Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Nannesjahre gebommen, wiederbam und um ihre Hand anhielt, 
a war sie ihres Witwenleides quitt. Und weil ein langes Ver— 
ↄrochensein oft vom Abel ist, so machten sie bald Hochzeit. 
Nun war der alte Schulmeister des Dorfes ein findiger Kopf, 
en man fürchtete, weil er jedem seinen passenden Liedertexf aus dem 
ßesangbuch zu wählen wußte. Die Gemeinde und alle Hochzeits- 
zäste spannten schon darauf, welchen Vers dieses Brautpaar 
riegen werde. 
And als nun das Brautpaar die Kirche betrat und zur Trauung 
in den Altar schritt, hub auf der Empore die Orgel gar zärtlich 
in, und die Schulkinder fielen mit weichen Stimmen ein: 
„Ach, daß ich dich so spät erbennet, 
Du hochgelobte Schonheit du, 
Und dich nicht eher mein genennet, 
Du höchstes Gut und wahre Ruh. 
Es ist mir leid und bin betrũbt, 
Daß ich so spät geliebt!“ K. 
Das Brautexamen. 
Swei Brautleute gingen zum Pfarrer und bestellten ihr Auf- 
ebot. Da mußten sie, wie das früher üblich war, das christliche 
szlaubensbekenntnis ablegen. Der Pfarrer fragte die Braut: 
J wieviel Pe — — 35 di⸗ —38 fegbart g⸗ 
i i “ i t, die an die 
Oer passende Vers. Vierezwanzig met de Wusegande,“ sagte die Braut, 
Ein Bauernbursch war ledig geblieben, weil ihm das Mädchen, ahl der Hochzeitsgãste dachte. R. 
das er gern hatte, nicht genug Freierstaler mitbringen bonnte. Voll. 
Die Derschmähte tat dafür einen umso besseren Griff: sie freite „Wie merkbt man denn das, VBater, daß man ganz voll ist?“ 
ich einen zwar schon ältlichen, aber schwer reichen Hofbesitzer. o fragte das wißbegierige Paulchen seinen „Alten“. Der räusperte 
Die Leute belachten den Streich und sagten, daß eine blinde ich ein paar Augenbliche verlegen und sagte dann, etwas näselnd: 
Taube doch auch mal eine Erbse finden müsse. Junge, siehst du, da stehen zwei Flaschen auf dem Tisch, wenn 
Der Hofbesitzer starb und hinterließ seinen ganzen Reichtum u nun statt der zwel viere siehst, dann hast du tũchtig dein Fett.“ — 
seiner untröstlichen Witwe. Die wollte sich von beinem trösten Wie, Dater,“ antwortete Paul verwundert. „Ihr irrt, auf dem 
assen. Aber als ihr erster. treuloser Liebhaber, der indessen in die Tisch steht doch nur eine Flasche.“ Schw. 
—X 4 ⸗ 
Vom Büuchertische der Heimat. 
Amtwmann, nach Luft ringend, befahl: „Ge — schenkt! Lahjen Sie 
— den Lümmel — los.“ 
Das gerade hatte Gutmann bezwecken wollen. Wie ein ab— 
geschossener Pfeil lief er wieder nach dem Pfad zwischen den 
Härten vor der Stadt und band sich dort den Aschensack ab, legte 
ihn vor der Hand sorgfältig unter einen großen Stein, ging zurück 
zur Stadt und genehmigte sich dort „auf die überstandenen Schmerzen 
hin“ im ersten besten Wirtshaus fünf „Halbe‘ (Si2 Kännchen 
à3!16 E.) Branntwein „an einem Seil“. 
Dann zog er, an der bewußten Stelle angekommen, den dort 
verborgenen Sack unter dem dicken Stein hervor und „trastete“, 
weren Last ledig, pfeifend und singend auf sein Heimat- 
orf los. 
Am anderen Morgen war er als erster im Steinbruch und 
zrzählte dort pfiffig seinen neusten Streich. Die anderen Arbeiter 
achten darüber aus vollem Halse und ebenso jeder, der in den 
aächsten Tagen die Begebenheit hörte. 
Besser war Konrad Gutmann durch dieses Schelmenstück nicht 
geworden. Er „mauste“ weiter, und dabei wurde er eines Nachts 
vieder ertappt. Diesmal jetzte es 3 Jahre Suchthaus. Die hat 
er nicht mehr ganz überstanden. Im 2. Jahre schon schaufelte 
man ihm die bleine Grube, aus der ein Mensch erst am jüngsten 
Tage wiederkehrt. Schw. 
Zeitischrift des Geschlechts Stück. J. Jahrg. 
Nr. 48 vom 1. 8. 26 — Exlibris des Herausgebers der Bei— 
iage 13. „In eigener Sache“ bringt den Gerichtsbeschluß in der 
Peivatklage der „Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und 
Waldeck“ gegen den Herausgeber. Die Klage wired bostenpflichtig 
abgewiesen. „Findlinge“‘“ (O. Fortsetzung) mit wiederum reichem 
Materlal zur Geschichte hessischer und niedersächsischer Familien. 
Ne. 49 v. 1. 9. 26: „Echo“; versch. Presjestimmen. — 
„Findlinge“, Nachrichten über die Ahnenfamilien Portscher, von 
Quernheim, Ratz und Specht. letztere aus Gottsbüren am Rein— 
hardswald. 
Hellmuth Unger, Die Insel der Affen. Komödie in vier 
Aufzügen. Keclams UAniversalbibliothek Ne. 6648, geh. 40 Pfg. 
Diese Komödie ist vergnüglich zu lesen; sie aufgeführt zu jehen, 
dürfte noch viel vergnüglicher sein. R. 
ODergils Georgika (Von Ackerbau und Viehzucht). Ins 
Deutsche ũbertragen von Kudolf Alexander Schröder. Vorlag der 
Bremer Presse, München. 
Das umfangreiche, dem Mäcenas gewidmete Gedicht des 
Zeitgenossen Octavians, der als Kaiser Augustus jedem Schulkind 
hekbannt ist, schildert in vier Gesängen mehr oder weniger belehrenden 
Tons die verschiedenen Sweige der Landwirtschaft, wie sie damals, 
»or etwa zweitausend Jahren, sich dem Anblick des gebildeten 
Kömers darbot. Es schildert zunächst den Ackerbau, jeine Methoden 
ind seine Werlzeuge, schildert auch die Wetterkunde jener Seit, 
und beschäftigt sich alsdann mit der Forstwirtschaft, dem Wein- und 
Obstbau und den mannigfaltigen Arten der Bodenbeschaffenheit, 
oerbreitet sich serner eingehend ũber die Viehzucht, vor allem der 
Pferde, der Rinder, der Siegen, der Schafe und der Hunde, und 
ergeht sich im letzten Gesang besonders über die Bienenzucht, wobei, 
vie auch sonst, nie versäumt wird, in mythologische Erörterungen 
Pbzuschweifen, die manchmal große Teile der Darstellung einnehmen. 
Sowohl hinsichtlich der Herkunft der landwirtschaftlichen Methoden 
vie in Bezug auf die landwirkschaftliche Tätigbeit schlechthin ver⸗ 
äumt der Sichter nie, den Landmann auf den Susammenhang von 
allem Leben und Treiben mit der Welt der Götter hinzuweisen. 
Daneben aber benuttt er jede Gelegenheit zu politijchen Anspielungen, 
in denen er sich ais einen Parteigänger des neuen Kaisertums 
erweist und übrigens auch nie vergißt, den Preis des römischen 
Weltreichs wie des italienijchen Mutterlandes in allen Tönen heimat; 
licher Begeisterung zu singen. Seine Dichtung wiebt aber immer 
dann am stärbsten, wenn er, wie etwa in der ODision ũbernatüelicher 
Zeichen bei Easars Tod, oder in dem Bilde der Tierpest, seiner 
ohantastischen Begabung fkreien Lauf läßt. Die AÄbertragung aus 
em Lateinischen ist recht lebendig und von vereinzelten, aber wohl 
erzeihlichen Kühnheiten abgesehen, einwandfrei. Der Druck und die 
Ausstattung verdienen, wie bei allen Veröffentlichungen der Bremer 
Resje, höchstes Lob. W. S. 
Knies, Richard: Die Herlishöfer und ihr Pfjarrer. Ein 
dorfroman. 1925. Im Matthias Grünewald-VDerlag, Mainz. 196 6. 
Das gesegnete Rheinhessen, vordem besonders durch die 
Zomane und Erzählungen von Karl Neurath und Nibkbolaus 
schwarzkopf literarisch renommiert, neuerdings vor allem durch die 
Affäre des „Fröhlichen Weinberg“ in vieler Leute Mund geraäten, 
zird in diesem biederen Erzählwerk recht wahrheitstreu und doch 
ugleich mit inniger Heĩmatliebe gespiegelt, das Land sowohl wie 
eine Leute nicht zu allerletzt. Der Dichter, und es ist einer von 
echtem Schlag, unternimmt diese Spiegelung vermittelst der Wieder- 
abe eines höchst kuriosen Falles, der den Stolz und den Eigensinn 
einer Landsleute, zugleich aber auch ihre herzhafte Lebensart an 
inem böstlichen Beispiel dartut. Die Herlishöfer jagen ihren sonst 
dbeliebten Pfarrer aus dem Dorf, weil er es gewagt hat, am 
5chulneubau, mit dessen Ausführung er nicht ganz einverstanden 
var, in einer kleinen Seitung Kritik zu üben. Bitter und bös ist 
ie Kache, die sie an ihm nehmen, und es geht eine Weile ziemlich 
rũber und drunter in Herlishofen, wobei die Feindschaft mit 
nderen Dörfern, die auf dem Land überall eine so große und 
etrũbliche Rolle spielt, wesentlich mitspricht. Aber die Seit heilt 
icht nur Wunden, sondern beruhigt auch und Lühlt erhißte Köpfe, 
nd so sehen die Bauern und selbst die ärgsten Hetzer allmählich 
hre Torheit ein und holen am Ende den Pfarrer zurũck, der auch 
einerseits die ÄÜbereiltheit jeines Versuchs in der Journalistik 
ingesehen hat. Knies erzählt diese wohl dem Leben abgelauschte 
zeschichte in dem anspruchslosen Ton, der bei Dorfgeschichten just 
m Platze ist, und bereichert damit die echte, bodenständige Heimat⸗ 
ichtung um ein Werb, dessen Wert nicht bloß in der Lebens— 
chtheit und in der fesselnden Art der Darstellung liegt, sondern 
uch in der ebenso Enappen wie eindringlichen Charabteristik, mit 
zelcher wichtige Figuren gestaltet werden. W. S. 
Hans Grimm: Volbohne Kaum. Roman in zwei Bänden. 
Albert Sangen, Verlag, München. 1026. 6883 und 6183 S. 
Wie der Dichter selbst, so ist auch der Held dieses seines 
Zomans, Cornelius Frlebott, ein richtiger deutscher Sinnierer, der 
icht aufhören kann, über das Schicksal eines Volkes nachzudenkben, 
as ihn eigenes Schicksjal dünkt. Wie der Dichter, ist auch er in 
er Weserlandschaft zwijschen Münden und Carlshafen verwurzelt, 
ort, wo im urhaften Keinhardswald hessisches und niedersächsijches 
dolkstum hart aneinander grenzen und so eng miteinander 
erflochten sind. daß in einem und demselben Dorf Häuser hessischer
	        
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