Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

daß nicht nur die Burschen sich um die Gunst der beiden 
führenden Dorfschönen bemühten, sondern auch die Mädchen 
Sie wollten es den beiden gleichtun im neuesten „Staat“ 
In den Nachbardörfern, wo die Kirmes schon vorbei war 
da war in diesem Jahre das Sammetbleid der höchste Trumpf 
gewesen. And die stolzen Schwestern vom Schabackerhof 
hatten längst die Parole ausgegeben, daß das einzig und 
Alein der kechte Kirmesstaat sei. And wenns auch mancher 
Schönen schwer hielt, — was sein muß, das muß sein! 
Seibst viele Mütter waren noch eitel und töricht genug, der 
Putzsucht ihrer Töchter Vorschub zu leisten, so sehr es auch 
am Geldsack schmerzen mochte. 
„Ja, Mann, was tun wir da?“ sagte die Sãuerin vom 
Kehreshof. „Ganz zurückstehen lassen dürfen wir unsere 
Lene auch nicht. Wir haben die drei Jungen und das 
Mädchen und können doch nur einem unser Wesen geben. 
Da müssen wir uns für das Mädchen schon bei guter Seit 
nach einem Plätzchen umtun, wo es einmal als Frau hinpaßt.“ 
„Gewiß“, meinte der Bauer, „aber das hängt doch 
letzten Endes nicht vom Kirmesbleid ab.“ 
Der Ellervater saß am großen Kachelofen und wärmte — 
sich den steisen Kücken. „Ich meine“, sagte er, „ihr habft Die Kirmesgeigen gingen laut und machten jung und 
doch noch so viele Tuchbleider von deiner Mutter, Jung, und alt im Kopfe wirblig. Der Klarinetten⸗Wenzel ließ die 
bou dir selber, Schwiegertochter. Macht mal die Lade langen Finger auf den Klappen auf- und abwärtshüpfen. 
auf! Da habt ihr Kiermesstaat genug. Und schön und wie aufgeregte Hennen auf der Huͤhnerleiter gackernd auf⸗ 
echt ist er auch. Was dir und mir gefallen hat, als wir ind niederflattern. And dazu strich der Baßphilipp den 
noch Burschen waren, und was deiner Frau und deiner Brummbaß, daß es schnurrte. Anterm Tanzsaal lag der 
Mutter gut gestanden hat, das wird doch auch der Lene Pferdestall. Der Wirtsknecht hörte, wenn er fütterte, den 
qgut stehen.“ Boden nach dem Tabt des Tanzes schwappen. 
Aber, Schwieger, Ihr vergeßt, daß andere Seiten sind!“ Es war ein bunterbunt Gedränge in dem Tanzsaal. 
wandte die Bäuerin ein, während die Lene hereintrat und Die Decke mit dem schweren Balben, den mitten eine Säule 
sich mit dem Strickzeug unter die Lampe setzte. tützte, lag breit und niedrig über dem Gewirr der Köpfe. 
„Nunja, wenn die Seiten anders geworden sind, so läßt Ein Ofen, alt und rostrot, lehnte an der Säule. Doch 
sich doch auch so ein schöner, brauner Tuchrock ändern“, wider- brauchte heute, war's November auch, der Wiet nicht einen 
jprach der Alte. „Ein Bördchen mehr, ein paar Fältchen Funken Feuer anzufachen. Es wehte so schon heiß genug 
weniger — und so paßt's auch in die neue Seit.“ im Saal. Bier, Sranntwein, Keigen, Singsang und Sigarren- 
Heerjeh, Ellervaterl“ rief nun die Lene und ließ die qualm, die machten alle Köpfe heiß und alle Kehlen trocken. 
apfelbernbraunen Augen zum Ofen blitzen, „das sind aber „Aijehl“ schrie Michels Gustav stampfend und streckte 
aitmodische Ansichten!“ seine Arme nach den Mädchen aus, die längs der Wand 
„Ellervatersansichten sind immer altmodisch“‘, kam es in langen Keihen standen, dahinter all das alte Weibervolk 
bon dort zurück. nit Kindern auf dem Schoße saß — „uijeh, uijeh, lauter 
„Waren sie das in Eurer Jugend auch schon ? ammetse Menscherl Ihr Kerle, das macht Spaßl Komm, 
Freilich, Mädchen. Nur ein Anterschied war zwischen Katrin, trink 'nen Süßen!“ Die Katrin zierte sich, das 
heut und damals.“ Hlas zu nehmen, und nippte doch nicht ungern. „He, Wirt, 
„Ein Anterschied — sosol And welcher ?* nir einen Bitternl Das süße Seug — puh! — ist für 
Der Vater hing den Kopf aufs Seitungsblatt, sein Lachen Mannsleut nichts!“ Und Gustav goß den Bittern in die Kehle. 
zu verbergen, und auch die Mutter war gespannt auf den Der Gustav haͤtte recht. Die Tänzerinnen trugen durch- 
Fortgang der lustigen Kabbelei. weg Sammetbleider bis auf wenige, die sich als Töchter 
Der Anterjchied ist der“, sagte der Großvater, „daß kleiner „Geißbuern“ das nicht leisten Lonnten. Und zu den 
die Jungen damals etwas gaben auf die Ansichten der vwenigen gehörte auch die Lene. Es war wie Sischeln um 
Alten, und heute fällts ihnen gar nicht ein.“ sie her. Sie kbonnt' es nicht verstehen. Doch kbonnte sie 
„Das stimmt nicht recht“, hielt Lene ihm den Widerpart. iich denken, was es war. „Die großen Buern frißt noch 
„Wollt Ihr mich denn mit allen anderen über einen Kamm der Haches“) aufl Der Einzigen nicht mal ein Kirmesbleid, 
scheren?“ Sie hing den Kopf und spielte die Gebränkte. vie sichs gehört, zu kaufen! Das ist doch purer Geiz. Als 
Dich mein' ich ganz und gar nicht, Kind. Du warst wenn sie von nem Bettelwerbchen stammte! Es ist 'ne 
ja stets ein Engel, wenn du — schliefst. Net wahr?“ Schande für uns Buernl“ — Jaja, so ging das Sischeln 
Die Stube scholl von lautem Lachen. — auf den Weiberzungen. Selbst Lenes Schulbameraden 
varfen scheele Slicke und zogen schiefe Schultern. Doch 
„Na alsol“ lachte Lene mit. „Nun helft mir aber auch, Lene ließ sich das die Freude nicht verleiden. And wer ein 
Ellervater, daß ich, wie alle Mädchen, ein Sammetbleid zur Jutes Auge hatte und nüchtern blieb, wie Stückhofs Christian, 
Kiemes briegel Ich tanz auch den Ersten mit Euch! zer sah, daß sie in ihrem taubenblauen Tuchrock mit dem 
„Nun mach mir aber die Vögel nicht scheul“ wehrte Perlenbördchen um den Saum die Allerschönste war. 
der Alte ab. Wenn die stolzen Töchter vom Schabackerhof ihre Hände 
„Wirblich, Ellervater, den ersten Keigen tanzen wir ausstreckten, hatten sie an jedem Finger einen Tänzer. Und 
zwei, Ihr im blauen Kittel und ich im Sammetkleid. Sollt Geßs. 
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sehn, wie gut die altmodischen und die neumodischen An⸗ 
iijchten zueinander passen!“ 
„Mädchen, Mädchen, was ist denn nur in dich gefahren! 
So benn' ich dich ja gar nicht.“ 
„Ein kleiner Hochmutsteufell“ sprang der Vater dem 
Ellervater bei. „Den werden wir wieder austreiben müssen.“ 
„Ein Hochmutsteufel, wie ihn die Stadtmenscher haben, 
die sich alle Dierteljahr nach einer anderen Mode bleiden 
und sich die Heller aus der Tasche ziehen lassen!“ polterte 
der alte Mann heraus. 
„Ja, die Verrücktheit in den Städten geht zu weit“, 
war auch des Daters Meinung, „und in den Dörfern wollen 
wir ihr einen Damm entgegensetzen.“ 
Die birmesfrohe Lene sah, sie hatte beine Aussicht auf 
das Sammekkbleid. Nicht mal die Mutter sprang ihr bei, wie 
sie das sonst gern tat. Daß sie ohne Sammetbleid zum 
Kirmestanze gehen sollte, das war der Lene jichmerzlich. 
Doch sagte sie sich, als sie schlafen ging: „Ei. was nicht 
ein kann, bann nicht sein. And schön und lustig wirds auch 
ohne das!“
	        
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