Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

traf am 15. Dezember hier ein und war ein Beschluß des General 
Kriegs⸗Doepartements: „Wird dem Herrn Kreisrat Giesler der Auf- 
rag ertheilt, dem Magistrat und der Bürgerschaft zu Melsungen 
»ekannt zu machen, daß in Folge Allerhõchster Entscheidung die in 
Kede stehende Vermehrung beruhen mäüsse, bis mehrere ähnliche 
Hehuche definitiv zu entscheiden sein werden.“ 
Der negative Bescheid des Kurfürsten mußte nun den Kreis- 
at veranlassen, bei der Stadt die Durchführung der kburfürstlichen 
Kegierungsverfügung herbeizuführen. Seiner Einladung folgend, ver⸗ 
jammelten sich am 28. Dezember 1830 Kreisrat, Bürgermeister, 
Stadtrat und die Freiwilligen im Rathaussaale, und hier wurde 
die Kompagnie formiert. Zum Führer wählte sie sich den da· 
naligen Keeissebretär, späteren Kreisrat Wagener, und fand in 
hmueinen zielbewußten, mit der nötigen Energie und dem größten 
Wohlwollen ausgerüsteten Hauptmann, der es verstand, in ganz 
urzer Seit die Kompagnie zu einer angesehenen Stellung in der 
Stadt emporzuheben. Führer des 
. Suges wurde 9J. G. Scholl als 
Preemier· Leutnant, ein rede⸗ und 
schriftgewandter Mensch, so ganz die 
eechte Hand des Führers (leider 
schied Scholl im Frühjahr 1831 schon 
aus, da ihn seine Mitbũrger als Ab— 
geordneten in den Landtag schickten), 
den 2. Sug führte Sekonde-Leutnant 
H. Hüter und den 3. Sug Sebonde⸗ 
Leutnant Chr. Hũter. 
Hauptmann Wagener versuchte 
nun, seine Kompagnie auf dem schnell- 
ten Wege zu bewaffnen. Die vor— 
geschlagene Ausrũstung mit Lanzen 
liehnte die Kompagnie als unwürdig 
ab. Sie war ihr doch zu mittel- 
alterlich. Wohl besaßen 67 Mitglieder 
ꝛigene Büchsen und Gewehre. Die 
zenügten nicht. Jeder Teilnehmer 
ollte seine Waffe haben. Da die 
Kompagnie eine Einrichtung der Stadt 
var, so mußte auch die Stadt die 
Kosten dieser Einrichtung tragen. 
Zwar hatte man gehofft, der Kurfürst 
würde die Bestände des mit Waffen 
AD——— 
fügung stellen. Dessen Sparjambeits- 
sinn ließ es aber nicht zu. Und als 
ichließlich ein Teil der Bestände doch 
abgegeben werden sollte, waren die 
Sewehre so verrostet, daß sie nur 
noch als Alteisen Wert halten. Die 
Stadt wurde vom Hauptimann ange⸗- 
gangen, Gewehre zu beschaffen. Dort 
and man ein williges Ohr — aber 
einen total leeren Stadtsäckel. Der 
Kämmerer blagt, „im Etat sei ein 
Defekt von 468 Rtir. Wo solle man 
300 Rtlr. zur Gewehrbeschaffung her⸗ 
nehmen“. Endlich griff wieder der 
Treisrat ein. Er drohte, für die 
Stadt ein Kapital aufzunehmen und daraus die Gewehre zu be— 
ichaffen. (28. 8. 1831.) Stadtrat und Kompagnie wählten eine 
Kommijsion, die die Ausrüstung und Bewaffnung betreiben sollte. 
Diese juchte die Genehmigung zum Ankauf der Waffen bei dem 
Seneral · Kriegs⸗Departement nach. Ratsverwandter Sänger und 
Kaufmann Schnedler trugen persönlich am 9. März das Gesuch 
»or und erwirbten die Genehmigung. Die Wajfenfabrik Pistor 
n Schmalkalden bot der Kompagnie die Lieferung von 113 Ge— 
vehren zum Preise von je !t/ Kilr. an. Ein Händler Maole machte 
ein Angebot auf Lieferung alter Gewehreé, das sich wesentlich 
billiger stellte. Der Stadtrat neigte dazu, diese zu baufen. 
Das energische Auftreten des Kompagmeführers Wagener veranlaßte 
ie Stadt, davon abzusehen, und die Kommission bestellte die Gewehre 
»ei Pistor. Am 24. April 1831 ging die erste Lieferung von 
Schmalkalden nach Cassel ab. Pistor war mit Aufträgen so über⸗ 
»äuft, daß er die Lieferung nur in bleinen Sendungen erfüllte. 
Im Juni kam der Rest endlich an. Der Stadtraf war nicht 
n der Lage, die recht erhebliche Summe von annähernd M0oo Ktle. 
zu bezahlen. Anscheinend hatte auch die Kommission die Stadt 
oon dem Eintreffen der Gewehre nicht unterrichtet. Als nun 
Pistor auf Einhaltung des Sahlungstermins drängte, kam es 
zwischen Stadtrat und Kommission zu unangenehmen und recht 
ebhaften und temperamenthollen schrifftlichen Auscinandersetßzungen. 
zie das gute Einvernehmen störten und den Bürgermeister veran- 
aßten, die Kompagnie mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. 
Zahlreiche vorhandene Abten lasen darauf schließen, wie man 
amals schon Angelegenheiten von geringer Bedeutung viel mehr 
Traft und Seit widmete. Es betraäf zuerst die Ausrüstung der 
Unteroffiziere mit Säbeln. Nach breiten und langen Verhandlungen 
estellte endlich die Kommission die notige Stückzahl bei dem 
schwertfeger Semmler in Cassel, das Stũck zu 12/8 Ktle. 
Schwieriger noch war nach den Abten die Ausrũüstung der 
zpielleute. Jede Kompagnie sollte 2 Trommler und 2 Hornisten 
»aben. In der ganzen Stadt war aber ein Hornist nicht aufzu— 
reiben. Es blieb nichts übrig, es mußten 4 Trommler angestellt 
verden, die fand man. Aber die Instrumentel Irgendwo auf 
em Rathaus fand man einige trommelähnliche Gebilde, die vom 
Blechschmied in eine vergebliche Keparatur genommen wurden. 
Es half nichts, es mußten auch hier 8 Stück neu beschafft werden. 
Das war Ende Apreil 1831. Die Aus- 
ũstung war soweit in Ordnung. 
Jeßt galt es, sich auf den Ernst- 
all einzustellen. Sattlermeister Wöstyn 
ertigte die Gewehrriemen an, während 
5attlermeister W. Gröschel die „20 
tück Bandaliere“ lieferte. Be— 
cheiden wurden 262 Patronen zum 
Ausprobieren angefordert. Das be— 
villigte alles die Stadt. Da kbam 
aber eine Forderung, die das VDer— 
ãltnis zwischen Stadt und Kompagnie 
rũben sollte. Die 3 eingestellten 
Trommler wollten das Kalbfell bei 
den öfteren ÄÜbungen und Wachen 
nicht umjonst bearbeiten. Sie ver— 
angten für ihre bunstvolle Musib 
Bezahlung und zwar monatlich ] Rtle. 
»ro Person. Hauptmann Wagener 
»eantragte die Besoldung beim Stadt⸗ 
eat. Wiederum trat der Stadt— 
räãmmerer Barthell gegen diese 
Forderung auf. „Der Etat hat einen 
Defekt von 408 Rtlr., 1525 Tlre. 
5chulden mũssen zurũckgezahlt werden, 
loo Rtlr. Vorschuß soll die Stadt 
zum Anbkauf von 100 Homberger 
Oiertel Korn aus dem Siegenhainer 
Magazin aufbringen.“ Das waren 
icher Ausgaben, die gemacht werden 
mußten, und darum war größte Spar— 
ambeit geboten. Also Beschluß: die 
Musikantenbejoldung wurde abge⸗ 
lehnt. Nun war aber die Musik ein 
wesentlicher Faktor der Bürger— 
garde. Wer sollte im Notfalle Alarm 
chlagen? Wer sollte den gleichen 
Schritt der Wehr bei ihren öfteren 
UÜbungen regeln? Rettungsengel in 
dieser schwierigen Situation war 
wieder der Kreisrat. Er ordnete die 
verlangte Besoldung an und zwar 
ollte die Auszahlung „jür die Tambours Strube und Kilian an 
en Feldwebel Klepper erfolgen, die Besoldung für den Tam- 
our Allmar ist auf dessen Einziehungs · und Bũrgergeld einzubehalten.“ 
Endlich stand die Kompagnie fertig. Hauptmann Wagener 
egte an, am Lindenplatz auf dem Galgenberg einen Schießstand 
u errichten. Am Aufgang zum Galgenberg, dem heutigen Linden⸗ 
erg, lag der verfallene städtische Steinbruch, auf dessen Schutt- 
alden einige Lindenbäume standen, die dem Ort den Namen 
egeben hatten. Wagener hoffte, zur Instandsetzung und Herrich- 
ung des Schießstandes von Cassel eine namhafte Anterstũtzung zu 
rhaͤlten. Die Rũckantwort war „bein Geld da“. An dieser 
Antwort hing jedoch eine schön geschriebene Aufforderung an die 
Zürgerschaft der Stadt, durch freiwillige Gaben die Schaffung des 
Aatßes zu ermöglichen. Sie wurde in Umlauf gesetzt und kam — 
rer zuruck. In seiner bekannten Tatkraft suchte Wagener schnell⸗ 
sens alle Hindernisse zu beseitigen. Da es sein Verdienst ist, dem 
eutigen Geschlecht den uns so lieb und vertraut gewordenen 
dindenberg zu schaffen, so mögen hier die für die Stadtgeschichte 
nmerhin wertvoilen Urkunden der Entstehung der Lindenberg- 
nlage im Wortlaut folgen. 
Geschehen zu Melsungen am 8. April 1831. 
Ser Kreissekretär (Hauptmann Wagener DO.) trug dem ge— 
amten Stadtreathe vor: 
2 
Kathaus in Melsungen. Nach »iner Zeichnung von E. Meß, Eschwege.
	        
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