Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Sebanntlich sei der Lindenberg vor der Stadt zu einem hepflanzt, so daß nach wenigen Wochen die Melsunger ihren wüsten 
sffentlichen Vergnügungsplatß sehr geeignet, wenn er auf der Ober. Hüugel nicht wieder erkannfen. Am Geburtstage des Kurfürsten — 
läche geebnet und mit schicklichen Pflanzungen besetzt werde. Es 8. 1. 1831 — sollte der Platz eingeweiht und der ðffentlichkeit 
ey dieses bey dem WMangel solcher Anlagen hierselbst auch der bergeben werden. Das gab ein Fest für die ganze Stadt. 
allgemeine Wunsch der Surgerschaft. Die Kosten der Einrichtung Die Kompagnie jollte zum erstenmal öffentlich auftreten und 
vũrden sich nicht ũber 50 Ktle. belaufen, und wenn man Straj- uuch Peoben ihrer Schießkunst ablegen. BSürgermeister und 
rbeiter dazu verwende, würden die Kosten noch beträchtlich nie- Städtrat wurden als Ehrengäste besonders eingeladen. Um 11 
driger Lommen. Man Lonne auch säumige oder zahlungsunfähige Uhr trat die gesamte Kompagnie —4 Offiziere, 20 Anteroffiziere, 
Kammerey-Schuldner zur Arbeit verwenden. Ser Stadtrathh sSpielleute und 1800 Mann — auf dem Markbtyplatz an. Nach 
verde deshalb gebeten, dieserhalb einen bestimmten Schluß zuͤ rfoligter Aufstellung wurden die Gewehre in Rotten zusammen- 
fasen und die Zusführug der Onlage, dem Kreissebretär zu über, jestellt, und unter dem Klang der Kirchenglocken schritt man zZum 
laßen. Demnächst solle dem Stadtrath die Nachweisung gestellt ßotteshaus, um an dem festlichen Gottesdienst teilzunehmen. Rach 
werden. Seendigung stellte sich die Kompagnie zur Parade auf. Ganz 
Seschlud: Der Stadtrath genehmigt den Vorschlag gern; Nelfjungen umsaumte den Platz. Manch Frauenauge schaute mit 
erblärt sich bereit zum Beitrag der angetragenen erforderichen Stolz auf den einzelnen Mann, der ihr besonders nahe stand. 
Hilfe mĩt Geld und Strafarbeiten oder Kaãmmereyh⸗Schuldner und Zuf der Kathaustreppe stand die gesamte Stadtoerwaltung, vorn 
slelit burfürstlichem Kreisamt anheim, die Genehmigung Kurfürst· her Bürgermeister, der mit Stolz aufj „jeine Bürgergarde“ blickte. 
licher Kegierung auszuwirben. Leise unterhielt er sich mit Hauptmann Wagener. Da melden 
Der Magistrath ie Offigiere· Wagener wendet sich der Kompagnie zu. Trommel⸗ 
Lotz, Müller, Naumann, Kiemann, pirbel erschallt. Kommando ertönt. Und nun fliegen die Gewehre 
Leibrod, Sänger, Wassermann, in die Schulter. Alle Griffe werden gezeigt. Die Zuschauer 
Lowe, Eysel, Kiemann, Worst, ufen Beifall. Die Truppe seht sich in Bewegung. Die Tambours 
Wagener, Kreissebretär.“ chlagen einen Marsch. Mit angefaßtem Gewehr in dröhnendem 
Der Beschluß wurde durch das Kreisamt umgehend der darademarsch jührt der Hauptmann seine Kompagnie als besondere 
Kegierung vorgelegt. Nach baum 14 Tagen schon traf die Ant. Ehrung am Stadtrat vorbei. Die Spitze schwenkt in die SBrũcken⸗ 
vort ein: jasse und jeßt gehts im Gleichschritt zum Lindenberg. — Leider 
Auszug aus dem Communal- und Instituten-Protobolle der jt in den Abten beine Aufzeichnung über das Fest selber. Es 
Kegierung der Provinz Niederhessen. st aber nach anderen Notizen anzunehmen, daß Wagener die 
Kassel, am 19. April 1881. Anlage feierlichst der Stadt übergab und gauch der redegewandte 
Nre. 940. Das Kreisamt zu Melsungen berichtet wegen Einrichtung ßũrgermeister das Wort ergriff. Bald halite der Platz vom 
eines wüsten Hügels, des s. g. Lindenberges bei der Siadt donuer der Gewehre, und ein schönes Volbsfest spielte sich hier ab. 
Melsungen zu einem öffentlichen Vergnũgungsplatze. deider endete der Tag mit einem ernsten Mißllange. Der Bürger- 
Sejchluß:“ Die beabsichtigte Anlage (unleserlich), daß die garde schien der Plaß nur für ihre Swecke geschaffen. Das hatte 
deshaibigen Kosten, soweit sie nicht durch eine zu veranstaltende uin dem Tage schon zu bleinen Reibungen geführt. Am Nachmittag 
Subskripiion unter den wohlhabenden, insbesondere den nicht daten die beiden amtierenden Schießmeister den Burgermeister, 
m dgemeinheitlichen Verbande stehenden Bewohnern von den Ehrenschuß für den Kurfürsten abzugeben. Der BSürgermeister 
Melsungen zu decken sind, aus der Kämmereykasse bestritten war über diese Ehrung ganz besjonders erfreut. Mit den Offizieren 
perden wird genehmigt und hat das Kreisamt hiernach das ind dem Stadtrat trat er zum Schießstand, um den Schuß zu tun. 
Nötige einzuleiten und zu verfügen. Da krat ihm ein Bürgergärdenmitglied — den Namen wollen wir 
Die Anlagen des Berichts gehen hierbei zurüch. ieber verschweigen — eñntgegen und wehrte ihm, sein Vorhaben 
Hasjenpflug.“ nit den Worten „Ein Fremder darf hier nicht schießen und muß 
Wagener ging entschlossen an die Ausführung des Planes. udem noch ¶Silbergroschen zahlen.“ Das war eine Beleidigung 
30 Kilr hatte ihm die Stadt bewilligt. Am 8. Moi 1881 es Surgermeisters und des Kurfürsten. Bürgermeister und Stadt⸗ 
vandte er sich in einem Schreiben an die hier bestehende „Kasino- ai verließen sofort den Platz. Wagener verlangte eine sosortige 
Jeselljchaft· und in einem weiteren Schreiben an die Einwohner. ẽntschuldigung des Attentäters. Es bam zu unliebsamen Aus- 
Diesmal mit Erfoig. Am Lindenberg waren unterdessen Arbeiter inandersehungen. Der Hauptmann verließ — da man seinen 
lätig. Gräben wurden eingeebnet; der Steinbruch zugeschüttet, neue vohlmeinenden Kat nicht umgehend befolgte, den Platz und teilte 
Spaͤzierwege angelegt, der Schießstand geschaffen und alles mit ver - im selben Abend noch dem Siadtrat mit, daß er sein Amt als 
ledenarlisen und auch gar seltenen Baumen und Sträuchern schön dauptmann der Bürgergarde nioderlede. 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Schnurrpfeiferecien. 
Konrad Gutmann. 
Sommermorgen, Dämmerung huscht von Hügel zu Hügel der 
Knũllandschafl. Dunkble Gestalten eilen dem Sandsteinbruch zu, 
zer dort im Felde eines Dorfes liegt. Kaum schaut, die Sonne 
iber die höchsten Knüllberge, erblingt schon das, eintönige Pinb- 
Pink ihrer „Spitzen“, mit denen sie die Sandsteine letzter Hand 
m Steinbruche zu Ouadern formen. 
Anter diesen Arbeitern befindet sich auch Konrad Gutmann. 
Das ist kein Schwälmer, nein, ein „Langhöher“, ein Mensch, nahe 
den Breißigern, blaß jein Gesicht, dünn sein Bart. Er wird von 
allen ein bißchen über die Schultern angesehen. Konrad Gutmann 
hat schon ein paar Jahre hinter eisernen Gardinen im Suchthaus 
zugebracht. In Beziehung auf mein und dein bennt er näãmlich 
lemen Unterschied, er heißt mitgehen, was niet. und nagellos ijt. 
So wars auch diesmal gewesen: Nacht, Mondenschein, vor 
'hm ein Garten mit Gackgomern (Gurken); weit und breit bein 
Mensch zu sehen und zu hören. Das mußte Konrad Gutmann 
berleiten, alsbald in den nuͤr von einer „durchlässigen“ Hecke, mit 
einer unberschlossenen Brettertür umgebenen Garken einzusteigen 
und die Gurben zu lesen, die ihn nichts angingen. 
Er hatte sich garstig verrechnet. Gerade war er am Einpacken, 
da tauchte der Herr des Gartens auf, und Gutmann erhielt von 
hm eine gesalzene Tracht Prügel „auf Abschlag“. Dann wurde 
ex auch noch angezeigt. Ein bißchen knollig (viel)! 
Das Gericht faßte die Sache mild auf und verurteilte Gulmann 
nuer“ dazu. daß ihm 25 aufgezählt werden sollten. Das war damals so. 
Diese Prozedur, die Guftmann aus seiner Zuchthauszeit zur 
Henüge Launte, drũckte auf sein Gemũt. Er dachte: Wie fängst 
u's schlau an, daß die „gefühlvolle“ Geschichte diesmal mild ver⸗ 
ãuft. Kichtig, jetzt hatte er's. 
Am WB. Juli sollte er sich die Tracht holen. Schon wochen⸗ 
und monatelang sammelte er alle Buchenasche, die bei seiner 
Aeinen Wirischaft abfiel, geduldig zusammen, und als er am 25. 
Jull in aller Herrgottsfrühe langsam und bedächtig nach Neidiffele 
chlenderte, trug er einen dreiviertel gefüllten Sack mit Buchen-⸗ 
dizasche auf der rechten Schulter. Die Asche verhandelte er dem 
zeifensieder, ging bis zwischen die Gärten vor dem Städtchen und 
zand sich da den Aschensack um den gefährdeten Korperteil. Dann 
chritter stolz wie ein Spanier auf das Amtsgerichtsgebãude los. 
Gleich empfing ihn der Gerichtsdiener und meinte ingrimmig: 
‚Willst die wohl dein „Trabtement“ holen?“ „Wie Ihr jeht, ja“, 
intwortete Guimann. „Warte elin paar Augenbllcke, ich will's 
dem Herrn Amtmann sagen, der muß dabei sein.“ 
„Es eilt mir gar nicht. ich warte gern“. bemerkte Gutmann 
dazu mit Galgenhumor. 
ODer Amsmann und der Gerichtsdiener Lamen nur zu bald, 
ind der Amktmann befahl sogleich barsch, daß Gutmann in den 
Zeller geführt werden solle. Dort wurde er auf einen hölzernen 
Sock geschnallt, der sür derartige Swecke da stand. und der 
Herichtsdiener sing an, seine Pflicht zu tun. 
Kaum jsauste aber der erste Hieb pfeifend nieder, füllte sich 
ruch schon der bleine Kaum so mit Aschennebel, daß sich der 
rũckend auf die Atmungswerklzeuge des Amtmanns legte. Und 
als der dritte Schlag herniederfuhr, da wurde das so arg, daß der 
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