Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Swischen gemeldetem Eichhölzlein und dem Heidelberge (2) 
haben die von Tabelshaußen einen Ort Holzes. Was sie von 
Sehölze darin hauen, davon geben sie dem Herrn halben Forst, 
denselben erlegen sie zu Homberg. 
4. Schaftrift. 
Von jedem „Perch“ müssen die Schäfer dem Herrn Landgrafen 
jährlich einen Christhammel und ein Christlamm geben und geben 
jetzt von 100 Stücken alles Viehes wie die von Ostheim 2 Gold- 
gulden; ist aber das Hundert nicht voll, so müssen sie der Sahl 
nach bezahlen. — Es hat aber die Kirche eine freie Schaftrift, 
deren 200 Stück triftfrei gehen; was aber darüber ist, davon 
mũssen sie gleich den anderen zu Tabelshausen dem Herrn Steuer 
entrichten. Diese Vergũnstigung ist der Kirche durch Landgraf 
Ludwig II. im Jahre 1462 gewährt. 
Wenn uns auch die Geldbeträge der Steuern gering erscheinen, 
so haben sie doch, da Geld eine seltene Ware war, sicher nicht 
weniger gedrũckt als die heutigen Steuerbeträge. Daß die Ab— 
Jaben teilweise in Naturalien — Hühnern, Schafen — gefordert 
purden, beweist eben, daß man hohere Geldforderungen an die 
Leute nicht stellen kLonnte. Hinzu bamen noch die Hand- und Spann- 
dienste, die besonders in Kriegszeiten außerordentlich drückend wurden, 
So verging die Seit. Von Krieg und größerem Unglück ver— 
schont, lebten die Leute zufrieden ihre Tage. Da brausten Unheil 
und Verderben im dreißigjährigen Kriege über deutsches Land. 
Auch unser Dorf bekam sein übervolles Maß an Not und Tod 
zu bosten. Die Bewohner mußten Kriegsfuhren oft bis nach 
Westfalen hin machen für Freund und Feind; denn sowohl die 
Katholischen unter Tilly (16204, 1625, 1626) und General Merode 
1625 /26) wie auch die Evangelischen unter Herzog Christian von 
Sraunschweig (April 1026) durchzogen das Fuldatal. Futter⸗ und 
Lebensmittellieferungen mußten ausgeführt werden, so daß den 
Leuten für ihre eigenen Bedürfnisse und für ihr Vieh oft wenig 
übrig blieb. 
Achtzehn schwere Kriegsjahre vergingen. Vor äußerster Not, 
vor Brand, Plünderung und Tod war das Dorf bisher verschont 
geblieben. Nun war das Jahr 16036 herangekommen und brachte 
Unheil und Verderben im ÄÜbermaß. 
General Göß belagerte mit seinen Kriegshorden, den wilden 
und wüsten Kroaten, Stadt und Burg Homberg. Die Belagerung 
dauerte längere Seit. Da durchzogen einzelne Abteilungen des 
Heeres die Umgegend, trieben den Bauern das Vieh von der 
Weide, forderten Lebens und Futtermittel, die die Bauern selbst 
ins Lager beingen mußten. Da kam manch einer ohne jein Sug- 
vieh zurück und mußte noch froh sein, wenn die rohen Kriegs- 
mechte ihm das Leben gelassen hatten; denn Mord und Totschlag 
waren an der Tagesordnung. Auch die Leute von Dagoberts— 
haujen hatten viel zu leiden. 
Das Dorf lag damals noch nicht so dicht um die Kirche herum 
wie heute, sondern die Höfe lagen einzeln. Bis nach Elfershausen 
hin. das damals noch keine eigene Kirche hatte, lagen die Häuser 
Dom Pulsschla 
Das Lullusfest in Hersfeld. 
Es ist ein gutes Seichen dieser sonst nicht gerade erfreulichen 
Zeit, daß man die Liebe zur engeren Heimat pflegt, daß man alte 
Oolbssitten in Ehren hält und neu zu beleben jucht und in Heimat— 
nujeen die Erinnerung an der Väter Seiten wach erhält. 
Auch die Erhaltung und Neubelebung alter Volbsfeste ist er— 
vüũnscht, vorausgesetzt, daß jede ÜÄUbertreibung vermieden wird. 
Es ist z. B. recht bedenblich, wenn „jur Hebung des Fremden- 
perbehrs“ oder aus sonst einem schönen Grunde, in einer Sejit, 
die doch immer noch Notzeit ist, allzuoft Lostspielige Veranstaltungen, 
denen man schwer widerstehen bann, auf dem Peäjsentierteller 
gereicht werden. Gute Volbksfeste müssen durch sich selbst wirken. — 
wenig kbosten und allen zugänglich sein. 
Nicht jede Stadt hat wie Hersfeld das Glück, ũber ein rechtes, 
echtes Volbsfest zu verfügen, das Lullusfest, das durch seine Eigen- 
artigkeit außerordentlich stark wirkt. Lullus ist der Gründer Hers— 
felds. So steht es auch am alten Lullusbrunnen vor dem Kathaus 
geschrieben, allerdings lateinisch: Conditor (S Begrũnder), welches 
Wort schon manchen Lejer zu dem falschen Schluß verleitet haben 
joll, Lullus sei Konditor gewesen. Nein. Luilus war weder 
Konditor noch Bäckermeister, sondern Abt und Nachfolger des 
Bonifazius auf dem erzbischöflichen Stuhl in Mainz. Er starb am 
16. Oktober 181. und dieser Tag wurde im Jahre 852 zux Er— 
erstreuf. Drangen nun die Feinde in solch einen einsamen Hof 
ein, so bonnten sich die Leute gegen eine Plũnderung nicht wehren. 
Vurden sie dagegen das Herannahen der Feinde gewahr, so 
lüchteten sie mit ihrem Vieh hinter die starken Kirchenmauern und 
varen für den Augenblick in Sicherheit. Die Feinde wagten sich 
ann nicht heran:; denn gar gefährlich drohten aus den Schieß- 
charten einige Büchsenlaͤufe, die die um ihr Leben besorgten 
Zroaten zurũckschreckten. Sie hörten wohl das blöbende Vieh, 
nußten aber ohne Beute abziehen. Aus Wut steckten sie bald 
ier, bald dort ein Haus in Brand und schwuren dem Dorfe und 
einen Bewohnern blutige Kache. 
Da eroberte der General Göß die Burg Homberg, weil sich 
ie Verteidiger wegen Wassermangels (eine Magd war in den 
Brunnen gefallen) nicht mehr halten bonnten. 
Nun wälzte sich das siegreiche Heer im August 1636 gegen 
slorden. Den Hommerweg (Homberger Weg) bamen die Scharen 
erab. Sum Teil hatten sich die Leute in die nahen Wälder 
eflũchtet; andere suchten bei der Kirche Schuß. Aber gegen die 
tarben Kriegshaufen bonnten die Mauern nicht lange schützen. 
NMit Kanonen zerschoß der Feind die Tore. Brandbkugeln flogen 
ns Kirchendach und zündeten im Gebäll. Bald waren Kirchhof 
ind Kirche erstürmt, obwohl sich die Bauern mit ihren Waffen, 
nit Axten und Sensen tapfer wehrten. Aller Widerstand war 
ergeblich. Nur wenige Leute bonnten entrinnen. Männer, Frauen 
ind Kinder wurden von den entmenschten Scharen erschlagen, ja, 
neist schrecklich zu Tode gequält. 
VDom Turm holten die Feinde die Glocken herunter, aus der 
rennenden Kirche raubten sie die Orgelpfeifen. Das Vieh trieben 
ie von der Weide fort; die Ernte auf den Feldern vernichteten 
ie; jeden Wertgegenstand aus den Häusern nahmen sie mit. 
Dann steckten sie die leßten Gebäude in Brand. 
Als nichts mehr zu rauben war, zogen sie ab. eine rauchende 
crũümmerstätte hinter sich lassend. 
Als endlich sich die gefluͤchtelen Bewohner wieder ihrer Dorf⸗ 
tätte näherten, sahen sie nichts als Jammer und Elend. Hier 
anden sie erschlagene Freunde, dort lagen halbverbohlte Leichen 
inter Brandtrünmmern. Und wo am Worgen noch ihr liebes Haus 
zestanden hatte, war ein Haufen rauchgeschwärzter Steine der 
raurige Äberrest. 
Das Heim verbrannt, liebe Angehörige geschändet und ge— 
õtet, die Gärten zertreten, die Felder verwüstet, das Vieh ge— 
aubt, wer bönnte sich das Elend der Übriggebliebenen ausmalen? 
Da mag sich mancher auch den Tod gewünscht haben. 
Aber das Leben geht weiter, und die Seit heilt auch den 
eftigsten Schmerz. Die bei der Vernichtung des Dorfes verschont 
ebliebenen Leute bauten sich zuerst im dichken Walde Hütten von 
daub und Gezweig. Sorgsam waährten sie das wenige gerettete 
dieh, ihren einzigen dürftigen Reichtum. Ausgestellte Wachen 
eobachteten die Gegend, ob vielleicht der Feind zurückkäme; aber 
der zog andere Wege und brachte Tod und Verderben in viele 
Hrte des Hessenlandes. GSchluß jolgt.) 
g der Heimat. 
nnerung an Lullus zum bkirchlichen Feiertag bestimmt und somit 
as Fest eingejetzt, das wir heute noch als weltliche Feier begehen. 
In alten Seiten hatte das Fest für die Hersfelder auch eine 
vietschaftliche Bedeutung. Dreĩ Tage und drei Nächte herrschte 
Lollsfreiheit“‘. Da brauchten Metzger und Bäcker beine Abgaben 
iuf ihre Waren zu zahlen. Auswärtige Biere und Weine, auf 
enen jsonst beträchtliche Steuern lagen, bamen frei in die Stadt. 
die Stadtverwaltung jselbst ließ eine große Hütie auf dem Marbkt 
lufschlagen, in der gegessen, getrunken und getanzt wurde. 
das Feiern ist dann sörmlich übertrieben worden, und es wird 
vohl seinen guten Grund gehabt haben, wenn der Oberschultheiß 
ßrußemann im Jahre 1790 glaubte einschreiten zu müssen. Er 
oollte sogar gleich das Kind mit dem Bade ausschũtten und machte 
er Casseler Regierung den Vorschlag, das Aufschlagen der Hũütte 
ind das Auftreten der Musikanten zu verbieten, „in welchem 
falle das sogenannte Lullusfest mit der Seit von selbsten aufhören 
ind gänßzlich eingestellt werden dörffes. Die Antwort lautete 
iber, daß „es zwar bey der jährlichen fayher dieses festes jein Ver— 
leiben haben, von Euch aber auf Erhaltung guter Ordnung dabeh 
munterbrochen gesehen werden soll“. 
So war das Lullusfest gerettet. Es wäre auch sehr bedauer— 
ich gewesen, wenn das ganze Fest wegen törichter Übertreibungen 
in vorzeitiges Ende gesunden hätte. Denn außer den erwähnten 
festfreuden als Folge der „Lollsfreiheit“, die später ganz auf— 
ehoben wurde. wies das Lullusfest dreierlei auf. was das
	        
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