Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Hemeinderäte von Höckershain dem schönen Plane des Herrn 
Lehrers Keinig mit dem größten Wohlwollen hilfsbereit 
zur Seite stehen.“ 
„Sabrament,“ lispelte der dicke Mörwel seinem Nachbar 
zu, „der Kerle redet ja wie ein Buch, der kbann's noch 
hesser wie unser Pfarrer, aber was eine Hyäne mit der 
Sadeanstalt zu tun hat, das will mie nicht ins Hien!“ 
Als dann Herr Keinig seine Ideen entwickelt und den 
Mert der Badeanstalt in den rosigsten Farben geschildert 
hatte, bat der Kreisrat den Bürgermeister, nun seine Ansicht 
dundzugeben. 
„Ihr Junge — nein — meine Herren,“ hob dieser 
an, „ich sein alleweil achtundjechzig Jahr alt und sein ohne 
Säder groß geworden, aber was der Herr Kreisrat und 
der Herr Lehrer da geredet haben, das ist nichts Unrechtes 
und leuchtet mir ein.“ 
„Guck, de Schlawizzer,“ brüllte der lange Boõrnges 
und schlug mit seiner dicken Faust auf den Tisch, „vorhin 
wollte er nichts wissen vom Bad, und alleweil babbelt er 
das Gegenteil. Ei, zum Gewitter hinein, was habt ihr 
dann zusammen gepaubelt und gemuschelt, daß du jetzt auf 
einmal eine Badeanstalt willst. Aas — ich glaube, du bist 
destochen worden. Und wenn der Vürgermeister umfällt, 
ver soll denn da noch stehen bleiben? Aber, Herr Kreisrat, 
as bann ich Ihnen sagen vor allen Leuten; mein Vatee ist in 
er Dickwurzbütt gesessen, ich sihe in der Dickwurzbütt, und 
nein Jung bleibt auch drin sitzen. Das ist unsere Bade⸗ 
instalt. Eine neue brauchen wir nicht, und ich stimme dagegen.“ 
„And ich seins nicht zufrieden, und wenns das Leben 
ostet,“ schrie das bleine Päpstchen. 
„Und ich gib meine Wiese nicht her für die Sadeanstalt,“ 
ꝛief Gartebaste Christian, „eher muß der Advobat heraus!“ 
„Etz nur langsam, ihr Junge,“ beruhigte der Bürger- 
neister. „Langer Börnges,“ fuhr er dann sort, „dich bLenne 
ch zu gut, sonst hättest du mich jetzt beleidigt. Etwas 
Inrechtes ist zwischen uns auch nicht gemuschelt worden. 
Aber daß eine Hand die andere wäjscht, das ist nun einmal 
d im Leben. Börnges, du magst in deiner VBütt sitzen, so 
ang du willst. Aber, wenn die Badeanstalt noch eine 
Vohltat ist für unsere Kindesbinder, dann dürfen wir nicht 
agegen sein.“ — — 
Der Lehrer Keinig hatte einen glücklichen Tag. denn 
ei der Abstimmung war die Mehrheit für die Sadeanstalt. 
dielleicht haben inzwischen auch die Gegner anerkannt, daß 
ine derartige Einrichtung auch für die Landbevölkerung 
rützlich ist. 
Des Dorfspfarrers letzte Fahrt d Von Th. Endemann. 
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Zum ersten Male fuhr er im Automobil! 
Aber zu einem ernsten Siel; 
Es ging zum Arzt, und in Gottes Hand 
Seines Lebens flaͤckerndes Flämmchen stand. 
Fuhr er zum Tode? — Su neuem Leben? 
niemand bonnte Bescheid ihm geben. 
Aber er hatte so manches Mal 
Tröstung gejspendet in Todesqual, 
Stand mit dem Herrgott so innig und gut, 
Daß ihm auch jetzt nicht wankte der Mut; 
Var ihm so leicht bei dem schnellen Jagen, 
Als würd' er auf Adlers Flügeln getragen. 
Im ersten Ahnen des Früuhlings stand 
Kingsum das alte Hessenland. 
Sonnenglanz lag auf Fluß und Tal, 
Auf Feldern und Wäldern allzumal; 
Leuchtend standen die Kuppen und Höh'n, 
Er flũsterte leise: „Heimat, wie schön, 
Aus alter 
Die Kuhtrifts-⸗BSataille. 
Nach einer geschichtlichen Begebenheit erzählt von Georg Klinb. 
Düunner blauer Kauch wirbelte hier und da schon vereinzelt 
iber den niedrigen Häusern. Verschlafene Gesichter tauchten hinter 
den kleinen, in Slei gefaßten Butzenscheiben auf, in denen die 
elle Morgensonne funkelnde Lichter aufgesteckt hatte. Hin und 
vieder blappte eine Pforte; in den Ställen meldete sich das Dieh, 
und schlürfende Schritte schallten auf steinernen Fliesen. Leicht 
n den Angeln knirschend wurde zeitweilig die obere Hãlfte 
ziner Haustuür geöffnet, und behäbig lehnte sich ein ehrsamer 
Handwerker heraus, um nach dem Wetter zu jchauen und dem 
Nachbar zuzunicken. Es war, ein friedvolles gemũtliches BSild 
iner kleinen Stadt am hellen frühen Morgen. 
Mit gewichtiger Miene trat Gottfried Keiners, der Kuhhirt, 
begleitet don seinem treuen Hunde, auf die stille Straße. Wohl⸗ 
Jefällig sah er an sich herunter. 
Potz taujend, was war er doch für ein staatser Kerll Blitz⸗ 
blank hing ihm das Horn an langem Riemen von der Schulter 
erab. Er haite sich die Arbeit aber auch sauer werden lassen 
ind die Asche beim Putzen nicht gespart. 
p und nun joliten die Hersselder mal ihr blaues Wunder 
erleben. 
Beiners stand still, zupfte sich den linnenen Kittel zurecht und 
tellte sich in Positur. Nun stand er wie ein Herold Seiner Herr⸗ 
ichkeit des Kaisers. Stolz glitt sein Slick ũber das große Horn, 
bebor er es zum Munde hodb und die Lippen spitte. 
Wie schön im Frühling und Sonnenschein! 
Ewige Heimat, wie wirst du sein? 
Frei von irdischem Leid und Grau'n, 
Velche Wunder werd dort ich schau'n? 
Froh geb' ich mich, Herr, in deine Handl!l“ 
And so sturmt' er durchs sonnige Land, 
Hlũcklich und leicht wie ein Vogel im Flug. 
— War es der Wagen noch, der ihn frug? 
Schwebt' er nicht aufwäris mit einem Mal, 
Veit über Berge und Fluß und Tal? 
Trugen ihn rauschende Schwingen nicht, 
Hlanzend in ũberirdischem Licht? 
Tun sich nicht goldene Tore dort auf? — 
— Und das Auto verlangsamt den Lauf: 
Durch die Straßen der Großstadt ging's; 
därm und Getöse rechts und links. 
Srausendes Leben, voll Lust und Not! 
AIm Wagen Stille. — Ver Pfarrer war tot. 
— 
—X 
Tatãrãtããã, tãtãrãtã-ã · ã · ã l* „Ilang der Kuf des Hlrten durch 
die suͤlle Stadt. Dier-, fünfmal ließ er das Horn schmettern. 
Aus der Tär seines Hauses trat Johannes Graue, der 
Zãckermeister, nickte dem Kuhhirten aus vᷣergnũgten Auglein zu 
ind rief in einer Pause, die der sonderbare Trompeter zum Atem⸗ 
olen brauchte, zu ihm herũüber: „Dunnerlittchen, Keiners, wos 
dnnt' Se fein biasen, do moß ma sech jo de Ohren zohallen!“ 
Auch Tyhras. dem Hund, schien die Morgenmusik wenig zu 
ehagen. Der hatte sich auf die Hinterbeine gesetzt, jchaute nach 
ꝛinem tutenden Herrn und heulte zum Steinerweichen. —*5 
„Dommes Veeh, hall de Schnutt“, sagte der Kuhhirt ärgerlich 
b des Mißklanges und ging an dem lachenden Bächermeister ge- 
rãntt voruber. Er war aber bald wieder versöhnt, als Meister 
zraue jeßt einem der beiden Hütejungen, die schon die ersten 
dũhe herantrieben, einige warme Wasserwecke zusteckte. Don 
euem erblang an der nächsten Straßenecke des Hirten Horn. 
Sum ersten Male in diesem Jahre wurden die Kühe wieder 
uf die Weide getrieben. bisher hatte es das regnerische Wetter 
och nicht zugelassen. Laut muhend trolteten die Kũhe aus den 
ãllen heraus, erhielten als Abschiedsgruß von ihrem Sositzer noch 
inen leichten Schlag auf die Hinterhand und gosellten sich in be⸗ 
hleunigtem Tempo dann zu den Schwestern, die Keiners allmahlich 
im sich geschart. 
Die Hersfelder hatten ihn gern, ihren allezeit lustigen Kuh⸗ 
irten. Der wollte jeßt, bevor er zum Peterstor hinauszog, noch 
inmal seine ganze Kunst zeigen. Im strammen Warschschritt zog 
r der Herde vorauf. warf soidatisch seine nackten Beine und blies
	        
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