Full text: Heimatschollen 1926-1928 (6. Jahrgang - 8. Jahrgang, 1926-1928)

Alle drei Bände sind erschienen bei Albert Langen in 
Mũnchen. — Hans Grimm ist ein Kurhesse. Es gab schon einmal zwei 
Heßer, die Grimm hießen und durch die des deutschen Volkes 
Jeijtige Stimme vernehmlich und blangvoll-herrlich geredet hat 
Diese Grimms sind sicher die Dater Hans Grimms im Geist gewesen 
Außerlich genommen besteht Leine Blutsverwandtschaft mit Jakob 
und Wilhelm. Hans Grimm ist einer hessischen Pfarrerfamilic 
entsprungen. Er ist geboren am 22. März 1815 in Wigsbaden, 
lebte und arbeitete als Kaufmann und Farmer lange Jahre in 
Afrika und wohnt jetzt in Lippoldoberg an der Weser. 
Landes mit uns fest verwächst — mit uns, unserem Denlben und 
rieben: Sũd-⸗Afrikal 
Es liegt nicht an den vielen deutschen Namen der Orte, der 
flũsse, der Stãädie, der Wege dort. In Nordamerila gibt's wohl 
Tausende von deutschen Dorf-und Stadtnamen. Aber es ist bein 
echier Heimatklang für uns darin. 
Es ist also doch jo: Hans Grimm, der Dichter, hat Afrilka 
empfangen in sich, wie eine Frau ein Kind empfängt, und hat es 
ür uns geboren: er hat dies Riesenland für uns deutsch gemacht, 
deutsch geboren aus einem dichterischen BSlut heraus, und nun ist's 
unser Kand, wahrhaft unser Land. Denn es ist geistig und dem 
Slut nach unser. Dabei verschlägt's nichts, daß es augenblicklich 
englijch“ ist. Es ist auch gleichgültig, ob dort englische Bauern 
gibt es die?) oder Schweden oder Dänen oder VOlamen oder 
Keichsdeutsche oder Schweizer siedeln. Es ist gleichgültig. Denn 
dies ist das Land der Menschen germanischer Rasse — dies ist 
ein Land der Sukunft für den weißen Menschen! 
Aber, Hans Grimm, Dich rede ich nun an und ich spreche 
zu Dir mit Deinen eignen Worten: .. *.. wir wollen Deine 
Hõrer sein und es soll einen geben, der nicht ein andächtiger Hörer 
ist. . ...“ UAnd aͤlle wollen wir denben und sprechen: .... 
es ist schön in Dir! Wir sind blein vor Dir.. ...!“ 
Dir wollen wir folgen. Hans Grimm! 
K. M. Schimmelpfeng. 
Wie ist das eigentlich? Da gibt es das Land, das wir Klein- 
deutschen von heute „das Keich— nennen. Aber, daß wir es so 
nennen, ist schon der Beweis, daß es ein angelernter Schulname 
ist. Denn die Bezeichnung „das Keich“ sjpricht aus, daß außer⸗ 
halb noch andere Stũcke Sand liegen, die eigentlich und innerlich 
dazu gehören. Ich zähle sie nicht auf, denn sie sind in jedes 
Deutschen Herz geschrieben; nur ist die Schrift bei manchem etwas 
derwischt. Es sind schöne Stũcke Landes mit herrlichen ODörfern 
und Städten und vor allem mit guten germanischen Menschen, von 
deren freier Susammenfassung wir leise träumen, weil ihrer Namen 
Schrifi in unseren Herzen steht... 
Und da kommt plötzlich ein Mann Hans Grimm und schreibt 
in unser Herz ein neues Land hinein, daß der Name dieses 
⸗ 4 — ⸗/ 
VDom Büuchertijche der Heimat. 
Dora v. Stockert⸗Meynert, Euphorion. Reclams AUni- 
oersalbibliothek Ne. 6s47, geh. 40 Pf., geb. 80 Pf. 
In das schönheitverklärte Dasein eines hochgemuten Eltern⸗ 
paares tritt ein Kind, ein Sohn, der die Fortsetzung und Ersfüllung 
des väãterlichen und mütterlichen Selbst werden soll und zu werden 
verspricht. Der Vater, ein Gelehrter und Schöngeist von Ruf, 
sieht in ihm den zukünftigen reinen Diener des Gedanbens, der 
die Schönheit obenan seßi am Tisch des Lebens; die Mutter, eine 
Sängerin, erbennt in seinem musibalischen Talent die Vollendung 
und Krönung ihres eignen Wesens und Strebens, ohne die leijeste 
Ahnung, daß schon der Tod den Jũngling gezeichnet und ihn zu 
frühem Sterben erlesen hat. Ganz verinnerlichtes, um seine schwere 
Tragik wissendes Leben gestaltet sich in dieser Novelle, die voll 
verhaltener Schmerzen und tiefer Trauer ist und dennoch einen 
unnennbaren, leidlindernden Trost in jede Menschenjeele träufelt. 
Der Verfasserin ist ein leines Meisterwerk gelungen. R. 
Luise Westkirch, Die Fortuna von Praeneste. Keclams 
Universalbibliothek Ur. 6644, geh. 40 Pf., geb. 8o Pf. 
Im zerfallenen Fortunatempel zu Palestrina hat Luigi DVanu⸗ 
telli, dem Fortunag in jeder Hinjicht sich unhold erzeigt, am, Vor⸗ 
abend des Madonnenfestes ein Koulette aufgestellt, um sich das 
Glũck zu erzwingen. Antonio Cavaliero, bisher der ausgesprochene 
Günstuͤng Fortunens, verliert seine sauer verdienten Erjsparnisse, 
womit er sich und Marietta ein Heim gründen wollte, setzt im 
Rausch der Spielleidenschaft als Letztes seine geliebte Warietta 
aufs Spiel und verliert sie an seinen Rivalen Luigi. Antonio 
muß schwer büßen, wird aber durch den unerwarteten tödlichen 
Absturz seines Kipalen bei einem Kirchenraub von seinem leicht⸗ 
sinnig geleisteten Eid gelöst und findet den Weg zu Marietta zurũck. 
Eine fesselnde Erzählung, voll geheimen romantischen Saubers. K. 
Louis Couperus, Lucreʒia Sorgia. Reclams Universal⸗ 
bibliothek Ne. 6641, geh. 40 Pf., geb. 8o Pf. 
Der Holländer Couperus macht das glänzende Elend der 
schönen Paͤpsttochter Lucrezia Borgia zum Gegenstand einer 
Novelle. Lucrezia ist für ihren Vater Papst Alexander VI. und 
ihren grausamen Bruder Cesare nur ein Spielball und Köder für 
fürstliche Freier, wird verlobt, entlobt, verheiratet, geschieden, wieder 
vermählt und unter den Augen ihres Daters durch ihres Bruders 
gemeinen Mord an ihrem Gemahl Gljfonso von Arragon zur 
Witwe gemacht. Die kaum Swanzigjährige, deren Liebreiz, Jugend 
und Lebenslust alle Welt bezaubert, wird nun wieder „wie ein 
Ding, wie eine Sache“ hingegeben und zwar an den Herzog Alfonso 
von Ferrara, an dessen Seue sie das Glück erhofft. Diese geschicht- 
lichen Tatsachen rũckt uns der Dichter in seiner Novelleé, die bunst 
und kulturgeschichtlich jehr anziehend ist, zum mitleidvollen Nacherleben 
vor die Seele. R. 
Thüringer Sagen. Mit 20 Tafeln und 54 Abbildungen im 
Text. Gesammelt und herausgegeben von Paul Quensel. Verlegt 
»ei Eugen Diederichs in Jena 1026. 810 6. 
Bei der engen Verbindung, die in geschichtlicher Frũhzeit zwischen 
den Ländern Hessen und Thuͤringen bestanden hat, werden Werbe 
thũringischer Stammesbunde auch in Hessen stets auf, besondere 
Teilnahme rechnen können. Diese Teilnahme wird um so lebhafter 
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ein, je allgemeiner die Bedeutung und je reichhaltiger die Dar⸗ 
hietung des betreffenden Werbes ist. Das vorliegende, das zu 
em von Dr. Paul Saunert, Cassel, herausgegebenen „Deutschen 
Zagenschatz“ gehört, hat denn auch in der Tat Anwartschaft auf 
ebendigen Widerhall beim hessischen Publikum, denn es enthält 
ieles, was, wenn auch teilweije unter anderer Form, hierzulande 
edermann vertraut ist; hierzu sind natürlich in erster Linie die 
Zerichte ũber das Leben der Heiligen Elisabeth zu rechnen. Aber 
iuch sonst hört der hessische Leser manchen seinem Ohr nicht 
mgewohnten Klang. Im übrigen darf das Werb auch seiner ganzen 
haltung wegen auf allgemeines Verständnis rechnen; es verzichtet 
ãmlich auf die Einteilung des Sagenmaterlials nach den Fundorten 
ind güedert nach sachlichen Grundsätzen, indem es zunächst die ge⸗ 
chichtlichen Sagen in geschickter kultureller Einteilung aufreiht und 
sie mehr dem Volksglauben zugehörigen, ebenfalls zweckmäßig 
ruppiert, folgen und den Humor das Ganze beschließen läßt. Den 
Stammescharalter, der sich in der Gesamtheit der thüringischen 
zagen spiegelt, hat der in Weimar, also an Oet und Stelle hausende 
derausgeber selbst folgendermaßen gebennzeichnet: „Su den in der 
Slutmischung gegebenen Vordausseßungen bam eine freundliche, 
ersöhnliche Natur, die dem Menschen viel mildere Aufgaben stellte 
ils die im Hochgebirge oder an der Meeresbũste. So ist es am 
knde nicht verwunderlich, wenn sich das thũringische Volk nicht herb 
eschlossen, jondern heiter und zugänglich erweist, wenn zu den 
roßen, brafivollen SZügen der älteren Seit minder starke treten, 
benn die Arbeitsfreudigkeit oft nicht Arbeitszähigkeit ist, der 
Zegeisterungsfähigkeit nicht jselten die Ausdauer der Überzeugung 
ehlt. So sieht man in den Sagenbildungen und Umformungen der 
ũngeren Seit mehr Genũge an liebenswürdigen, geheimnisvollen, 
punderlichen Bildern und Gestalten als an unbändigen, finstern, 
ãmonischen.“ Es ist mithin beine schwerblũtige oder gar schwer⸗ 
nũtige Lebtũre, was hier vorgelegt wird, sondern ein vielfach 
eiteres, phantasiefrohes Fabulieren in anspruchslojer Form, das 
u unterhalten verinag, ohne bloß Unterhaltung zu sein, und mehr 
AUs Antérhaltung ist, ohne doch die Aufnahmebraft des Lesers 
nerblich anzuspannen. Eine geistig rege, muntere Volbsnatur spricht 
ich hier uriümlich aus und kann gewiß sein, ũberall verstanden zu 
verden, wo deutsch empfunden und gesprochen wird. Das ansprechend 
usgestattete Buch ist mit zahlreichen Abbildungen auf Tafeln 
ind im Text verjehen; als Titelbild figuriert die Hl. Elisabeth 
nach einer Sbulptur aus der Elisabethkirche zu Marburg. w. 6. 
Huldreich Swingli. Ein deutsches Volksbuch von Wilhelm 
s—chãfer. Verlegt bei Georg Mũüller in Müũnchen. 
Der Hesse Wilhelm Schäfer, ein Schatzhalter deutschen Sprach⸗ 
ums, ein Erneuerer deutschen Erzähltons, ein Spurgänger deutschen 
Schickjals, hat seinem jũngsten Werk ein Vorwort mitgegeben, in 
hem er sein Unternehmen zu rechtfertigen versucht. Das wäre, 
vas den „Huldreich Swinglie rein als Dichter angeht, nicht not 
vendig gewesen, denn ihr Held wird darin in seinem ganzen 
Verdegang prachtvoll verdeutlicht; in Sildern, die in ihrer Saftig- 
eit und ihrem herben Geschmack bolorierten Holzschnitten vergleichbar 
rscheinen, wird die Eniwicklung des Priesters zum Politiber, des 
Zirchengläubigen zum Freidenker eindringlich dargestellt. Mit
	        
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