Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

„Herr Lehrer,“ rief er aus, „was battet das all, ich 
sein für Ordnung und Keinlichkeit. Sauber geputzt ist halb 
gefüttert. And dafür sein ich nicht nur beim VDieh, sondern 
hauptsächlich auch bei meinen Leut, und natürlich spür ich 
has am beften an mir selber. Wenn mir im Sommer der 
Heusamen auf den Rippen hängt, dann gehts am Sonntag 
die bolle Bütt. Ja, in die große Dickwurzbütt, die da 
neben steht. — Ei, ist das eine Guttat, Herr Lehrer, wenn 
sich der lange Börnges in der Familienbütt plarrert und 
schurrert, und das so gründlich, daß das WMasser bis an die 
Stalldecke spritzt. Gucke Se, das ist ganz unschenieelich, 
denn man sitzt ja in seinen vier Wänden. Sehen Sie, so 
waschen sich die Börnges. So hat's mein Dater gemacht, 
o mache ich es wieder, und so machens auch meine Kinder.“ 
Der Scheck schwang jetzt den triefenden Schwanz so 
wirkungsvoll im Kreise, daß sich Heer Keinig nur durch 
einen raschen Sprung in die offene Stalltüre vor weiteren 
nassen Überraschungen retten bonnte. 
„Was sagen Sie dazu, Herr SBörnges,“ rief er von dort, 
wenn Höckershain eine Badeanstalt bebäme! Da bräuchten 
Sie beine Familienbütt mehr und kLönnten den Heusamen viel 
bequemer entfernen.“ 
„Herr Lehrer.“ schrie der Bauer, „ich glaube, Sie 
machen Spaß. Aber wenn Sie das im Ernst meinen, dann 
müssen Sie wissen, ich jein beim Gemeinderat und habe da 
auch mitzureden. So eine Badeanstalt, das ist vornehmes 
Gezeug. Die Stadtleute mögen sich gegenseitig das Wasser 
frübe pullen. Aber diese Beijassenanschläg taugen nichts 
für unser Dorf. Ei, die Schwernot noch einmal, nackig in 
der Welt herumzulaufenl Da müßte man sich ja vor Gott 
und allen Leuten schämen. Nein, Herr Lehrer, das machen 
die Höckershainer nicht, und die Sörnges bleiben bei der 
Dickwurzbũtt. Nun nichts für ungut, Herr Lehrer, aber 
wenn wir einig bleiben wollen, dann kommen Sie mir nicht 
mehr mit solchen Späß.“ Sur Bebeäftigung dieser Meinung 
schlug der Bauer mit der geballten Faust so heftig an die 
Stalltüre, daß der Schellero) blirrte. — 
Als Herr Keinig seiner Wohnung zuschritt, dachte er 
darüber nach, wie man wohl Enttäuschungen in Erfolge ver⸗ 
wpandeln könne. Diese Bauern, das waren Dickköpfe. Die 
—VD noch 
so segensreich war. Er hatte aljo mit jeinem Plane einen 
jchweren Stand. Und wenn er vorwärts bommen wollte, 
dann mußte er weiter gehen. Die Herren am Kreisamt 
würden ihm sicher helfen und zu einer entscheidenden Sitzung 
nach Höchkershain kommen. Das waren Kespeltspersonen 
für die Dörfler, und dann mußte sein Plan gelingen. — — 
Das Kreisamt hatte die Idee des Lehrers wohlwollend 
aufgenommen. Kurze Seit darauf lief der Ortsbüttel zu 
den Gemeinderäten und bestellte diesen: 
„Morgen früh um zehn Ahr ist im alten Schulsaal 
Sitzung wegen einer geplanten Sadeanstalt. Es hat sich 
jeder Gemeinderat pünbtlich einzusinden.“ Bedeutungsvoll 
fügte der Büttel hinzu: „Der Kreisraf bLommt, und von 
— einer heraus.“ 
„Und der lange Börnges rückt mit seiner Meinung auch 
heraus,“ schrie dieser dem Büttel so laut und giftig ins 
Ohr, daß derselbe ganz erschrocken zʒusammenzuckte. Der 
hatte aber gleich wieder seine Spaßvogellaune und dichtete: 
„Jawohl, langer Börnges, morgen Lommt alles heraus, 
Da gibt's ein neues Badehaus!“ — 
Am anderen Morgen um die neunte Stunde gingen die 
Käte mit würdigen Schritten und entschlossenen Gesichtern 
dem Schulhause zu. Als der lange Börnges am Spritzen- 
J nutßt. 5) Riegel. 
haus um die Ecke bog, traf er mit dem drei Kopf kleineren 
Päpstchen zujammen. 
Gsbenges“, rief das alte Männchen mit hohem Stimm- 
hen, „ich seins nicht zufrieden, und wenn's das Leben 
rostet!“ 
Frohnings Daniel sah die Beiden auf der Dorfgasse 
aufen und wurde ganz zappelig: „Julche, mach fort,“ bettelte 
er ganz ängstlich, „sonst komm ich zu spät.“ Seine Frau 
nöpfte ihm noch den Kragen und den Schlupp fest, das 
Lonnte er nicht selber. 
Dor dem Schulhause stand der Ortsdiener in seiner 
chönsten Aniform. Er hatte den Säbel umgeschnallt und 
nachte ab und zu einen langen Hals nach dem Schauer— 
pald hin. Dorther mußten die Herrschaften Lommen, und 
er hatte sie dem Bürgermeister zu melden. 
„Ihr Junge“, nahm nun der Ortsgewaltige im Schul⸗ 
aal das Work, „wie ich sehe, seid Ihr alle da. Wir jein 
ierher bestellt wegen einer Badeanstalt. Der Kreisrat 
jommt, und sogar die Kegierung kommt heraus. Aber ich 
bernehme beinerlei Verantwortung.“ 
„Die Verantwortung übernehme ich voll und ganz,“ 
»emerkte Herr Keinig. Die Blichke, die man diesem von 
allen Seiten zuwarf, waren nicht gerade freundlich. 
Alleweil“, fuhr der Bürgermeister fort, „sein ich acht- 
indsechzig Jahre alt. Mein Lebtag habe ich Leine Bade⸗ 
instalt gehabt, alt sein ich doch geworden, und ein Schmutz- 
ink sein ich auch nicht gewesen.“ 
„And ich gib meine Wiese nicht her für die Sadeanstalt,“ 
eief Gartebaste Christian. „Eher ich das zufrieden bin, 
nuß der Advobat heraus!“ 
„Christian, du mußt warten, bis dir das Wort erteilt 
vird,“ meinte der dicke Mörwel. 
Ei, ich hatte ja grade das Wort,“ gab Christian er⸗ 
taunt zurück. 
„Nein, Herr Lehrer,“ meinte der Sürgermeister weiter, 
„Ihre neumodischen Possen und Ihre Pijf machen wir nicht 
dite Sad wollen wie Leins, Geld haben wir beins, ich 
ein dagegen, und nun, ihr Jungen, alleweil sagt auch Eure 
Meinung.“ 
„Heraus, der Kreisrat Lommt!“ brüllte jetzt der Büttel 
bor dem Hause. 
Im Hinausgehen haschte sich der Lehrer den Bürger— 
neister und flüsterte ihm ins Ohr: „In vierzehn Tagen 
haben wir Bürgermeisterwahl. Ihr Gegner ist angesehen 
m Dorf und hat gute Aussichten. Herr Sürgermeister, ich 
in nicht gern parteiisch. Aber für mein Bad tue ich alles. 
Venn wir eine Badeanstalt bebommen, dann glaube ich 
hestimmt, daß Sie im Wahlkampf Sieger werden.“ 
„Ei, die Krenb, ja so,“ sagte der Sürgermeister, dappelte 
die letzte Stiege herunter und am gerade recht, den Kreisrat 
zu begrüßen. — 
„Meine Herren,“ begann der Kreisrat, als alle im 
Schulsaal Platz genommen hatten, „aus einem freudĩgen und 
offentlich auch erfolgreichen Anlaß bin ich heute zu Ihnen 
gekommen. Sie sind bereits darüber unterrichtet, daß es 
ich um eine geplante Badeanstalt handelt. Der Herr 
Zegierungsvertreter war leider verhindert mitzukommen; er 
zat mich aber beauftragt, seine besten Wünsche für die ge— 
lante Sadeanstalt zu übermitteln. Ich persönlich bin fest 
»avon überzeugt, daß Herr Lehrer Keinig hier eine Tat 
‚ollbringen will, die ihm noch Ihre Kinder und Kindes- 
inder danken werden. Das Kreisamt hat das allergrößte 
Interesse am Gelingen des Lulturellen Unternehmens, be— 
onders auch wegen der Hygiene, und ich glaube annehmen 
zu dürfen, daß auch der Herr Burgermeister und die Herren 
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