Sonntagsspaziergang. Mit einem schweren Schmiedehammer gab
hm Sieglers Dienstknecht — der hatte die beste Henkerskurage im
ganzen Dorf — die letzte Glung, und der Schinder holte ihn
urũck in seinen alten Heimatsorf. Der arme Franz! Wenn doch
nur jemand aus der Kirche geblieben und ihn zum Spaziergang
begleitet hätte! C. E.
Schnurrpfeijfereĩen.
Wie ich als angehender Dichter vom Pegasus herunter-
geworfen wurde.
In vielen dichterisch veranlagten Menschen tritt die Neigung
zum Dichten zuerst auf, wenn die Seit der ersten, jungen Liebe
lommt, wo er „errötend ihren Spuren“ folgt. So erging es mir
auch, als ich noch ein junger Dachs, so ein junger Seminarist war;
ich fing an, ein Dichter zu werden, glaubte es wenigstens, daß es
mir gelang, allerlei schöne Sachen in Reime zu bringen. Eine gute
Anregung dazu fand ich noch bei dem mit mir zujammen lebenden,
pãteren Dichter und leider zu früh verstorbenen Karl Engelhardt.
Wir haben manchmal zusammen Gedichte verbrochen. Ich will hier
eine Probe meiner Dichterarbeit geben, um dann zu erzählen, wie
man mich von dem Pegasus herabwarf.
Sonntag-Morgen.
derfaßt auf dem Wege nach Remofeld bei Homberg.
Es braust der Sũd durch dürre Hecken,
Die Blümlein aus dem Schlaf zu wecken
ks schmilzt das Eis, der Schnee vergeht
Je mehr der Sũd darüber weht.
Der Klee, er reckt sein Köpfchen aus
Und schaut aus seinem balten Haus.
Er denkt, der Winter sei dahin,
Er muß in seine Höhle fliehn.
—A0
Noch kaum durch ihre Brüũckenbogen.
Der Wind jegt durch die Pappelwipfel
Und jagt die Krähen aus dem Gipfel.
Doch ũberall ist Sonntagsfrieden
Trotß Wogendrang und Sturmeswüten.
Im nahen Dorf ein Schaf bald schreit,
Ein Seichen. daß der Tag nicht weit.
Auf der He
Landgraf Ernst von Hessen .
Im Alter von 10 Jahren verschied nach kburzem Leiden
5. Hoheit Landgraf Ernst von Hessen. Der Verstorbene war am
o. Déezember 1848 als Sohn des Landgrafen Karl und der
Landgraäfin Maria von Hessen geb. Herzogin von Württemberg
geboren. Die ältere Philippsthaler Linie des hessijchen Fürsten
Jauses stirbt mit ihm aus; sie war ein Sweig der regierenden
Landgräflich, spãter Kurfürstlich Hessen Cassel'sjchen Hauptlinie. Der
Landgraf war Major à laà suite der Armee und Komtur des deutschen
Kitterordens. In den letzten Jahren lebte S. Hoheit sehr zurück-
zezogen und allgemein verehrk und geliebt auf jeinem Schlosse zu
Philppsthal. Die Beisetzung fand am 28. Dezember in der an der
Kirche zu Philippsthal gelegenen Fürstengruft statt. Den Sarg be—
deckten Ordenskleid und Schwert des Deutschen Kitterordens der
Balleĩ Utrecht. Der Ortsgeistliche Heßler gedachte in ergreifenden
Worten der Verdienste des Landgrafen und seines innigen Ver—⸗
hältnisses zur Gemeinde. Der reiche Besitz des Verstorbenen fällt
ain den Laändgrafen Chlodwig in Herleshausen. 6
Prof. Hugo Schneider 5.
Der „letzte Gotiber“, wie er von vielen genannt wurde, ist
venige Stunden vor dem Weihnachtsfest, am . Dezember, in
einer Vaterstadt Cassel gestorben, vierundachtzig Jahre alt. Mit
hm ist wohl in der Tat der letzte Vertreter eines Saustils heim⸗
gegangen, welch letzterer, von einer inneren Erfassung des Wesens
niftelalterlicher Kirchenbaukunst ausgehend, einer Seit freilich
remd erscheinen muß, die, wie die gegenwärtige, Traditionslosigkeit
und leeren Sweckbegriff auch in der Architebtur vielfach zu dog-
natischen Lehrsätzen erhoben hat. Es ist aber schwerlich zu ver—
rennen, daß in jener Seitfremdheit und Unzweckmäßigbeit der
Neugotiker“ nicht jelten eine so feurige, unbeierbare Siebe zur
Kunst loderte, wie sie in der heutigen Baukunst zweifellos nur
nit Mühe aufzuspüren ist. Jedenfalls wirbte das entschiedene
Festhalten Hugo Schneiders an seinen alten Idealen nicht als
Figensinn; es glühte vielmehr in dieser Beharrlichbeit eine geistige
Die Sonne steigt am Horizont;
Ihr gegenüber steht der Mond.
Die Morgenroͤte schmüũckt den Frieden,
Der einzieht in das Herz der Müden.
Nun hatten wir in dieser Seit einen tüchtigen Deutschlehrer,
»er uns Grammaͤtilk, Metrik usjw. gehörig beibrachte, der aber auch
ehr strenge war. Mancher Leser wird ihn gekannt haben, und
ch will mich eines weiteren Urteils über ihn enthalten. Der hatte
nir durch eine gute Einführung in das Versmaß den linkben Steig-
ȟgel zum Ritt auf den Pegasus gehalten, warf mich aber nach
urzer Seit wieder herunter. Und das bam so: In dieser Seit
tarb plößzlich ein lieber Kamerad, zugleich mein Freund und Lands-
nann, und das ergriff mich so, daß ich meine dichterische Ader
uslaufen ließ in einem Gedicht, das überschrieben war: „Der
zẽltern Glück und Unglück.“ In vorwitziger Weise wagte ich es,
amit sogar an die Geffentlichkeit zu treten und es dem dortigen
Zreisblaft zum Abdruck zu übergeben. Ach, du lieber Gott! Da
par auch noch der Setzteufel eingebrochen und haͤtte den schönsten
Hethographen auf der Welt in das Gedicht hineingeschmuggelt.
Das Wort erblommen war mit einem „g“ geschrieben. Solch Futter
onnte der Pegasus — Verzeihung, unser Deutsch⸗Lehrer — natür⸗
ich nicht vertragen. Die Metreik war noch einigermaßen. Aber
onst haperte es an allen Ecken und Enden. Der Herr war nach
Erscheinen des Kreisblattes, welches das dichterische Verbrechen
enthielt, jofort zur Redabtion gelaufen, um den Übelläter festzu-
sttellen. Und am andern Tag da gab er dem Pegasus Pfeffer unter
den Schwanz, daß der sich bäumte, mich abwarf und mit hängendem
Zügel davonlief. Ich aber hing meine Dichterharfe an die Wand
und trauerte darüber, daß man mich so schnell vom Pegajus ge—
worfen hatte, auch später noch, als ich es erleben mußte, wie
nein Jugendfreund Engelhardt auf seinem Pegajus fernen Sonnen
entgegen ritt oder wie er in dem nordischen Sagenwald seine Sagen
erblingen ließ. C. E.
Er will 80 Jahre alt werden.
Su einem alten, aber etwas derben Arzt kommt ein Mann
ind will ein Mittel wissen, wie man 80 Jahre alt werden kbann.
Der Arzt fragt: „Teinken Sie alboholische Getränke?“ „Nein!“
Kauchen Sie“ Mein!“ „Haben Sie noch nie ein Weib im
Arm gehabt?“ „Neinl“ —„Sie saudummer Mensch, wofür
vollen Sie denn da 80 Jahre alt werden?“ sprach der Arzt und
intließ seinen erstaunten Gast. C. E.
imatwart
im darte.
Villenskraft, der auch anders Denbende den gebührenden Respelt
icht versagen konnten. Hugo Schneider wurde 1841 in Cassel
eboren, wo er zunächst die damalige Höhere Gewerbeschule be—
uchte. Hier führte ihn der berühmte Ungewitter in die Theorie
es gotischen Baustils ein und schuf damit die geistige Grundlage,
uf der das gesamte Schaffen Schneiders beruht. Nach vierjähriger
rabtijcher Beschãftigung als Seichner und Polier beim Kölner
Rombau lebte der junge Architebt, der inzwischen ein Jahr in Wien
ch aufgehalten hatte, von 1865 bis 1814 in Aachen, von wo aus
r bedeutende birchliche Bauten, namentlich in Holland, aus—
ührte. Swischendurch besuchte er England und Italien und widmete
ich dann, von 1874 bis 1819, in Düsjseldorf der Malerei; als
dehrer an die KunstAbademie seiner Vaterstadt berufen, wirkte
r dort in dieser seiner Eigenschaft drei Jahrzehnte und schuf als
zünstler neben Lleineren Werben daselbst die neue Lutherkirche
ind führte den Umbau des Martinsdomes aus. Von ihm stammt
brigens auch der Neubau des Turms für den Aachener Dom,
zie Wiederherstellung der Aachener Pfalzkapelle Karls des Großen
ind eine große Sahl bünstlerijscher Inneneinrichtungen evangelischer
ind batholischer Kirchen sowie eine ganze Keihe profaner Brunnen⸗-
ilagen in verschiedenen Städten Deutschlands. Noch vor wenigen
lahren hatte er die Genugtuung, daß sein Lebenswerk in Form
iner Ausstellung seitens der städtischen Galerie zu Cassel ge—
eigt und öffentlich gewürdigt wurde. Seitdem war es still geworden
im den alten Herrn, dessen marbante Erscheinung nun viele ver—
nisjen werden, die nie gewußt haben, wer eigentlich der einsame
zpaziergänger mit dem langen weißen Vollbart war. Möge die
dachwelt das Andenben eines Mannes in Ehren halten, der als
in ganzer Mensch hohen Idealen ergeben war, Idealen, deren
nnere Bedeutung, wie immer die Welt sich wandeln mag, solange
Nenschen auf ihr leben, nicht vergehen kbann. W. G.
Die neue Gotische Skulpturensammlung im Landesmuseum.
Unserem hessischen Landesmuseum ist eine neue Abteilung
vertvoller gotischer Bildwerke angegliedert worden, die der