beweist: „Bacdeglocke 1155.“
Große Armut herrschte noch weit ũüber ein Jahrhundert im
Dorfe und wurde außerdem durch die immer größer werdende
Abhängigkeit und die steigenden Lasten verschärfi.
Aus dem Kataster von 1131 (Catastrum oder Summarischer
Steuerzuschlag und darauf gemachte Contributions-Kepartition der
Dorfschaft Dagobertshausen, Amt Melsungen. Cassel, 16. Marth
1131) entnehmen wir, daß die Bewohner von ihrem Grundbesiß
insgesamt 8 Goldgulden, 2 Albus und 2 Heller als gewöhnliche
Steuer zu leisten hatten. Dazu bam eine besondere Steuer für
die Handwerber und Hantierungen. Wir ersahren hierbeĩ, daß
im Dorfe anfässig waren: 1 Schneider, J Simmermann, 1 Schmiit
Schmied), 1 Leinweber, 1J Tabakhändler. Auch die Tagelöhner
nußten von ihrem sicher geringen DVerdienst eine Abgabe zahlen.
Außerdem wurde von jedem Haus eine Steuer erhoben. Das
Dorf zählte zu dieser Seit 84 Häuser, dazu Pfarrhaus und Schule.
Das „Lagerstück und Steuerbuch von 1745* gibt wieder eine
genaue Abersicht über die von den einzelnen Bewohnern zu zahlenden
Steuerbetrãge.
Der Siebenjährige Krieg (1756 — 1763) brachte den Leuten
auch wieder viele Lasten. Da Hessen auf Preußens Seite stand,
hatte es unter den sich im Lande festseßenden Franzosen viel zu
leiden. Frucht- und Futterlieferungen, meistens ohne Entgelt,
Entrichten harter Kriegssteuern und Kriegsfuhren nahmen Lein
Ende. Melsungen war wiederholt längere Seit von starken feind-
lichen Truppenmassen besetzt, und dadurch bekamen auch die um—
liegenden Dörfer die Kriegsnot sehr zu spüren.
Der Krieg ging vorüber, aber die Leute bonnten doch nicht
froh werden; immer schwerer wurden die Lasten. Su all den
schon genannten Steuern, Naturalleistungen, Hand- und Spann-
diensten mußte auch der zehnte Teil der Ernte abgeliefert werden.
Sogar eine „Sehntscheuer“ stand im Dorfe, in die jede zehnte
Barbe abgeliefert werden mußte (auf dem jeßigen Grundstũck des
Heinrich Gsterling). — Eine Urkunde aus der Mitte des 18. Jahr-
hunderts berichtet: „Aus dem Gemeindewald bebommt jeder jähr—
ich ein Fuder Büsche, ausgenommen die von Baumbaͤch'schen
dehnsmänner, nämlich Hans Kurt Ebert und Johs. Siegier.
Abgaben sind zu leisten allergnädigster Hererschaft — dem Land—
jrafen — denen von RKiedesel, denen von Nordeck und denen von
Berlepsch.“ Auch die Herren von Falbenberg waren im Dorfe
egütert. Ihnen gehörte Haus und Hof, die jetzt im Besitz des
Landwirts Georg Wenderoth sind. Hinter dem Hause hatten sie
einen Fischteich anlegen lassen, und der Lehnsmann hatte außer
den anderen Abgaben zu bestimmten Seiten Fische abzuliefern.
Beim NAusschachten zu einem Feuerteich fand man käürzlich an
dieser Stelle mehrere ausgehöhlte Eichenstämme, in denen die
Fische beim Ablassen des Teiches gefangen wurden. — Den Be—
ißern des Gutes „Bubenrode“ waren die Bewohner der Häuser,
die jetzt dem Landwirt Karl Moog und dem Steinrichter Georg
Alter gehören, für einen hinter den Häusern liegenden Garten
zinspflichtig. Belbannt ist, daß sie zu Martini eine Gans liefern mußten.
Wir jehen also, daß verschiedene Adelsgeschlechter im Dorfe
Sesitz gewannen und diesen Besitz an Bauecen ausliehen gegen
Abgaben und Dienste. Freien bäuerlichen Besit gab es wohl
aim Ende des 18. Jahrhunderts baum noch; alles war Lehnsgut.
Die Bauern waren Jahrhunderte hindurch geplagte Menschen.
Sie mußten sich schinden und quälen, mußten frohnden und zahlen
und bonnten troßz aller Arbeit nicht frei und unabhängig werden.
Auch ihre Kinder waren wieder dienstpflichtig. Der Nutzen all'
der schweren Arbeit Lam zum größten Teile ihren Herren zugute.
Der Lohn ihres Fleißes waren womöglich noch Hiebe und Strafen.
Das Wild aus den Wäldern ihrer Herren verwüstete ihre Felder.
Sie durften sich nicht einmal darüber beschweren. Ihre Abgaben
nußten sie trotz verminderter Ernte leisten. Wandel wurde hierin
rest geschaffen durch die Bauernbefrelung 1801.
Auch die Landesfürsten scheuten sich nicht, den Untertanen
Anrecht zu tun. Im Jahre 1804 ließ der damalige Kurfürst
Vilhelm J., als die Leute bei den Erntearbeiten beschäftigt waren
jo erzählt der Volksmund), mehrere der mit herrlichen Glas—
nalereien versehenen Fenster aus der Kirche nehmen und nach
Fassel bringen, wo sie zur Ausschmückung der Kapelle in der
dõwenburg verwendet sein sollen. Eins der dort befindlichen Glas-
enster zeigt einen knieenden Ritter. Es soll der für den Sieg
ankende König Dagobert sein. Wie ODr. Holtmeher in einem
dortrag berichtete, den er am 9. September 1916 in der Kirche
u Dagobertshausen hielt, wurde der Rest der bunten Glasmalereien
m Jahre 1824 auf Verfügung des Kurfürsten Wilhelm II. aus
en Fenstern herausgenommen. Man wollte sie in der Löwen-
urg und im Chor der Martinskirche verwenden. Sie bLamen aber
erbrochen in Cassel an. Im Museum zu Cassel befinden sich
Scherben und Bleifassungen, die als die Reste bezeichnet werden.
MMach Nufßhebung der Leibeigenschaft und der Erbunkertänig-
eit durch Napoleon am 15. November 1807 machte sich bald ein
zewisser Wohlstand bemerbbar, der dadurch entstand, daß den
leißigen Leuten der Ertrag ihrer Arbeit selbst zukam. Sie arbeiteten
nit viel mehr Liebe und Freude auf dem Acker, der nun ihr
rẽigentum war; die Ernten wurden reicher; der Viehbestand ver⸗
rõßerte sich. Fast auf jedem Hof wurden Stallungen und Scheuern
enceuert, und bald kbonnte man auch daran gehen, die alten. teil—
oeije aus der Notzeit des 830jährigen Krieges stammenden Häuser
urch neue, stattlichere zu ersetzen. Hausinschriften beweisen, daß
n den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Keihe gut—
ebauter Häuser errichtet wurde. Einige diejer Inschriften seien
ier genannt. An dem Hause des Bürgermeisters Heinrich Kothe
ehemals Dippel'jcher Hof) gibt die Jahreszahl „18“ die Er—
auungszeit an.
An dem Hause des Landwirts Friedrich Maurer (ehemals
Tothe'scher Hof): 1. an der Scheune: „Johann Melchor Kothe
ind dessen Ehefrau Anna Elisabeth, diese zwei Eltern haben Gott
ertraut und diesen Kaum erbaut im Jahre 1811.“ 2. an dem
Wohnhaus: „Johannes Kothe, Bauherr und dessen Ehefrau Anna
Martha, geb. Werner. 1825 An dem Hause des Landwirts
deinrich Mogg III-Kasper Wenderoth, Bauherr. Anna Elisa-
etha eine geborene Kothe. Mit Gott erbaut. Anno 1820.
Diejer Bau steht in Gottes Hand, der bewahr in für Wasser und
Brand.“ An dem Hause des Stellmachers und Landwirts Georg
dohmann: „Johann Melchor Siegler und dessen Ehefrau Marid
ẽlisabeth eine geb. Siegler. Anno 24.“ (Erwähnt sei hier noch
ine alte Truhe, im Besitz des Wilhelm Hesselbein, mit folgender
chönen Inschrift: „Wandle duldend, wenn hienieden dich ein schwuler
Nittag drũckt; fröhlich, wenn mit seinem Frieden dich der Abend-
tern beglũckt. 1806.)
Erfreulich ist es zu sehen, wie die Leute in jener Seit auch
ür ihre Kinder sorgten, indem sie ein für die damaligen Verhält-
nisse ansehnliches Schulhaus errichteten. In den Jahren 1828/29
vurde es mit einem Kostenaufwand von 885 Talern und 9 Hellern
ebaut. Diesen Betrag brachte die Gemeinde aus eigenen Mitteln
iuf. Fuhren und mancherlei Arbeiten wurden von den Leuten
hne Entgelt verrichtet.
In den Jahren 1840/41 und 1890/91 wurde an der Wieder—
erstellung der Kirche gearbeitet. 1841 wurde auch wieder eine
Orgel eingebaut. Über 200 Jahre hatte man eine solche entbehren
nüssen. Su den Anschaffungskosten hat die Herzogin Marie von
Meiningen, eine Tochter des Kurfürsten Wilhelm II von Hessen,
ine Summe von 100 Talern beigesteuert. Sie wollte wahrschein—
cheinlich das Unrecht, das ihr Vater der Kirche zugefügt hatte,
vieder gutmachen. — Wenn die Kirche auch nicht ganz in ihrer
ilten Schönheit erstand (das Gewölbe im Mittelteil fehlt noch,
ie bunten Fenster bonnten nicht ersetzt werden; nur eins wurde
881 von einem Ortsbewohner gestiftet), so ist sie doch ein schönes
ßotteshaus. Einen herelichen, sehens werten Schmuck hat sie noch
ufzuweisen. Das ist oin mächtiger Efeustock, wohl Jahrhunderte
ilt, der den Turm von Sũden und Westen umspannt und ihn bis
zu einer Höhe von 22 Meter erbkblettert hat.
An den großen Ereignissen im Vaterland nahm auch unser
Dorf immer seinen bescheidenen Anteil. Im Kriege 18710/11
tarben von den 16 Kriegsteilnehmern drei den Heldentod. Der
Veltkrieg 1914/18 forderte härtere Opfer. 92 Krieger (von 870
kzinwohnern) zogen ins Feld. Das von den Dorfbewohnern auf
em Friedhof selbsterrichtete Helden ⸗Gedãchtsnismal weist 22 Namen
er Gefallenen auf. Ehre ihrem Andenben!